Editorial
Am 29.03.2012 hat der Deutsche Bundestag mit der Photovoltaik-Novelle 2012 das im Januar in Kraft getretene EEG 2012 bereits wieder geändert. Es ist zu erwarten, dass das Gesetz trotz ausstehender Bundesratsentscheidung mit Wirkung zum 01.04.2012 rückwirkend in Kraft tritt. Die zunächst geplante Änderung rückwirkend zum 09.03.2012 ist damit vom Tisch. Damit sah sich der Gesetzgeber nach dem „Fukushima-beschleunigten“ EEG 2012 erneut zu schnellstem Handeln genötigt.
Was ändert sich? Im Vordergrund steht die erhebliche Absenkung der Vergütungssätze für Photovoltaikanlagen: etwa für kleine Dachanlagen bis 10 kW auf 19,50 Ct/kWh, bei Freiflächenanlagen auf nur noch 13,50 Ct/kWh. Im Gegenzug werden – verfassungsrechtlich dringend erforderliche – Übergangsregelungen vorgesehen: Etwa Dachanlagen erhalten die Vergütung nach altem Recht, wenn vor dem 24.02.2012 ein Netzanschlussbegehren für eben diese Anlage gestellt wurde und die Inbetriebnahme bis zum 30.06.2012 erfolgt. Für Freiflächenanlagen ändert sich nichts, wenn ein Planungsverfahren vor dem 01.03.2012 begonnen wurde und die Anlage vor dem 01.07.2012 in Betrieb genommen wird.
Zudem wird der „atmende Deckel“ nun doch beibehalten, aber weiterentwickelt. Er wird damit nicht durch einen Mechanismus abgelöst, in dem per Ministerentscheid anstelle eines Parlamentsgesetzes kurzfristige Nachbesserungen an der Vergütungsregelung möglich gewesen wären, wenn der Zielkorridor bei der Ausbaugeschwindigkeit der PV nicht eingehalten wird. Im vorliegenden Heft drucken wir in diesem Zusammenhang einen Offenen Brief von Nina Scheer an Bundesregierung und Parlament ab, der diesen und die weiteren Diskussionsgegenstände „Einmalabsenkung“ und „Marktintegrationsmodell“ der letzten Wochen bestens dokumentiert. Der weiterentwickelte „atmende Deckel“ führt aber bei Fortsetzung des schnellen PV-Ausbaus zu weiteren monatlichen Absenkungen der Einspeisevergütung zwischen 1 % und 2,8 %. Damit sollen Vorzieheffekte vermieden und der Ausbau verstetigt werden. Sollte der Ausbau stagnieren, wird auch dies nunmehr bei der Degression durch ggf. wieder steigende Vergütungen berücksichtigt. Insgesamt entspricht die eingeschlagene schnelle Gangart bei der Absenkung von unter Umständen bis zu 29 %/a nach Ansicht des Bundesumweltministeriums dem derzeitigen technologischen Fortschritt und dem erzielbaren Kostensenkungspotential.
Eingeführt wird zudem ein neues „Marktintegrationsmodell“. Danach erhalten Dachanlagen unter 1 MW, gestaffelt nach Anlagengröße, nur noch 80 % bzw. 90 % des erzeugten Stroms vergütet. Dies geschieht in der Annahme, der übrige Stromanteil könnte selbst verbraucht oder direktvermarktet werden. Zugleich wird u.a. der Inbetriebnahmebegriff weiterentwickelt: Entscheidend ist nun, dass die Anlage ortsfest installiert wurde und dauerhaft mit den für die Erzeugung in Wechselspannung erforderlichen technischen Einrichtungen verbunden ist. Schließlich wird die PV-Förderung grundsätzlich auf Anlagenkonvolute von bis zu 10 MW begrenzt.
