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ZNER 2013, 99
Becker 

Editorial

Es ist ein Vergnügen für eine Redaktion, ein Heft mit so spannenden Beiträgen vorlegen zu können:

Uwe Leprich, Leiter des Saarbrücker IZES, stellt ganz grundlegende Überlegungen für den Umbau des Stromsystems an. Im technischen Bereich finden sich weitgehende Entsprechungen zu den Thesen der Agora Energiewende. Der hochinteressante neue Aspekt der Überlegungen liegt in der Rolle der „Lieferanten als Transformations- und Integrationsakteure“. Im Rahmen der bisherigen Vermarktung der EE-Mengen kommen sowohl dem ÜNB als auch dem Vertrieb Rollen zu, die ihnen im Grunde nicht auf den Leib geschneidert sind. Schwer vermittelbar ist vor allem das „EEG-Umlagen-Paradoxon“, das darin liegt, dass der Verkauf der EE-Mengen am Spotmarkt zur Erhöhung der EEG-Umlage führt. Daher legt das IZES einen neuen Preismechanismus vor:

  • Der EE-Strom wird wie bisher bundesweit eingesammelt und zu einem gemeinsamen EE-Lastprofil verdichtet.

  • Das nationale EE-Lastprofil wird den Stromlieferanten zugewälzt. Die Lieferanten müssen ihre verbleibende Last als Differenz von Kundenlast und anteiligem EE-Lastprofil decken.

  • Der Lieferant bezahlt für das Lastprofil einen Preis, der den durchschnittlichen EE-Vergütungskosten entspricht.

Damit werden die Lieferanten zu wichtigen Energiewende-Akteuren, weil sie den fortschreitenden Systemwandel in ihren Beschaffungsstrategien vorausdenken. Die ÜNB verlieren ihre derzeitige treuhänderische Vermarktungsfunktion der EEG-Anlagen am Spotmarkt. Damit wird die EEG-Umlage faktisch abgeschafft. Die Preisermittlung für Liefermengen obliegt dann diesen neu definierten Lieferanten. Die Weiterentwicklung der Märkte – einschließlich eines Kapazitätsmarktes – mache, so Leprich, ein „Energiestrukturgesetz“ nötig, mit dem das bisherige EnWG und das EEG in einer in sich stimmigen Gesamtkonzeption zusammengefasst werden. Die GEODE und der VKU haben ebenfalls hochinteressante Modelle vorgestellt.

Reinhard Kaiser, als leitender Mitarbeiter des BMU echter Insider, befasst sich mit dem Energieministerium. Er stellt für jeden Bürokratieprofi hilfreiche und für den Betrachter der politischen Bühne äußerst einleuchtende Beobachtungen und Empfehlungen vor (die so gut sind, dass sie ihm die Beförderung in zumindest die nächsthöhere Besoldungsstufe einbringen müssten). Die Energiewende ist nämlich auch und vor allem ein Bürokratieproblem: Wer hat das Sagen? Die Bundeskanzlerin, die Ministerien, die Leiter der Energiewendeabteilung(en), die Länder, die Bundesnetzagentur etc.? Das Credo des Autors lautet: weder noch. Es geht vielmehr um Verfahren und Leitschnüre für die Arbeit eines – überlegt gestalteten – Energieministeriums.

Im Entscheidungsblock platzt die – lang erwartete – Bombe: Der EuGH korrigiert die versorgerfreundliche Rechtsprechung des 8. Zivilsenats beim BGH zu den Preisanpassungsklauseln im Sondervertragsbereich. Der Verbraucherschutz bei der Energieversorgung, grundgelegt in der Verbraucherschutz-Richtlinie 93/13 EWG, rückt in den Vordergrund. Das war abzusehen (vgl. OLG Oldenburg, Vorlagebeschluss zum EuGH zur Richtlinie 93/13 EWG v. 05.04.1993, ZNER 2011, 76; Vorlagebeschluss des BGH v. 09.02.2011 zum EuGH mit Anmerkung von Markert, ZNER 2011, 170). Wieder einmal ist es die EU, die dem nationalen Verbraucherschutz angesichts des Versagens der höchstrichterlichen Rechtsprechung die Leviten liest. Für die Versorger ist diese Abfolge übrigens ein Desaster: Erst mit der zu erwartenden Entscheidung des BGH nach Zurückverweisung dürfte die „Kenntnis“ der Kunden eintreten, mit der die Verjährung beginnt (§ 199 BGB). Die rückabzuwickelnden Jahre nehmen zu. Der „Zeitgewinn“ wird zu einem „Liquiditätsverlust“. Unternehmensleitungen waren daher gut beraten, ihre Preisanpassungsregeln frühzeitig zu reformieren.

Das OLG Düsseldorf bestätigt (vgl. schon ZNER 2012, 618) seine Zweifel am Vorhandensein einer Ermächtigungsgrundlage für § 19 Abs. 2 StromNEV 2011, den sogenannten „Mitternachtsparagrafen“. Außerdem stützt es seine Bedenken an der Standfestigkeit der Netzentgeltbefreiung für große industrielle Stromverbraucher auch auf beihilferechtliche Bedenken, die vom Bund der Energieverbraucher angestoßen waren. Fazit: Die Durchsetzung der Verbraucherinteressen ist nicht einfach, hat aber bei langem Atem offensichtlich Erfolg.

Das Landgericht Chemnitz fällt die erste Entscheidung zu den Angriffen auf die verfassungsrechtliche Standfestigkeit der EEG-Umlage, die vom Bundesverband Textil angestoßen worden waren, der sich dabei auf eine Untersuchung von Manssen stützt (DöV 2012, 499). Allerdings hatte der BGH dieses Problem längst gesehen und die Verfassungsmäßigkeit der EEG-Umlage bejaht. Das System kommt eben ohne Inanspruchnahme des Staates aus und deswegen ist die verfassungsgerichtliche Rechtsprechung zum Kohlepfennig nicht einschlägig.

Schließlich veröffentlicht die ZNER eine ganze Reihe von Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts, insbesondere des 7. Senats, darunter vier Leitsatzentscheidungen zum Emissionshandel. Man sieht: Die Energiewende ist als ABM-Maßnahme nicht zu unterschätzen und die Komplexität der Normenflut müsste endlich reduziert werden.

Peter Becker

 
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