Entgelttransparenz und Remote-Work-Konstruktionen als Finding in der Due-Diligence?
Nutzen Sie die Chance, die neuen Compliance-Anforderungen als Marktvorteil zu verwenden.
Wie viele arbeitsrechtliche Findings hatten Sie in Ihrer letzten Due-Diligence (DD)? Wenn Sie jetzt “keine” im Kopf haben und geneigt sind, diese Seite zu überblättern, sollten Sie noch den nächsten Satz abwarten. Denn für 2025 sollten Sie sich zwei red flaks auf die Liste und in Ihre Muster-Q&A aufnehmen: Entgelttransparenz und Remote-Work-Konstruktionen.
Bereits die Fragestellung nach arbeitsrechtlichen Findings dürfte bei geübten Lesern mindestens mal für Verwunderung sorgen. Denn schließlich gibt es so gut wie nie arbeitsrechtliche Deal Breaker (komplizierte Betriebsrentenkonstruktionen mal außen vorgelassen). Wenn wir jetzt Ihr Interesse geweckt haben, haben wir unser erstes Ziel erreicht und legen los, damit Sie keine unangenehmen arbeitsrechtliche Überraschungen erleben.
Beginnen wir mit der ersten Notiz, die Sie in Ihrer Q&A-Liste als Stichwort Entgelttransparenz ergänzen sollten. Denn sind Unternehmen bei diesem Thema nicht bzw. nicht richtig aufgestellt, folgen daraus unschöne Konsequenzen, die richtig ins Geld gehen können. Daher sollten sich Käufer ausreichende Garantien geben lassen, wenn sie zum Thema Entgelttransparenz keine Informationen im DD-Prozess erhalten. Die Verkäuferseite sollte vor dem Deal dafür sorgen, dass das Unternehmen vor einem Verkauf bei diesem Thema gut aufgestellt ist. Wenn Sie jetzt denken, Entgelttransparenz ist ein alter Hut und warum sollte mich dies interessieren, können wir Ihnen beipflichten, dass wir nicht die jetzige Rechtslage meinen, sondern die Europäische Entgelttransparenzrichtlinie (Richtlinie (EU) 2023/970), die bis zum 7.6.2026 in das nationale Recht umzusetzen ist.
Ob der deutsche Gesetzgeber bis dahin noch tätig wird, spielt sogar nur eine untergeordnete Rolle, da jedenfalls Teile dieser Richtlinie unmittelbar gelten werden. Der Imperativ dahinter: Arbeitgeber müssen ihre Entlohnungsstrukturen objektivieren, offenlegen und vor allem Diskriminierung beim Entgelt beseitigen (und das geht sehr sicher nicht über Nacht und auch nicht innerhalb weniger Tage – wie wir es von anderen Themen vor Signing kennen).
Was heißt das für Ihren M&A-Prozess? Sie sollten klären, ob das Target, das Sie kaufen möchten, bereits transparente und objektive Gehaltsstrukturen vorweisen kann. Andernfalls müssen hohe Zusatzkosten für die Analyse und Anpassung von Gehaltsstrukturen berücksichtigt werden, die je nach Unternehmensgröße unterschiedlich hoch ausfallen. Außerdem sollten Sie bereits jetzt wissen, dass die Richtlinie die Pflichten für Unternehmen verschärfen und die Rechtsstellung von Arbeitnehmern deutlich erleichtern wird. Hierzu gehören Auskunftsansprüche, Regeln zur Beweislastumkehr in arbeitsrechtlichen Prozessen und rückwirkende Geltendmachung (die Verjährungsfrist soll nach Erwägungsgrund 53 mindestens drei Jahre betragen) von Lohnunterschieden. Sollten die strengen Richtlinienvorgaben von den Unternehmen nicht beachtet werden, drohen nicht nur Bußgelder, sondern auch Schadenersatzforderungen sowie der Ausschluss und Entzug von öffentlichen Aufträgen. Damit ist klar: Das Thema Entgelttransparenz rückt 2026 vom Schattendasein in den Fokus. M&A-Berater sollten das Thema bereits jetzt oben auf der Liste haben.
Die zweite Notiz sollten Sie sich in Bezug auf Arbeitsverhältnisse mit Auslandsbezug machen. Wir alle wissen, dass “remote work” gekommen ist, um zu bleiben, und dies in vielen Branchen längst den Status eines Wettbewerbsvorteils hat. Was aber, wenn durch die Änderungen der Fachlichen Weisungen zum AÜG (Oktober 2024) beliebte Employer-of-Record (EOR)-Modelle plötzlich als (illegale) Arbeitnehmerüberlassung einzustufen sind? Die Quintessenz: Wer remote Beschäftigte im Ausland über einen Dienstleister (= Employer-of-Record) einbindet, ohne dass dieser über entsprechende AÜ-Erlaubnis verfügt, gerät rasch in Haftungsfallen und hat schnell mehr Arbeitnehmer auf der Payroll als zunächst gedacht.
Worum geht es genau? Ein EOR-Dienstleister stellt Arbeitnehmer, die dauerhaft aus dem Ausland arbeiten, formal an, aber das anweisende Unternehmen (im Fall des Unternehmenskaufs: das Target) führt, kontrolliert und bestimmt die Arbeitsinhalte aus Deutschland heraus. Eine typische Dreieckskonstruktion, die uns schnell zum AÜG führt. Liegt keine deutsche Verleiherlaubnis, drohen die angesprochenen Risiken.
Stellen wir uns nun vor, Sie erwerben ein Zielunternehmen, das etliche Arbeitnehmer im Ausland über diese Konstruktion “angestellt” hat und im Nachhinein stellt sich heraus, dass sämtliche Arbeitnehmer tatsächlich als eigene Beschäftigte gelten (freilich ohne Garantien und Freistellung, weil Sie es im DD-Prozess nicht gesehen und gefragt haben). Was, wenn dann Sozialversicherungsbeiträge oder Gehälter nachgezahlt werden müssen? Wie wirkt sich dies auf Pensionsrückstellungen oder den Kündigungsschutz aus? Und könnte das am Ende auch steuerliche Risiken haben? Solche Risiken sollten nicht “blind” eingegangen werden, zumal nur vereinzelte EOR-Anbieter über eine deutsche AÜ-Erlaubnis verfügen. Wenn Sie jetzt fragen, wie soll das denn “herauskommen”? Die nächste Betriebsprüfung kommt – das ist sicher.
Damit ist klar: Ab 2025 sollten Sie auch bei M&A-Deals einen genaueren Blick auf diese beiden arbeitsrechtlichen Themen werfen.
Dr. Dominik Sorber, RA, als Fachanwalt für Arbeitsrecht ist der Schwerpunkt seiner Tätigkeit die strategische Beratung auf dem Gebiet des Betriebsverfassungsrechts sowie der Betriebsrat-Compliance. Besondere Expertise hat er in der Beratung zur Entgelttransparenz.
Dr. Michaela Felisiak, LL.M., RAin, als Fachanwältin für Arbeitsrecht ist der Schwerpunkt ihrer Tätigkeit die Beratung bei grenzüberschreitenden Sachverhalten sowie unterschiedlicher Compliance-Themen. Hierzu gehört insbesondere die Beratung zur Entgelttransparenz.