Gesundheit durch Lebensmittel?
Lebensmittelrecht als Mittel der Gesundheitspolitik
Gesundheit durch Lebensmittel – ein neues Thema, dem sich der 21. Deutsche Lebensmittelrechtstag am 6. und 7. im März 2008 widmete?
Allen wie ich in den 1950er Jahren Aufgewachsenen wird das Thema bekannt vorkommen–im Guten wie im Bösen. Unerwartete Genüsse und Schrecknisse waren mit dem Thema Gesundheit durch Lebensmittel verbunden. Eine gute Erinnerung: Die mit einer verboten gesund aussehenden Altersgenossin versehenen Flaschen „Rotbäckchen“, die einen sonst viel zu teuren Gesundheit verheißenden Saft zum Privileg des jüngsten Familienmitglieds machten. Der Schrecken: Lebertran, ein „functional food“ und Albtraum der Nachkriegsgeneration, für den wir schon damals gern ein absolut geltendes repressives Verbot ohne Erlaubnisvorbehalt vorgesehen hätten. Lassen wir beiseite, wie vielen meiner Altersgenossen auf Jahrzehnte der Genuss des köstlichen Gemüses Spinat vergällt wurde, weil dessen angebliche Gesundheitswirkungen den Konsum zur Kindheitspflicht machten. In den 1980er Jahren und lange vor „red bull“ erhielt das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs einen Ehrenplatz in meiner immerwährenden Stilblütensammlung, wonach Frankenwein trotz seiner anerkannt gesundheitsfördernden Wirkung kein apothekentaugliches Arzneimittel sei (BayVGH, NJW 1992, 931). Aus jüngerer Zeit drängt sich im Bezug auf unser Thema meine Erinnerung an ein alsbald weiterverschenktes Gastpräsent mit dem Titel „Kochen mit der Heiligen Hildegard“ auf, das gleichfalls mehr Gesundheit als Genuss versprach.
Gleich wie: Das allgegenwärtige, generationen- und fächerübergreifende Thema „Gesundheit durch Lebensmittel“ ist im Lebensmittelrecht und beim Lebensmittelrechtstag angekommen–letzteres übrigens nicht zum ersten Mal.
Standen bisher vor allem der Schutz vor Gesundheitsgefahren und vor Täuschung im Mittelpunkt, so gewinnt anscheinend mehr und mehr die Verwirklichung von Gesundheit und Fitness durch Lebensmittel an Boden. Gesundheitsbewusste, physiologisch ideale und ökologisch korrekte Ernährung ist zum Leitmotiv breiter Konsumentengruppen geworden. Gesundheitsfördernde Lebensmittel finden weit über „Functional Food“ ihren Markt in Kernbereichen des Angebots. Die Grenzen von Lebensmittelpolitik und Gesundheitspolitik verschieben sich. Gesundheitsbewusste Ernährung gerät in den Fokus der Gesundheitspolitiker. Rabatte bei der Krankenversicherung bei gesunder Ernährung, Sanktionen bei ungesunder Ernährung werden diskutiert.
Diese Entwicklung wirft auch für das Lebensmittelrecht neue Fragen auf und stellt alte Fragen mit ganz neuen Akzenten. Auf welchen kulturellen und historischen
Der 21. Deutsche Lebensmittelrechtstag hat sich damit anspruchsvolle Themen gestellt. Teilnehmer und eine breitere Öffentlichkeit können die Referate besonders ausgewiesener Experten in diesem und den nachfolgenden Heften der ZLR nachlesen. Die Herausgeber dieser Zeitschrift und die Veranstalter des Lebensmittelrechtstags hoffen auf ein breites Echo und auf Kenntnisnahme und Umsetzung der Ergebnisse in Öffentlichkeit und Politik.
Prof. Dr. Friedhelm Hufen, Mainz1
1 | Wissenschaftlicher Leiter des 21. Deutschen Lebensmittelrechtstags, Vorsitzender des Beirats der Wissenschaftlichen Gesellschaft für Lebensmittelrecht, Mitglied im Beirat von BLL und ZLR. |