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BB 2016, I
Reich 

Die Unternehmenserbschaftsteuerreform

Abbildung 1

Das neue Unternehmenserbschaftsteuerrecht wird nach zähem Ringen der Koalitionsparteien voraussichtlich zum 1.7.2016 in Kraft treten. Es stimmt weitestgehend mit dem an sich bereits im Februar erzielten Kompromiss überein. Der Bundestag verabschiedete bereits am 24.6.2016 den Gesetzentwurf und der Bundesrat wird sich mit ihm am 8.7.2016 in seiner letzten Sitzung vor der Sommerpause befassen.

Das neue Unternehmenserbschaftsteuerrecht wird aus den folgenden fünf Säulen bestehen:

Säule 1: Vorababschlag für Familienunternehmen von maximal 30 % auf das begünstigte Vermögen bei Vinkulierungs-, Abfindungsbeschränkungs- und Entnahme/Ausschüttungsbeschränkungsklauseln im Gesellschaftsvertrag.

Säule 2: Verschonungsabschlag von 85 % bzw. 100 % bezogen auf das begünstigte Unternehmensvermögen bei einem Erwerb von bis zu 26 Mio. Euro.

Säule 3: Abschmelzung des Verschonungsabschlags zwischen 26 Mio. und 90 Mio. Euro (Abschmelzungsmodell).

Säule 4: Möglichkeit des Erlasses der Steuer auf das begünstigte unternehmerische Vermögen, insbesondere relevant für Erwerbe in der Nähe der Abschmelzungshöchstgrenze und jenseits davon (Verschonungsbedarfsprüfung).

Säule 5: 10-jährige zinslose Stundung der Erbschaftsteuerschuld bezogen auf das begünstigte Vermögen im Todesfall.

Aus diesem Säulenmodell lassen sich auch die zentralen Gestaltungsziele entwickeln. Zunächst ist wichtig, dass sich die Unternehmensbegünstigungen zukünftig nur noch auf das begünstigte Vermögen beziehen. Gestaltungsziel muss es daher sein, das Verwaltungsvermögen im Gesamtkonzern auf maximal zehn Prozent zu senken. Erwartungsgemäß bleibt es bei der negativen Abgrenzung, d. h. dem (modifizierten) Verwaltungsvermögenskatalog, dafür hat sich die Bundesregierung beim sog. zehnprozentigen “Schmutzzuschlag” durchgesetzt.

Der besondere Abschlag von maximal 30 % für Familienunternehmen, der nach der Gesetzesbegründung vor Anwendung des jeweiligen Verschonungsregimes in Ansatz zu bringen ist, wird für viele Unternehmen in Deutschland eine spürbare Steuerentlastung mit sich bringen. Der Gesellschaftsvertrag muss nun in Anbetracht der zweijährigen Vorlaufzeit ggf. noch kurzfristig nachjustiert werden. Sicherlich war der Gesetzgeber aus verfassungsrechtlicher Sicht gut beraten, den Vorababschlag auf das begünstigte Vermögen zu beschränken, anderenfalls wäre es wieder zu einer signifikanten Verschonung von Verwaltungsvermögen gekommen.

Den größten Handlungsbedarf nach der Unternehmenserbschaftsteuerreform haben sicherlich die “Großunternehmer”. Insbesondere dann, wenn der Erwerb pro Erwerber in der Nähe der Abschmelzungshöchstgrenze bzw. jenseits davon liegt, droht auf das bereits beim Erwerber vorhandene, miterworbene und innerhalb von zehn Jahren nacherworbene Privatvermögen und nicht begünstigte Betriebsvermögen eine dramatische Steuerlast von 80 % bis 100 % je nach Steuerklasse. Dieses Vermögen muss i. H. v. 50 % zur Bezahlung der Erbschaftsteuer auf das begünstigte Vermögen eingesetzt werden und zusätzlich unterliegt es der Erbschaftsteuer. Daraus folgt die These: Jeder “Großunternehmer” braucht eine auf seine Situation maßgeschneiderte Erbschaftsteuernotfallplanung!