Sicherlich ist die Festsetzung des „richtigen“ PV-Vergütungssatzes in einem Mindestpreissystem für jeden Gesetzgeber ein besonders schwieriges Vorhaben. Denn die zu beachtenden Umstände und Entwicklungen sind komplex, global und schwer vorherzusagen. U.a. ist fraglich, ob die tatsächlichen Herstellungskosten für den Gesetzgeber transparent werden. Auch ist das Ausmaß nicht absehbar, in dem asiatische Fördergeber „ihre“ Industrie noch subventionieren werden. Vor diesem Hintergrund ist positiv zu bemerken, dass die Novelle nun doch keinen festen Deckel vorsieht. Überhaupt ist die Absenkung der Vergütungen an sich eine Erfolgsgeschichte des EEG. Denn es tritt ein, was man beabsichtigte: Eine möglichst schnelle Annäherung der Erzeugungskosten an den Marktpreis. Es erscheint aber insgesamt doch als offen, ob hier u.a. mit Blick auf befürchtete Auswirkungen auf die EEG-Umlage nicht des Guten zuviel getan wurde. Denn ohne kompetente und in gewissen Umfang auch potente Marktteilnehmer auch in Deutschland könnte die technologische und auch Kostenentwicklung der Photovoltaik dauernd Schaden nehmen.
Dabei belegen aktuelle Umfragen (vgl. etwa die Umfrage von TNS Infratest 2011 im Auftrag der Agentur für Erneuerbare Energien),1. dass die Bevölkerung in Deutschland auf erfreuliche Art und Weise zur Energiewende steht, den Ausbau gerade von Photovoltaik und Windenergie für sehr sinnvoll erachtet und sich von den damit einhergehenden Kostenbelastungen bislang nicht überfordert fühlt – solange die Verteilungsmechanismen als gerecht empfunden werden.
Vor diesem Hintergrund passt es gut, dass das vorliegende Heft wiederum seinen Schwerpunkt auf der Rechtsentwicklung für die Erneuerbaren Energien setzt: Voraussetzung für den weiteren Ausbau der Windenergie an Land ist die Ausweisung entsprechender Flächen auf den verschiedenen Planungsebenen. Der Beitrag von Alfred Scheidler beschäftigt sich dabei mit dem Verhältnis zwischen Regionalplanung und Flächennutzungsplanung bei der planerischen Steuerung von Windkraftanlagen. Besonders in Süd- und Südwestdeutschland werden hier gegenwärtig wichtige Weichen für den Erfolg der Energiewende auch durch eine bundesweite Stromerzeugung aus Windenergie gestellt. In diesem Zusammenhang von kaum zu unterschätzender Bedeutung ist die Windkonzentrationsplanung. Franz-Josef Tigges befasst sich in seinem sehr erhellenden Beitrag mit der Fragestellung, wie sich Ausweisungen von zusätzlichen Windeignungsflächen auf das Gebot auswirken, dass auch diese Planungsakte Ausdruck einer Gesamtplanung sein müssen. Machen solche Ausweisungen ein neues Gesamtkonzept erforderlich – trotz der damit einhergehenden vielfältigen rechtlichen und politischen Implikationen?
Es ist mittlerweile energiewirtschaftliches Allgemeingut, dass mit der Energiewende weitreichende Auswirkungen auf den bestehenden Kraftwerkspark und ihre Einsatzmöglichkeiten verbunden sind. Denn Kraftwerke verfügen teilweise über den Vorrang für erneuerbare Energieträger und Kraft-Wärme-Kopplung über eine bevorzugte Stellung in der Konkurrenz um knappe Netzkapazitäten und Lastanteile – oder auch nicht. Wie soll in einer solchen Situation wegfallende Erzeugungskapazität ersetzt werden? Wie kann Investitionssicherheit geschaffen werden? Olaf Däuper/Jan Ole Voß beschäftigen sich mit den rechtlichen Ausgestaltungsmöglichkeiten von Kapazitätsmärkten, die hier als ein wichtiger Lösungsweg gesehen werden.
Ein Kapazitätsmarkt wird die angesprochenen Probleme aber allein nicht lösen können. Der Einsatz von Stromspeichern in einem
In der anwaltlichen Betreuung von PV-Projekten ist seit einiger Zeit das Ineinander von Planungsrecht und Vergütungsrecht nach dem EEG zu einem zentralen Aspekt geworden: Setzt die Vergütungsfähigkeit voraus, dass der Bebauungsplan wirksam ist und rechtzeitig über diesen befunden wurde? Stefan Geiger/Philipp Joseph Bauer gehen dieser Frage nach und fokussieren sich dabei auf die Rechtslage unter dem EEG 2012.
