Editorial
Die Koalitionsverhandlungen in Nordrhein-Westfalen sind auch für Energierechtler unter einem bestimmten Aspekt sehr spannend. Es geht um den Weiterbau des E.ON-Kohlekraftwerks Datteln, den das OVG Münster mit Urteil vom 03.09.2009 (ZNER 2009, 284) gestoppt hatte. Nachdem auch die Revisionsbeschwerde zum Bundesverwaltungsgericht keinen Erfolg hatte (ZNER 2010, 188), kommt es für die Behebung der vom OVG gerügten planerischen Fehlentscheidungen auf die Politik an. Denn es war nicht nur der Bebauungsplan Nr. 105 der Stadt Datteln für das E.ON-Kraftwerk unwirksam. Vielmehr stand das Projekt auch den Vorgaben der Landesplanung entgegen, insbesondere des Regionalplans Münster und des Landesentwicklungsplans. Daher betrieb die CDU/FDP-Landesregierung unter Ministerpräsident Rüttgers Änderungsverfahren. Diese sind aber nicht abgeschlossen. Es kommt daher darauf an, ob und ggf. wie eine neue Koalition das Änderungsverfahren im Interesse des Weiterbaus des Kraftwerks fortsetzt. Insofern unterscheidet sich der Fall auch von dem des Hamburger Kohlekraftwerks Moorweide, an der beinahe die Bildung einer Schwarz-Grünen Landesregierung gescheitert wäre. Das dortige Verfahren war nämlich nicht rechtlich notleidend wie das nordrhein-westfälische.
Der Schwerpunkt des vorliegenden Hefts ist das Urteil des 8. Zivilsenats des BGH zur Unwirksamkeit einer Preisanpassungsklausel in einem Erdgassondervertrag, die die Änderung des Arbeitspreises ausschließlich an die Preisentwicklung für leichtes Heizöl (HEL) knüpft. Dieses Urteil lag einerseits in einer ganzen Reihe von kritischen Entscheidungen des 8. ZS zu Preisanpassungsklauseln, die er schon mit seinem Beschluss vom 27.10.2009 (ZNER 2010, 65) abgeschlossen zu haben meinte. Die tragende Begründung im Urteil liegt einerseits auf der Linie der bisherigen Rechtsprechung zur Anwendung des AGB-Rechts auf Preisanpassungsklauseln. Sie bewegt sich aber insoweit auf ungesichertes Terrain, als der BGH die These aufstellt, dass es keinen Marktpreis für Gas gebe, weil es nach wie vor an einem wirksamen Wettbewerb fehle. Das wird in der Besprechung des Urteils von Heßler und Specht durchaus kritisch kommentiert. Die Autoren halten allerdings an der Notwendigkeit einer HEL-fixierten Preisanpassungsklausel fest. Zu einem ganz anderen Ergebnis kommt hingegen der Aufsatz von Däuper/Couval zur kartellrechtlichen Beurteilung der Marktlage bei Gas. Die Autoren diagnostizieren eine Marktöffnung beim Gas, die auch das ganze Preisfixierungssystem in Bewegung bringt. Mit-Autor Däuper, der zum Thema der Preisbildung bei Erdgas schon promoviert hatte (Gaspreisbildung und europäisches Kartellrecht, München 2003), und Couval betrachteten zunächst die historische Entwicklung der Preisbildung, insbesondere des Anlegbarkeitsprinzips. Dieses Prinzip geht aus von der strategischen Festlegung der Erdgaswirtschaft, das Erdgas in Konkurrenz zum leichten Heizöl am Markt zu etablieren. Der Preis musste daher so festgelegt werden, dass die Kunden bereit waren, von der Heizung mit Heizöl zu der mit Erdgas überzuwechseln. Theoretisch ist daher der anlegbare Preis derjenige, den der Kunde noch bereit ist zu zahlen. Die Autoren sehen das Ende des Anlegbarkeitsprinzips gekommen. Denn es wirkt wie eine unzulässige Kartelllierung, als Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung. Aus dieser Sicht liegt das BGH-Urteil in der richtigen Richtung, auch wenn es von einem Zivil- und nicht vom Kartellsenat kommt. Die Kopplung der Gas- an die Ölpreise würde auf einem Wettbewerbsmarkt nicht stattfinden und ist daher nicht wettbewerbsgerecht. Eine visionäre These, die aber hochplausibel ist und die Erdgaswirtschaft zum Nachdenken bringen muss.
