Hermann Scheer ist tot
1997 veranstalteten die GRÜNEN einen Kongress zum neuen Energiewirtschaftsgesetz, mit dem das noch von den Nazis stammende EnWG von 1935 abgelöst und durch ein neues EnWG ersetzt werden sollte. Zu den Rednern zählte auch Hermann Scheer, mit dem eine – für uns kühne – Idee besprochen werden sollte, die Gründung einer neuen rechtswissenschaftlichen Zeitschrift. Sie sollte den Zitierkartellen der Konzernjuristen und der ihnen nahestehenden Wissenschaftler entgegenwirken und ein eigenständiges Forum für das Recht der Erneuerbaren Energien schaffen. Hermann fand die Idee gut. Schon wenige Tage später ging die Einladung zur Gründungsversammlung im Abgeordnetenhaus am Bonner Tulpenfeld ein, wo neben bekannten und unbekannten Namen auch der eines Verlegers zu finden war, Joachim Bücheler, Inhaber des Ponte Press Verlags, Scheers Eurosolar-Verband seit längerem verbunden. So entstand die ZNER; und der Ablauf zeigt eine der zentralen Eigenschaften Hermann Scheers auf, die Tatkraft. Er hatte nicht nur gute Ideen, sondern setzte sie auch um, mit den richtigen Leuten und Vorgehensweisen.
Mit Hermann Scheer haben die Erneuerbaren Energien einen ihrer Titanen verloren. Sowohl diese Zeitschrift als auch im Besonderen das Schwerpunktthema dieses Hefts, eben die Erneuerbaren Energien, sind so eng mit der Person und dem Wirken Hermann Scheers verbunden, dass sie ohne ihn kaum vorstellbar sind. Ihn zu ersetzen, wird nicht möglich sein. Aber was läge näher und mehr in seinem Sinn, als den Versuch zu unternehmen, die redaktionelle Arbeit nach seinem Vorbild fortzuführen?
Der Aufsatzteil beginnt mit einer Analyse von Ekardt/Hennig zu den rechtlichen Aspekten der Landnutzung als dem neben der Nutzung fossiler Brennstoffe wichtigsten Auslöser des globalen Klimawandels. Zur besseren Integration der Landnutzung in das Klimaschutzrecht wird die Idee eines globalen zweistufigen Emissionshandels völlig neuer Art vorgestellt. Keil/Schmelzer befassen sich mit den netzwirtschaftlichen und netzregulierungsrechtlichen Aspekten der bedarfsgerechten, wettbewerblichen Errichtung von Strom-Ladesäulen-Infrastrukturen im öffentlichen Raum. Gent/Nünemann/Maring untersuchen die Auswirkungen des BGH-Urteils vom 09.12.2009, wonach Arealnetzstrom in den EEG-Belastungsausgleich des EEG 2004 einzubeziehen ist. Die Autoren widmen sich der Frage, ob die Letztverbraucher von Arealnetzstrom für zurückliegende Lieferjahre auch rückwirkend belastet werden können. Bremer untersucht die Optimierungspotentiale für Kläranlagen nach dem EEG und KWKG und kommt zu dem Schluss, dass viele Kläranlagenbetreiber die neuen Fördermöglichkeiten durch das EEG und das KWKG nicht ausschöpfen und dadurch auf hohe Einnahmen verzichten. Keil/Schmelzer befassen sich in einer größer angelegten und sehr interessanten Untersuchung mit dem Thema Elektromobilität. In dieser Nummer erscheint Teil I; Teil II in der nächsten Nummer, deren Erscheinen für das Ende der ersten Dezemberwoche geplant ist. Kürzere Beiträge von Loibl/Dietl befassen sich mit der Blindstromproblematik von EEG-Anlagen sowie (Everding) mit der Möglichkeit, vermittels der Bildung von „solaren Gütezahlen“ dem bauleitplanerischen Problem der Sicherung solartechnisch geeigneter Flächen an Gebäuden beizukommen. Einem sehr speziellen Thema widmen sich Skauradszun/Rohr, indem sie mit Blick auf die Energieeffizienz moderne Aufzugsanlagen vorstellen und die damit einhergehenden Fragen des Energierechts, insbesondere in Bezug auf sogenannte rückspeisende Anlagen, untersuchen.
Wer mehr über die Hintergründe und den Einfluss des „Lobbying“ anlässlich der Vorgänge um die Entstehung des EEG 2009 erfahren will, dem sei ein Buch von Dagger, das Schomerus in diesem Heft vorstellt, empfohlen.
Der Entscheidungsteil bringt gleich vier in kurzer Abfolge veröffentlicht wichtige Urteile des Bundesverwaltungsgerichts. Erneut hat es das Bundesverwaltungsgericht vermieden, so beklagt Brand in seiner Anmerkung zum Urteil vom 20.05.2010 zu Recht, verbindliche Untergrenzen für die Flächenausweisung bei Windkonzentrationszonen einzuziehen. Erhebliche Folgewirkungen dürfte das Urteil des 8. Senats in Bezug auf den künftigen Umgang der Industrie- und Handelskammern mit dem Thema „Erneuerbare Energien“ zeigen. Eine undifferenzierte Stellungnahme pro Kernenergie wird den IHKn jedenfalls in Zukunft kaum noch möglich sein – ein Umstand, der viele zur Beitragszahlung zwangsverpflichtete Betreiber von EE-Anlagen mit einiger Genugtuung erfüllen dürfte. Für erhebliche Turbulenzen – nicht nur in NRW – sorgt eine neue Entscheidung des OVG Münster vom 20.09.2010 zur Genehmigungspflicht und -fähigkeit von Auf-Dach-Solaranlagen, mit dem sich Lahme kritisch auseinandersetzt.
Franz-Josef Tigges, Dr. Peter Becker