Editorial
Mit dem Schwerpunktthema Rekommunalisierung greift die ZNER ein in das derzeit heißeste forensische Kampffeld. Die Konzerne und ihre Regionalversorger streiten erbittert um jede Konzession. § 103a GWB in der Fassung der Vierten Kartellgesetznovelle hatte die Laufzeit von Konzessionsverträgen auf den 31.12.1994 begrenzt. Die damals auf zwanzig Jahre neu abgeschlossenen Konzessionsverträge laufen folglich spätestens zum 31.12.2014 aus. Verträge, die zwischen 1990 und 1994 wegen Erreichens der gesetzlichen Höchstlaufzeit von zwanzig Jahren ausliefen, endeten schon vorher.
Ein Streitpunkt sind die Kriterien für die Vergabe einer Konzession durch die Gemeinde, die als Wegerechtsmonopolist nicht nur unter der Beobachtung der Konkurrenz um die Konzession steht. Das Bundeskartellamt steht Gewehr bei Fuß, wie der gemeinsame Leitfaden des Amtes und der Bundesnetzagentur zur Vergabe von Strom- und Gaskonzessionsverträgen und zum Wechsel des Konzessionsnehmers (ZNER 2011, 153, dazu Büttner/Templin, ZNER 2011, 121) zeigt. In diesem Heft findet sich eine Entscheidung des Amtes, mit der die Vergabe einer Gaskonzession an die MITGAS durch die Stadt Markkleeberg beanstandet wurde. Das Transparenzgebot war verletzt. Außerdem wurden einzelne Regeln des Konzessionsvertrags beanstandet. Die Stadtwerke Leipzig, die sich ebenfalls beworben und das Verfahren angestrengt hatten, sind damit wieder im Rennen. Die zum Thema abgedruckte Entscheidung des VG Aachen signalisiert, dass bei Verfahrensfehlern der Gemeinde durchaus eine einstweilige verwaltungsgerichtliche Untersagung der Unterzeichnung eines Konzessionsvertrags in Betracht kommt. Mit den maßgeblichen Vergabekriterien und den Rechtsschutzfragen befassen sich Meyer-Hetling/Templin in diesem Heft. Besonders interessant ist eine Finesse der letzten EnWG-Novelle, der neue § 46 Abs. 5. Dort heißt es: „Bei der Auswahl des Unternehmens ist die Gemeinde den Zielen des § 1 verpflichtet.“ Das ist die – insbesondere – preisgünstige und effiziente allgemeine Versorgung. Liegt es nicht auf der Hand, dass der bisherige Netzbetreiber mit seinen kostengünstigen Netzentgelten und seinen vielfältigen Synergien der erste Aspirant für die Konzession ist? Da muss die Gemeinde sich schon massiv ins Zeug legen, wenn sie argumentativ standhalten und ein – vielleicht sogar – neu gegründetes Stadtwerk konzessionieren will. Unbestimmte Rechtsbegriffe laden zum Auslegungsgefecht geradezu ein. Es überrascht nicht, dass dieser neue Absatz in engem zeitlichen Zusammenhang mit der Energiewende steht. Da hatte wohl der Heilige Lobbysius mal wieder Erfolg.
Genauso umkämpft ist – seit mehr als zwanzig Jahren – der Netzkaufpreis. Der Gesetzgeber hatte sich mit dem Begriff der „wirtschaftlich angemessenen Vergütung“ in § 46 Abs. 2 EnWG aus dem Streit zwischen Konzernen und Kommunen herausgehalten. Schon nach der Kaufering-Entscheidung des BGH sah es so aus, als ob der Ertragswert sich durchsetzen würde – aber weit gefehlt. Bis heute wird um Sachzeitwert versus Ertragswert gestritten. Aber langsam neigt sich das Pendel zugunsten des Ertragswertes. Die sachlichen Argumente dafür finden sich in dem Aufsatz von Büttner/Straßer.
