Editorial
Das Energierecht ist stark in Bewegung. Das ist es eigentlich schon seit vielen Jahren. Aber mit der neuen Bundesregierung hat ein neuer Schwung Einzug gehalten, und die Beschleunigung der Energiewende wird in bislang nicht gekanntem Ausmaß vorangetrieben. Dies macht zugleich deutlich, wie viel in den letzten Jahren auch schon möglich gewesen wäre und wie die Zeit dazu verschlafen wurde.
Das erste große Projekt der neuen Bundesregierung im Energiebereich ist das „Osterpaket“, ein Gesetzespaket, durch das neben den zentralen Änderungen im EEG auch zahlreiche andere Gesetze im Energierecht angepasst werden sollen. Ganz am Puls der Zeit wird sich der längste und sicherlich wichtigste Aufsatz in diesem Heft detailliert mit diesem Osterpaket beschäftigen. Da das Paket so umfangreich und so vielfältig ist, hat ein ganzes Autorenteam den Aufsatz verfasst. Herausgekommen ist eine umfangreiche Analyse der gesetzlichen Änderungen, die voraussichtlich Ende Juni – in dann ggf. etwas geänderter Form – im Bundestag verabschiedet werden.
Der nächste Aufsatz widmet sich nicht minder wichtigen Themen der Energiewende, nämlich der Digitalisierung und der Wärmewende. Die Energiewende war bislang im Wesentlichen eine Stromwende, und die wirkliche Wärmewende, die sich – auch wegen ihrer vielfach direkten sozialpolitischen Auswirkungen – deutlich größeren Umsetzungshindernissen ausgesetzt sieht, lässt bislang noch auf sich warten. Rath und Ekardt untersuchen, welchen Beitrag die Digitalisierung zur Wärmewende leisten kann. Und tatsächlich besteht hier ein größeres Potential, wobei sicherlich auch in an anderen Bereichen die Digitalisierung ein hilfreiches Instrument für eine effektivere Energiewende sein könnte.
Schließlich beschäftigen sich Vollprecht und Schwarz mit der geänderten Biomasse-Strom-Nachhaltigkeits-Verordnung. Die Energieerzeugung aus Biomasse ist in den letzten Jahren stark beschränkt worden. Grundsätzlich ist das berechtigt, wenn man den enormen Flächenverbrauch und die Auswirkungen auf Natur und Landschaft durch den gezielten Anbau von Energiepflanzen bedenkt. Für einen Ausgleich zwischen Naturschutz und Energieerzeugung ist es notwendig, dass die Biomasse zumindest nachhaltig erzeugt wird. Die Regeln im deutschen Recht dazu sind grundlegend novelliert und damit auch strenger geworden – wobei der Gesetzgeber wohl teilweise auch ein bisschen über das Ziel hinaus geschossen ist, wie die Autoren im Hinblick auf die strengen Vorgaben zu Nachhaltigkeitsanforderungen für Altholz aufzeigen.
Im Entscheidungsteil ist Entscheidung des BVerfG zum Bürger- und Gemeindebeteiligungsgesetz in Mecklenburg-Vorpommern (mit Anmerkung Lehnert) hervorzuheben. Der Beschluss setzt die Linie aus dem Klimaschutzbeschluss vom April 2021 konsequent fort und entwickelt die Rechtsprechung weiter, indem aus der Klimaschutzpflicht insbesondere die verfassungsrechtliche Bedeutung der erneuerbaren Energien und der Akzeptanz der erneuerbaren Energien abgeleitet wird. Daneben stellt die Entscheidung klar, dass verpflichtende Zahlungen an Gemeinden zur Akzeptanzsteigerung verfassungsrechtlich zulässig sind. Damit sollten die Widerstände gegen eine Umgestaltung des § 6 EEG in verpflichtende Zahlungen der Anlagenbetreiber an Gemeinden hoffentlich ausgeräumt werden können.
Und wie geht es sonst weiter? Mit den Änderungen im Energierecht durch die Osternovelle hat der Gesetzgeber erst den ersten und sicherlich leichteren Teil der Übung erbracht. Die deutlich komplexeren Änderungen, nämlich zur Beschleunigung und Vereinfachung der Planungs- und Genehmigungsverfahren stehen mit der zu erwartenden Sommernovelle noch aus. Werden dadurch tatsächlich substanzielle Hindernisse im Planungsrecht beseitigt? Werden die Planungs- und Genehmigungsverfahren schneller? Wird es im Artenschutz hinreichend Rechtsklarheit und keine unbegründeten Einschränkungen für die Windenergie geben? Und wie geht es bei den Hindernissen durch Luftverkehr und Wetterradar weiter? Die aktuellen Verzögerungen in den Gesetzgebungsverfahren deuten einerseits auf intensive Diskussionen in den Ministerien hin. Andererseits sind die kurzen Stellungnahmefristen zu den kürzlich vorgelegten Gesetzentwürfen sehr bedenklich, und zwar nicht nur aus demokratischen Gründen, sondern auch vor dem Hintergrund, dass das Fachwissen aus der Praxis noch dringend Eingang in die Gesetze finden muss, um für wirksame und praxisgerechte Gesetze zugunsten der erneuerbaren Energien zu sorgen. Es bleibt jedenfalls spannend.
Dr. Wieland Lehnert