Die Erzeugung von Strom aus Erneuerbaren Energien ist in Polen noch kein Erfolgsmodell. Hier beherrschen Überlegungen über den Bau von Kernkraftwerken die energiepolitische Diskussion. Nun gibt es aber auch in Polen ein einheitliches Gesetz über die Nutzung erneuerbarer Energien, das Christian Schnell vorstellt. Der Aufsatzteil wird abgerundet durch den europarechtlichen Beitrag von Manuel Schütt über das Spannungsverhältnis zwischen Umweltschutz und Binnenmarkt im europäischen Beihilferecht und Ansätze für eine Auflösung desselben durch einen Rechtsrahmen für nationale Umweltbeihilfen.
Der Entscheidungsteil enthält mehrere sehr wichtige Urteile. An erster Stelle steht das BGH-Urteil des Kartellsenats vom 28.06.2011 zum Schadenersatzanspruch eines Kartellgeschädigten. Ein solcher Anspruch kann auch im Energierecht entstehen, etwa als Folge einer missbräuchlichen Energiepreisbildung nach § 29 GWB. Einzelne forensische Versuche hatten bisher keinen Erfolg. Aber das abgedruckte Urteil führt zur weiteren Transparenz beim erforderlichen Vortrag und wird deswegen die Rechtsverfolgung von Kartellrechtsgeschädigten erleichtern.
Von großer Bedeutung ist ferner das Urteil des OLG Frankfurt/Main vom 14.06.2011 zur kartellrechtlichen Wasserpreiskontrolle. Deren Zulässigkeit hatte der BGH mit seiner Grundsatzentscheidung vom 02.02.2010 (ZNER 2010, 56 – Wasserpreise Wetzlar) bejaht. Eine kommunale Abwehrstrategie war die Umstellung der Entgelte auf ein Gebührensystem. Diese hat das OLG Frankfurt mit seinem Beschluss vom 20.09.2011 gebilligt. Die Rechtsbeschwerde wurde nicht zugelassen. Da sich viele Landeskartellbehörden in diesem Bereich tummeln, ist das letzte Wort sicherlich noch nicht gesprochen. Besonders umkämpft ist z.B. die Berliner Wasserpreisgestaltung.
Schließlich hat das OVG Münster zwei weitere Kohlekraftwerksentscheidungen vorgelegt. Mit seinem ersten Urteil vom 03.09.2009 (ZNER 2009, 284) wurde das E.ON-Kraftwerk Datteln angehalten. Es ist nach wie vor offen, ob die Genehmigungsmängel ausgeräumt werden können. Das OVG hat nun mit zwei Urteilen vom 21.03.2012 entschieden, dass E.ON den Verzicht auf Betriebsgenehmigungen für die Steinkohlekraftwerke Datteln 1–3 und Shamrock/Herne nicht widerrufen kann. Auch das Trianel-Steinkohlekraftwerk Lünen steht seit längerem unter Beschuss. Auf das Vorab-Entscheidungsersuchen des OVG Münster vom 05.03.2009 (ZNER 2009, 57) entschied der EuGH mit Urteil vom 12.05.2011 (ZNER 2011, 286), dass das deutsche Umweltrechtbehelfsgesetz nicht europarechtskonform sei. Der hier siegreiche Umweltverband hat nunmehr auch in der Sache gewonnen. Mit dem – langen, aber interessanten – Urteil vom 01.12.2011 wurden der immissionsschutzrechtliche Vorbescheid und die erste Teilgenehmigung vom 06.05.2008 kassiert. Von den zahlreichen Rügen zog die der Unvereinbarkeit mit der FFH-Richtlinie.
Martin Altrock
1. | http://www.unendlich-viel-energie.de/fileadmin/content/Panorama/Akzeptanz/Factsheet_Umfrage_TNS_2011.pdf |