Rechtsvergleichung im Spiegel der Zeit
Als Franz Bernhöft und Georg Cohn im 19. Jahrhundert – genau: 1878 – den ersten Band der Zeitschrift für Vergleichende Rechtswissenschaft als Herausgeber eröffneten, haben sich diese beiden großen Rechtsgelehrten vermutlich keine Gedanken über den Stand der Rechtsvergleichung am Beginn des 21. Jahrhunderts gemacht. Sicherlich haben sie auch nicht vorhersehen können, dass ihre Zeitschrift mit dem ambitionierten Untertitel „Archiv für Internationales Wirtschaftsrecht“ im Heidelberger Verlag Recht und Wirtschaft eine publizistische Heimat finden würde.
Und doch ist eben dieser Verlag heute stolz darauf, mit dem Heft 1/2001 den 100. Band der Zeitschrift für Vergleichende Rechtswissenschaft vorlegen zu können. Denn: Der Blick auf ausländische Rechtsordnungen hat Tradition im Buch- und Zeitschriftenprogramm dieses Hauses, nicht zuletzt die gleichfalls hier verlegten Zeitschriften Recht der Internationalen Wirtschaft und Europäisches Wirtschafts- & Steuerrecht belegen das jeden Monat neu. Beide – RIW und EWS – verstehen die ZVglRWiss als Pendant, das für die eigenen Themen oft erst wissenschaftlichen Grund legt und in Tiefen schürft, die reiner Praxisbedarf nicht erreichen muß.
Welch bewegte, bewegende und wechselvolle Geschichte hat diese Zeitschrift für Vergleichende Rechtswissenschaft erlebt. Otto Sandrock hat die Stationen vor wenig mehr als 10 Jahren in einem Essay eindrucksvoll und lebendig geschildert (ZVglRWiss 1990, 1–7). Er hat gezeigt, welch bestimmenden programmatischen Einfluß Josef Kohler während der 38 Jahre seiner Herausgeberschaft (1882–1920) gewinnen konnte, welch schwere Phase der Nationalsozialismus mit sich brachte, und welche neuerliche Blüte die Zeitschrift seit 1953 – dem Jahr des Wiedererscheinens nach neunjähriger publizistischer Stille – erfahren durfte. Jetzt rückten die klassische Rechtsvergleichung, aber auch schon das Internationale Wirtschaftsrecht zunehmend in den Mittelpunkt des redaktionellen Konzepts. Das belegt: Die Zeitschrift versteht sich als Spiegel aktueller Entwicklungen und ist auch darauf vorbereitet, dass die Kenntnis ausländischen Rechts in der Zukunft wichtiges, ja unabdingbares Handwerkszeug für einen großen Teil der deutschen Juristen sein wird. Lord Goff of Chieveley hat das so formuliert: „Comparative Law may have been a hobby of yesterday. But it is determined to become the science of tomorrow. We must welcome rather than fear its influence“ (I.C.L.Q. 1997, 745, 748).
Dieser Vorhersage ist nichts hinzuzufügen. Und wenn sie zutrifft – wer wollte ernsthaft daran zweifeln? –, dann stellen sich auch und erst recht in der
Hinzuweisen bleibt allein noch auf Augenfälliges: Den Meilenstein des 100. Bands der ZVglRWiss haben Verlag und Redaktion zum Anlaß genommen, um der Zeitschrift ein neues, aber – wie wir hoffen – dem Alter angemessenes Gewand maßzuschneidern. Dies soll auch zeigen, dass die ZVglRWiss in ihrem 100. Band jung genug ist, um mit der Entwicklung der vergleichenden Rechtswissenschaft Schritt zu halten.
Rechtsanwalt Dr. Thomas Wegerich, Heidelberg