Im Aufsatzteil findet sich schließlich ein kurzer Beitrag von Tönnies zur Tarifpreisbildung nach § 40 Abs. 3 EnGW, die mit dem EnWG 2009 kam. Tönnies, der auch Patentanwalt ist, fragt – und das ist völlig richtig –, ob denn eine Preisfestsetzung plausibel ist, die einen einheitlichen Kilowattpreis ohne Rücksicht auf die Elektrizitätsmengen festlegt, die zu jedem Zeitpunkt insgesamt nachgefragt werden. Eine solche Preisfestsetzung sei in der Volkswirtschaftslehre seit langem als offensichtlich abwegig erkannt. Vielmehr müsse die Last berücksichtigt werden, wie das bei industriellen Unternehmern häufig bereits geschieht. So unterfällt die Vorschrift einem vernichtenden Urteil: Sie sei zwar gut gemeint, handwerklich aber miserabel gemacht. Außerdem sei die durch das Energiewirtschaftsgesetz als Ganzes vorgegebene Struktur schwerlich geeignet, einen ökonomisch und ökologisch vernünftigen Rahmen für die Energiewirtschaft zu bilden.
Im Entscheidungsteil ragen heraus das schon angesprochene Urteil des BGH zur Anbindung des Gas- an den HEL-Preis in einer Preisanpassungsklausel, die sehr grundsätzliche Entscheidung des OLG Düsseldorf zu verschiedenen Rechtsfragen der Anreizregulierungsverordnung, die derzeit die Regulierungsbehörden und die OLGs umtreiben. Interessant ist ferner eine Entscheidung des Amtsgerichts Berlin Mitte, in der es zwar nur um gut 800 EUR geht, die die GASAG an Gaskunden zurückzahlen muss, weil sie eine unwirksame Preisanpassungsklausel verwendet hatte. Das Urteil enthält aber Sprengstoff, weil derartige Fälle zu Tausenden anhängig sind. Häufig werden allerdings die Kunden Opfer der Verjährung, weil sie zunächst gegen Preisanpassungsklauseln kämpfen (und gewinnen), bei aller Umtriebigkeit aber aus dem Auge verlieren, dass sie ihren Rückforderungsanspruch spätestens drei Jahre nach dem Ablauf des Jahres vor Gericht anhängig machen müssen, aus dem die Rechnung stammt.
Mit einem für Solarthermie sehr bedeutsamen Fall hatte sich das Verwaltungsgericht Gießen zu befassen, das in einem Urteil zwar die Solarsatzung der Universitätsstadt Marburg in Einzelheiten beanstandete, aber im entscheidenden Punkt einer Beanstandung des Regierungspräsidiums Gießen der Stadt Recht gab, nämlich dem von einer Beanstandung des RP gerügten Fehlen der Ermächtigungsgrundlage. Die Schwarz-Gelbe hessische Landesregierung reagierte allerdings ausgesprochen tumb; sie hebt nämlich einfach die Ermächtigungsgrundlage zum Jahresende auf. Dabei liegt die Marburger Solarsatzung durchaus auf der Linie der Rechtsentwicklung. Es gibt nämlich mit dem Erneuerbare Energien-Wärme-Gesetz des Bundes bereits eine Rechtsgrundlage für die Verpflichtung zum Bau solarthermischer Anlagen bei Neubauten. Die Marburger Solarsatzung kann sich daher in ihrer zukünftigen Form auf die Bestandsgebäude konzentrieren. Insoweit liegt sie in der Tendenz einer EU-Richtlinie zur Förderung der Nutzung von Energie aus erneuerbaren Quellen, die den Mitgliedstaaten aufgibt, ihr Recht bis zum Jahr 2014 auf diesen Stand zu bringen. Daher müsste auch das Land Hessen, wenn nicht der Bund aktiv wird, entsprechendes Recht schaffen. Die Marburger Solarsatzung erhielte dadurch eine späte „Unterfütterung“, was ihr zu wünschen wäre.
Peter Becker