Eine weitere Baustelle könnte sich aus dem Europarecht ergeben, nämlich einer möglichen Integration der Vergabe von Strom- und Gaskonzessionen in das allgemeine Vergaberecht durch die europäische Konzessionsrichtlinie. Hier hatte Deutschland bisher Widerstand geleistet – und das mit Recht: Denn bei Dienstleistungskonzessionen, zu denen die Konzessionierung des Netzbetreibers gehört und die sich in ganz erheblichem Maße von gewöhnlichen Dienstleistungsaufträgen unterscheiden, wäre die Anwendung der Konzessionsrichtlinie völlig unangemessen, weil dem unternehmerischen Element, der eigenverantwortlichen Durchführung der Konzession, eine überragende Bedeutung zukommt. Dazu gibt es eine Untersuchung von Michaels/Kohler.
Mit einem europarechtlichen Thema befasst sich auch der Aufsatz von Frenz zu Energiewende und Beihilfenverbot. Der EuGH hatte zwar seinerzeit in dem bekannten PreussenElektra-Urteil das Vorliegen einer Beihilfe verneint, weil die Förderung durch die zur Abnahme verpflichteten privaten Elektrizitätsversorgungsunternehmen und damit unmittelbar von den Endabnehmern des Stroms bezahlt wird, nicht hingegen vom Staat. Nun ist die Abnahme regenerativen Stroms durch Versorgungsunternehmen, die von der öffentlichen Hand kontrolliert werden, faktisch ebenfalls staatlich beherrscht. Gleichwohl bleibt es bei der Aufbringung der Mittel durch private Unternehmen. Anders wird das, wenn – etwa bei Offshore-Windparks – die erforderlichen Infrastruktureinrichtungen direkt vom Staat bezahlt würden. Allerdings könnten Umweltschutzbeihilfen nach Art. 107 AEUV mit dem Binnenmarkt vereinbar sein, weil der Klimaschutz als wichtiges Ziel in der EU gilt. Die Anwendbarkeit auf Windparkanschlüsse ist aber offen. Das Konfliktfeld müsste durchdacht werden.
Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts passt auf den ersten Blick nicht ins Heft. Zwar ist die Bundesnetzagentur betroffen. Aber es geht um Telefonie. Gleichwohl hat die Entscheidung große Bedeutung, weil das Gericht der BNetzA einen Beurteilungsspielraum bei der Marktdefinition und Marktanalyse gemäß § 11 TKG zumisst, der als ausgesprochen großzügig angesehen werden muss. Im Kartellrecht kann von einer derartigen Freiheit der Kartellbehörden keine Rede sein. Das zeigt, dass das höchste deutsche Gericht der regulierenden Tätigkeit der BNetzA einen hohen Stellenwert beimisst. Der dürfte dann auch für die Energieregulierung gelten, wo auch etliche unbestimmte Rechtsbegriffe auftauchen, etwa in der Anreizregulierung. Auf die Schlussfolgerungen der Fachgerichte darf man gespannt sein.
Der Beschluss des BGH vom 18.10.2011 – ein öffentlich-rechtlich organisierter Trinkwasserversorger ist Unternehmen im Sinne des § 59 Abs. 1 GWB – könnte eine Revolution bei gebührenrechtlich ausgestalteten Trinkwasserversorgungen einleiten. Zwar beschränkt sich der BGH auf die Aussage, dass eine Gemeinde, die eine Trinkwasserversorgung auf Gebührenbasis durchführt, dem Kartellrecht unterfallen könnte. Die Frage, ob Trinkwassergebühren auch einer inhaltlichen Missbrauchskontrolle unterliegen, bleibt allerdings explizit offen. In der Tendenz der Entscheidung könnte aber eine kartellrechtliche Gebührenkontrolle liegen. Gegen eine solche Entwicklung wird allerdings aus allen Rohren geschossen. Ob die kommunale Wirtschaft aber auch Verfassungsgründe ins Feld führen könnte, ist zweifelhaft. Die Kommunalverfassungsbeschwerde ist nur gegen Gesetze eröffnet, nicht gegen Gerichtsentscheidungen.
Peter Becker