In diesem Zusammenhang bedeutsam sind auch die jüngsten Äußerungen aus dem BMF. Die in den letzten zehn Jahren vollzogenen Schenkungen sollen bei der Prüfung miteinzubeziehen sein, ob der Erwerb von begünstigtem Vermögen oberhalb der Freigrenze von 26 Mio. Euro liegt. Viele “Großunternehmer” haben die bisherige Rechtslage für eine vorweggenommene Erbfolge genutzt, meist aber auch eine zumindest wertmäßig signifikante Restbeteiligung zurückbehalten. Auch sie müssen für ihre Restbeteiligung folglich ihre Unternehmensnachfolge nachjustieren, z. B. mit einem Generationensprung.

Fraglich ist, wie die seitens des BMF beabsichtigte Zusammenrechnung im Zehnjahreszeitraum bei Erwerben in unterschiedlichen Verschonungssystemen aussehen soll, z. B. gab es vor der Erbschaftsteuerreform 2009 noch gar keinen Verwaltungsvermögenskatalog. Nach dem Wortlaut sind nur die Erwerbe von begünstigtem Vermögen i. S. d. § 13b Abs. 2 ErbStG zusammenzurechnen. Der Steuerpflichtige wird sich in Anbetracht des Wortlauts nicht nur gegen die Einbeziehung von Alterwerben zur Wehr setzen, sondern sich auch hilfsweise darauf berufen, dass die bisherigen Erwerbe auf begünstigtes Vermögen i. S. d. § 13b Abs. 2 ErbStG hin zu überprüfen sind. Das würde zu dem paradoxen Ergebnis führen, dass z. B. eine erworbene Cash-GmbH bzw. eine vor 2009 erworbene gewerblich geprägte Immobilien-GmbH & Co. KG von der Zusammenrechnung auszunehmen wäre. Hingegen wäre früher erworbenes originäres Betriebsvermögen zulasten des Steuerpflichtigen miteinzubeziehen. Es ist zu hoffen, dass das BMF seine Interpretation der Zusammenrechnungsregel überdenkt und sie auf Erwerbe ab dem 1.7.2016 beschränkt.

Die zinslose Stundung der Erbschaftsteuer ist eine sehr sinnvolle Ergänzung des neuen Verschonungssystems. Sie hilft dem Steuerpflichtigen, Liquiditätsengpässe zu vermeiden und löst wegen des niedrigen Refinanzierungszinsniveaus jedenfalls keine nennenswerten finanziellen Nachteile für den Fiskus aus.

Bzgl. der Absenkung des Vervielfältigers im vereinfachten Ertragswertverfahren ist erstaunlich, dass der neue Vervielfältiger bereits für Erwerbe ab dem 1.1.2016 gilt. Der Gesetzgeber meint, die Rückwirkung sei verfassungsrechtlich unproblematisch, da sie allein zu Gunsten des Steuerpflichtigen wirke. Das ist nur teilweise zutreffend. Der hohe Vervielfältiger konnte jedenfalls bislang in den Fällen, in denen kein offensichtlich unzutreffendes Ergebnis vorlag, dabei helfen, die Verwaltungsvermögensquote auf maximal 50 % bzw. 10 % zu drücken. In diesen Fällen kann die rückwirkende Gesetzesänderung im schlimmsten Fall dazu führen, dass die Verschonung zu versagen ist. Verfassungsrechtlich ist die rückwirkende Gesetzesverschärfung in diesen Fällen nicht haltbar.

Dr. Manfred Reich ist als Rechtsanwalt, Fachanwalt für Erbrecht und Steuerberater für Flick Gocke Schaumburg Partnerschaft mbB am Standort Frankfurt am Main im Bereich der nationalen und internationalen Unternehmens- und Vermögensnachfolge tätig. Er berät als assoziierter Partner Unternehmer und Privatpersonen insbesondere im Erbschaft-, Schenkung- und Einkommensteuerrecht sowie Erb-, Gesellschafts- und Stiftungsrecht.

 
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