Editorial
Dramatische Zeiten: CDU/CSU und SPD werden unter Anführung von Kanzlerin Merkel die Regierung bilden. Vom SPD-Parteivorsitzenden heißt es, er könne Superminister für Wirtschaft und Energie werden, was zum Abbau der Bedeutung des BMU führen könnte. Aber die Große Koalition im Bund ist nicht alles: Die Energiewende ist nämlich ein gesamtstaatliches Problem, in dem die Länder eine wichtige Rolle spielen. An ihnen ist ja im Frühjahr 2013 Altmaiers Strompreisbremse gescheitert. Vor diesem Hintergrund war es eine gewitzte Entscheidung, die nordrhein-westfälische Ministerpräsidentin Kraft zur Vorsitzenden der SPD-Verhandlungsgruppe zu machen; allerdings zu Lasten der Spezialisten Kelber und Machnig. Aus der SPD-Bundestagsfraktion war allein Nina Scheer in der Arbeitsgruppe Energie vertreten, die jetzt die Fahne der Erneuerbaren schwingen muss. So kam es, dass diese Arbeitsgruppe am 09.11.2013 ein Papier beschlossen hat, das nicht unbedingt als Fanal für Energiewende und Klimaschutz bezeichnet werden kann (vgl. nunmehr den endgültigen Beschluss im Internet, z.B. unter http://gruen-digital.de). Im Gegenteil: Im Kapitel Strommarktdesign wird sogar eine „neue Rolle für konventionelle Kraftwerke“ gesehen.
Allerdings sind die Festlegungen auch kein wirklicher Rückschritt. Es wird im Gegenteil eine ganze Menge an Überlegungen aus der Reformdiskussion aufgenommen. Zusätzlich beruhigend ist, dass die wirklich zentralen Fragen insbesondere der Stromwende – hier spielt die Musik – offengeblieben sind. Sie sind nämlich so komplex und schwierig, dass sich die Arbeitsgruppe wohl nicht getraut hat, weitreichende Festlegungen zu treffen. Der Verfasser dieser Zeilen hat sich die Mühe gemacht, einen Überblick über die Wahlstatt zu liefern. Das war nicht so einfach, weil die Reformdiskussion nicht integriert verläuft, sondern einzelne Probleme anpackt, für die der Standort und Erfahrungshorizont des Autors maßgeblich sind. Auch fehlen völlig die juristischen Zutaten. Offengeblieben sind insbesondere die folgenden Fragen:
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Weitere Förderung der Technologielinien im EEG, für die neben einem „Ausbaukorridor“ nur wenige Festlegungen getroffen wurden, überraschenderweise mit einem Bekenntnis zu PV.
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Nicht analysiert wird der fehlkonstruierte Mechanismus für die Systemintegration der EE ab 01.01.2010. Insbesondere dieser Wälzungsmechanismus war für gravierende Fehlentwicklungen verantwortlich. Die zentrale Fehlentscheidung war die verpflichtende Vermarktung der EE über den börslichen Spotmarkt. Das führte zu einem Preisverfall, mit dem die EE für ihren preissenkenden Effekt sogar noch bestraft wurden. Mit diesen Börsenpreisen konnte nur noch die besonders billige Verstromung von Braunkohle in abgeschriebenen Kraftwerken mithalten. So förderten die EE den CO2-Ausstoß aus Dreckschleudern: Verkehrte Welt. Die Systemintegration der EE ist daher besonders wichtig (und schwierig).
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Offen und schwierig sind auch die vielfältigen Entlastungen der stromintensiven Industrie, die auch unter verfassungsrechtlichen Aspekten gesehen werden müssen. Auch hier wird es zu politischen Grundsatzdiskussionen kommen.
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Nötig ist wohl ferner auch eine Verzahnung des EE-Zubaus mit dem Netzausbau. Das Papier der Arbeitsgruppe sieht allerdings einen „verbindlichen Ausbaupfad“ vor, bei dem offen ist, wie dieser rechtlich standfest konstruiert werden soll.
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Schließlich ist besonders schwierig das Verhältnis von EE und fossilen Kraftwerken, auch weil hier Machtfragen angesprochen sind. Spannende Zeiten!
Die ZNER veranstaltet daher zusammen mit dem Interessenkreis Stromerzeugung (IKSS) am 10. Dezember 2013 eine Konferenz im Hause BBH in Berlin, bei der die spannendsten Fragen beleuchtet werden sollen. Das Programm findet sich auf Seite 650 in diesem Heft. Alle Abonnenten sind eingeladen. Es wäre schön, wenn diese Konferenz zu einer weiteren Verbesserung des Verhältnisses zwischen der Zeitschrift und ihren Lesern führen könnte.
Peter Becker