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ZLR 2007, 1
Mettke 

Die Verfolgung der Zimtsterne

Im Streit um Zimt-haltiges Weihnachtsgebäck haben die „Essensretter“ von Foodwatch zum Rundumschlag ausgeholt und Strafanzeige gegen Unternehmen der Lebensmittelwirtschaft und des Lebensmittelhandels, gegen das Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz und den Bund für Lebensmittelrecht und Lebensmittelkunde bei der Staatsanwaltschaft Berlin gestellt. Sie alle seien an einem „autorisierten Rechtsbruch“ beteiligt, meint Foodwatch.

Anfang des Jahres 2006 hat das Chemische Landes- und Staatliche Veterinäruntersuchungsamt Münster (CVUA) Zimt-haltige Lebensmittel untersucht und dabei festgestellt, dass alle Erzeugnisse einen in der EG-Aromen-Richtlinie und der deutschen Aromenverordnung festgelegten Grenzwert für Cumarin von 2 mg/kg überschritten. Cumarin ist zugleich ein natürlicher Bestandteil von Zimt. Gewürze, also auch Zimt, sind kein Aroma und werden von der Aromenverordnung auch nicht erfasst. Zimt als Zutat in anderen Lebensmitteln soll nach der Logik der Lebensmittelüberwachung dagegen der Aromenverordnung unterliegen und zwar, weil es sich dabei um eine „aromatisierte Zutat“ handeln würde. In dieser begrifflichen Unklarheit liegt in Wahrheit die Wurzel allen Übels.

Das Bundesinstitut für Risikobewertung hat als Orientierungswert im Rahmen der Beurteilung der Sicherheit von Lebensmitteln einen maximal zulässigen Gehalt an Cumarin von 67 mg/kg für Zimtsterne errechnet. Die Lebensmittelsicherheit, oberster Grundsatz für die Verkehrsfähigkeit der Lebensmittel nach Art. 14 der Basisverordnung, ist also nicht betroffen. Zimt wird überall verkauft, und Millionen von Muttis backen zur Weihnachtszeit Zimtsterne nach folgendem Rezept: 250 g Mandeln, 2 Teelöffel Zimtpulver, 2 Eiweiß, 50 g Mehl, 100 g Puderzucker; dies reicht für 40 Zimtsterne. Der dafür im Haushalt verwendete Cassiazimt, der auch wegen seines kräftigen Aromas zu mehr als 97% im Markt erhältlich ist, enthält 3000 mg bis 5000 mg Cumarin pro kg. Eine öffentliche Warnung der Bevölkerung vor Gesundheitsrisiken ist dennoch nie erfolgt und auch nicht vorgesehen. Nur die in der Bäckerei und im Supermarkt angebotenen Zimtsterne sollen verboten sein.

Zimt wird seit Alters her als Gewürz und auch als Heilmittel in der ganzen Welt verwendet. Es gibt zwei Arten davon, den Ceylon-Zimtbaum (cinnamonum verum) und den Cassia-Zimtbaum (cinnamonum cassia), der in China, Vietnam und Indonesien angebaut wird. Er ist weniger aromatisch süß, dafür kräftiger und schärfer als der Ceylonzimt Caneel, er ist auch in wesentlich größeren Mengen verfügbar. Während der Ceylonzimt aus der nur wenige Millimeter dicken Rinde eines jungen Zimtbaums gewonnen wird, wird die Rinde des Cassia-Zimtbaums erst nach dem 4. Lebensjahr des Baumes geerntet. Der natürliche Cumaringehalt von Cassia ist wesentlich höher als der von Caneel. Anders als Foodwatch der Öffentlichkeit Glauben machen will, ZLR 2007 S. 1 (2)handelt es sich bei der Verwendung der einzelnen Zimtsorten nicht nur um eine Kostenfrage, sondern auch um eine Frage der Eignung und Verfügbarkeit. Beide Sorten stehen nebeneinander. Für die Stiftshütte musste Moses auf Geheiß des Herrn die besten Spezereien nehmen, nämlich die edelste Myrrhe, Zimt, Lot, Kalmus und Cassia, um daraus ein heiliges Salböl zu bereiten (2 Mose 30, 23). Dem Tempel des Apollo in Millet wurde schon 1000 Jahre v. Chr. von den Karawanen Zimt und Cassias gespendet. Zimt und Cassia sind also zwei verschiedene Gewürze, die nicht über einen Kamm geschoren werden können. Zimt und Cassia sind für die europäische und orientalische Küche traditionell unverzichtbar. Ein tragender Grundsatz der europäischen Lebensmittelgesetzgebung ist es, dass es „nicht wünschenswert ist, dem kulinarischen Reichtum der europäischen Länder eine Fessel anzulegen“. Man kann nicht davon ausgehen, dass es in der Absicht der europäischen Aromen-Richtlinie lag, Zimt-haltige Lebensmittel vom Markt zu verbannen.

Der Soziologe Wolfgang Sofsky hat mit der ihm eigenen Klarheit und Prägnanz in seinem Essay über das „Prinzip Sicherheit“ geschrieben:

„Fortwährend sucht die Einbildungskraft die Welt nach neuen Gefahren ab. Obwohl Lebenszeiten und Massenkonsum ein historisch nie gekanntes Niveau erreicht haben, grassiert vielerorts eine merkwürdige Unruhe bis zur Hysterie. Ständig sind Aufsichtsbehörden damit beschäftigt, alte Sicherheitsstandards zu überprüfen und neue Grenzwerte zu erfinden. Ebenso eifrig sind manche Zeitgenossen darum bemüht, neue Risiken zu entdecken. Die Ungewissheit haben sie durch die Unheilsgewissheit ersetzt.“

Ein Kostprobe davon haben die „Essensretter“ von Foodwatch geliefert. Der Chef der Organisation Foodwatch, Thilo Bode, hat in der Januarausgabe von Essen & Trinken mehr Rechte für den Verbraucher gefordert und dazu ausgeführt:

„Der Verbraucher hat keine Rechte, er wird getäuscht, verdummt, belogen. Politisch kann sich nur etwas ändern, indem wir den Verbraucher empören. Empörung führt einzig zur Veränderung. Der Verbraucher muss wissen, dass er beschissen wird.“

Zimt hat noch eine andere Bedeutung, nämlich Unsinn und wertloses Zeug. Man möchte mit Karl Röttgers aus dem „Herz in der Kelter“ rufen: „Wir betreiben doch keinen abergläubischen vulgären Zimt, keine Wahrsagerei, sondern ernste gewissenhafte Forschung; lest Euch doch mal Euren Zimt selber durch.“

Wie sagte Thilo Bode im Interview mit Essen & Trinken: „Wenn man alles so ernst nehmen würde, müsste man sich nur den Strick nehmen. Das fände ich eigentlich sehr schade“. Diese Philosophie sollte weiterentwickelt werden. Man sollte auch darauf verzichten, anderen Menschen einen Strick zu drehen.

Alles Zimt – auch nächstes Weihnachten sollte es Zimtsterne für alle, die nicht selber backen, wieder zu kaufen geben.

Rechtsanwalt Thomas Mettke, München

 
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