Editorial
Geradezu noch deutlicher als jede andere Ausgabe der ZNER zeigt dieses letzte Heft des Jahres, wie vielfältig und weit gefächert die Themen des Energierechts und der Energietransformation sind.
Die Beiträge reichen von den Folgen des Beschlusses des OVG Münster zur Markterklärung des BSI im März über die Sommernovelle des Klimaschutzgesetzes im Juni bis zur Entscheidung des OLG Düsseldorf über die Zulässigkeit von Preisnachlässen (Kommunalrabatt) auf Netzumlagen im Herbst. Leserinnen und Leser finden wichtige Urteile im Heft. So das LG Köln zu den Anforderungen an die räumliche Entfernung zwischen Erzeugung und Verbrauch bei gepachteten Anteilen an Stromerzeugungsanlagen.
Auch die von Westphal-Hansen kommentierte Entscheidung des OLG Celle zur Vergütung in Nutzungsverträgen über die Errichtung und den Betrieb von Windenergieanlagen ist instruktiv. Die Erneuerbaren Branche sollte das Urteil kennen.
Immer wieder befasst sind die Finanzgerichte mit der Frage, welche Art von Stromverwendungen noch in den Genuss der Stromsteuerprivilegierung der Verwendung zur Stromerzeugung fallen. Das FG Düsseldorf hatte Verwendungen im Rahmen eines Tagebaubetriebs auf ihren Zugang zur stromsteuerlichen Privilegierung zu beurteilen.
Wie immer geht es auch in diesem Heft um die Klimaschutzziele. Das beginnt mit dem Beitrag von Frenz zum novellierten Klimaschutzgesetz. Frenz widmet sich den angepassten sektorenscharfen THG-Minderungszielen und dem Fit for 55’ Paket der EU. Der Beitrag von Dietrich befasst sich mit den Maßgaben der RED II und deren Umsetzung hinsichtlich der Genehmigungsanforderungen für Repoweringprojekte.
Hemmert-Halswick und Freitag zeigen in ihrem Beitrag, wie die Wärmewende auch durch den Einsatz von Großwärmepumpen vorangebracht werden kann. Herausforderungen und Lösungsansätze für die klimaschonende Wärmeversorgung greifen auch Legeler und Ufer mit Blick auf die dezentrale Wärmeversorgung auf. von Bremen stellt die Änderungen des Messstellenbetriebsgesetzes („MsbG“) vor, die infolge des Beschlusses des OVG Münster vom März des Jahres notwendig wurden, um den bislang nur zögerlichen Smart Meter Rollout nicht noch mehr zu gefährden.
Das Heft enthält schließlich ein „heißes Eisen“, die Entscheidung des OLG Düsseldorf zu Nordstream 2 mit Anmerkung Fölsing: Das OLG Düsseldorf sagt, die Nord Stream 2 sei nur dann „fertiggestellt im Sinn des Art. 49a der einschlägigen EU-Richtlinie und des § 28b EnWG, wenn sie zum Stichtag vollständig physisch errichtet war. Damit stellt es sich gegen die Meinung der Investoren, die auf den Zeitpunkt der nicht mehr umkehrbaren Investitionsentscheidung abstellen. Die rechtlichen Vorgaben deckten diese Meinung nicht, so das OLG.
Fölsing hat seine Anmerkung überschrieben: Nord Stream 2: Spielball der Gerichte weltweit. Im Text untersucht er aber auch die EU-Richtlinien-Verabschiedung und das Entstehen des ihr folgenden EnWG-Paragraphen. Gazprom habe mit der Planung der Nord Stream 2 schon 2012 begonnen; die Investitionsentscheidung sei 2016 gefallen. Zu diesem Zeitpunkt galt noch die Vorgängerrichtlinie, die nicht auf die Fertigstellung abstellte. Auf den Protest vieler osteuropäischer Mitgliedstaaten sei die Richtlinie geändert worden; jetzt wurde auf die „Fertigstellung“ abgestellt. Die Richtlinie trat 2019 in Kraft. Damit maß sie sich Rückwirkung bei. Die Verschärfungen etwa beim Unbundling wurden so wirksam. Das Hauptmanko der OLG-Entscheidung sieht Fölsing bei der fehlenden Vorlage an den EuGH. Aber auch der Generalanwalt handle widersprüchlich, indem er einerseits eine vorangegangene Entscheidung des EuG zuungunsten der Nord Stream 2-AG kritisiere, aber andererseits einen „acte clair“ annehme, im Sinne der geänderten Richtlinie. Die Sache liegt jetzt beim BGH, der einen Wust an Problemen auf dem Schreibtisch hat. Mal sehen.
Dr. Peter Becker/Dr. Heidrun Schalle