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K&R 2022, I
Höppner 

Überfällige Regulierung des Regulierers – zu Googles überragender marktübergreifender Bedeutung und § 19a GWB

Abbildung 1

Prof. Dr. Thomas Höppner

Am 30. 12. 2021 stufte das Bundeskartellamt (BKartA) Alphabet/Google als Unternehmen mit “überragender marktübergreifender Bedeutung für den Wettbewerb” nach § 19a Abs. 1 GWB ein. Als Herzstück der 10. GWB-Novelle von Januar 2021 ermöglicht § 19a GWB eine spezielle Missbrauchsaufsicht für große Digitalkonzerne, die den Wettbewerb besonders gefährden. Nachdem Google auf Rechtsmittel gegen die Feststellung seiner Eigenschaft als Adressat der Norm verzichtet hat, kann nun das BKartA in einer zweiten Stufe konkrete Praktiken untersagen, die unter einen der in § 19a Abs. 2 GWB aufgeführten Missbrauchstatbestände fällt.

Dass Google § 19a GWB unterliegt, stand nie in Frage. Wie kein anderes Unternehmen kontrolliert Google ein weitgehend abgeschottetes digitales Ökosystem. Das Betriebssystem Android, der Browser Chrome, die Google-Suche, YouTube und Google Maps sind dabei nur die bekanntesten der Dienste des Konzerns. Im Hintergrund beherrscht Google auch die gesamte Wertschöpfungskette für die Vermittlung digitaler Werbung (“Ad Tech”) und kann steuern, unter welchen Bedingungen Werbung welchen Dienst finanziert.

Entscheidend für den Erfolg der weltweit beachteten Regelung des § 19a GWB ist, was das BKartA nun Google untersagt. Die Behörde erklärte, aktuell zwei Praktiken näher zu untersuchen: Googles Konditionen für die Verarbeitung von Nutzerdaten sowie die Einführung des Nachrichtenangebots “Google News Showcase”. Der Vorwurf der Datenbündelung erinnert an den Facebook-Fall des BKartA, der internationale Beachtung fand, weil über das Kartellrecht Facebooks Umgehung des Datenschutzes adressiert wurde. Bei “Google News Showcase” geht es demgegenüber um eine den Wettbewerb verzerrende Umgehung des Urheberrechts. Google möchte durch die Darstellung hochwertiger Presseinhalte sein Ökosystem für Verbraucher und Werbekunden aufwerten, aber nicht wie andere Verwerter Verlegern dafür eine angemessene Lizenzgebühr zahlen. Um das wirtschaftlich zu erzwingen, instrumentalisiert Google die einseitige Abhängigkeit von Verlegern davon, im Internet von Nutzern gefunden zu werden. Google kündigte an, Verbrauchern zukünftig im eigenen Ökosystem solche Verleger häufiger und als bedeutsamer anzuzeigen, die Google eine unentgeltliche Lizenz für die weltweite Nutzung ihrer Bilder, Texte und Videos gewähren. Verleger, die (zu Recht) eine nach urheberrechtlichen Prinzipien angemessene Lizenzgebühr erwarten, werden dem Publikum schlechter vermittelt. Google will also Online-Journalismus zum eigenen Vorteil regulieren. Genau solchen Ausbeutungen von Intermediationsmacht trat der Gesetzgeber mit § 19a Abs. 2 S. 1 Nr. 7 GWB entgegen. Das BKartA kann danach untersagen, für die “Behandlung von Angeboten eines anderen Unternehmens” (z. B. deren Ranking und Präsentation) “Vorteile zu fordern” (z. B. urheberrechtliche Gratislizenzen), “die in keinem angemessenen Verhältnis zum Grund der Forderung stehen” (z. B. Vermittlung von Presseinhalten an Nutzer).

Die Palette der nach § 19a Abs. 2 GWB untersagungsfähigen Praktiken reicht indessen deutlich weiter als die zwei vom BKartA bereits untersuchten. Nicht nur die Begünstigung eigener Dienste, auch jede Behinderung, Diskriminierung oder Ausbeutung von Wettbewerbern oder Geschäftskunden kann über § 19a GWB frühzeitig verboten werden. Das ist bei Google auch überfällig. Kein anderes Unternehmen schränkt die wettbewerbliche Entfaltung und Innovationen so vieler Digitalunternehmen auf so vielen Wertschöpfungsebenen ein. 2017 hatte die Europäische Kommission Google bereits untersagt, eigene Dienste in Suchergebnisseiten besser darzustellen. 2018 folgte die Untersagung der Vorinstallation von Google-Apps im Android-Betriebssystem. 2021 stellte auch die französische Wettbewerbsbehörde eine Selbstbegünstigung bei Vermittlungsleistungen für Online-Werbung fest. Nur ignoriert Google die Entscheidungen weitgehend. Compliance wird nicht effektiv überwacht und durchgesetzt. Darum ist Googles Ökosystem weiterhin von Selbstbevorzugung und Abschottung geprägt. Google-Geräte kommen mit Android, alle Android-Geräte kommen mit Chrome und Google Play Store, die Google-Suche ist vorinstalliert und begünstigt zahlreiche Google-Spezialdienste (u. a. Video, Hotel, Maps, Shopping, Jobs etc.), die sich ihrerseits untereinander bevorteilen und Nutzer hin- und herschieben. Alle Angebote zusammen sind exklusiv an Googles Online-Werbevermittlungsdienste gekoppelt und füttern sie mit werberelevanten Daten, auf die Externe keinen Zugriff haben. Gleichzeitig erschwert es Google unter dem Vorwand des Datenschutzes (“Privacy Sandbox”) Externen, direkte Geschäftsbeziehungen mit Endkunden aufzubauen und relevante Daten zu sammeln. Das Nutzer- und Datengefälle zwischen Google und dem Rest wächst so stetig und damit auch die Abhängigkeiten Aller von Google und dessen faktischer Regelungsmacht.

Dem BKartA wird die Arbeit also so schnell nicht ausgehen. Wünschen wir ihm im Interesse des Wettbewerbs alle nötigen Ressourcen und viel Erfolg!

Prof. Dr. Thomas Höppner*

*

Jahrgang 1977, ist Professor für Wirtschaftsprivatrecht an der TH Wildau und Partner der auf Kartellrecht spezialisierten Kanzlei Hausfeld Rechtsanwälte LLP. Hausfeld vertritt Beschwerdeführer in den genannten Verfahren gegen Google sowie in weiteren § 19a GWB-Verfahren gegen Amazon und Apple.

 
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