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ZLR 2019, 623
v. Jagow 

Tierwohl auf dem Vormarsch

Am 10.9.2019 stellte Bundesernährungsministerin Klöckner den Regierungsentwurf für ein freiwilliges Tierwohllabel im Bundestag vor, der wenige Tage zuvor im Kabinett beschlossen worden war. Dieses Vorhaben rückt einmal mehr die in den letzten Jahren immer stärker gewordenen Bemühungen von staatlicher und privater Seite in den Vordergrund, die Haltungs- und Schlachtbedingungen der Nutztiere zu verbessern.1 Staatliche Vorgaben hierzu lassen sich nur schwer verschärfen; denn dem sogar als Staatsziel in Art. 20a GG festgeschriebenen Tierschutz stehen oft berechtigte wirtschaftliche Interessen der nutztierhaltenden Landwirtschaft gegenüber.2 Da das Tierwohl in der öffentlichen Diskussion einen immer größeren Stellenwert erhält, wird als weitere Möglichkeit neben den staatlichen Vorgaben für Haltung, Transport und Schlachtung seit einiger Zeit die Vergabe von Tierwohllabeln erörtert und deren Bedingungen werden formuliert. Dabei sind unterschiedliche Labelstufen mit unterschiedlich strengen Bedingungen im Gespräch. Die Verbraucher sollen also durch ihre Kaufentscheidungen zur Verbesserung des Tierwohls beitragen. Je strenger die Bedingungen für das jeweilige Label, desto teurer werden die Lebensmittel aus den entsprechend den Labelbedingungen gehaltenen und transportierten Tieren.

Ob die Verbraucher bereit sind, in nennenswertem Umfang durch Akzeptanz höherer Preise zu einer Verbesserung des Tierwohls beizutragen, ist unklar, ebenso ob sich genügend Landwirte finden, die sich den Bedingungen unterwerfen. Dem Lebensmittelhandel kommt hierbei eine besondere Rolle zu, und er hat bereits mit von ihm konzipierten Labeln erste Schritte unternommen. Ob der Staat besser in der Lage ist, derartige Bedingungen für ein – freiwilliges – Tierwohllabel zu formulieren und für deren Einhaltung zu sorgen oder aber private Organisationen, ist durchaus umstritten.3 Klar ist, dass es immer Kritik an derart freiwilligen Aktionen geben wird. Den einen sind die Bedingungen zu wenig streng oder konturiert, um einen nennenswerten Fortschritt beim Tierschutz für Nutztiere zu erreichen. Andere halten die Bedingungen für nicht realisierbar. Fortschritte lassen sich in diesem Bereich jedenfalls nur einvernehmlich unter Einbeziehung aller Beteiligten erzielen.

Welche rechtlichen Probleme sich bei der Verwendung von Tierwohllabeln ergeben werden, wird sich noch zeigen. Mehr Klarheit gibt es aber bereits für Lebensmittel, die als ökologische Lebensmittel nach der Verordnung (EG) Nr. 834/2007 und zukünftig nach der Verordnung (EU) 2018/848 produziert und gekennzeichnet werden. Hier hat der EuGH unmissverständlich klargestellt, dass Fleischerzeugnisse, bei denen das verwendete Fleisch von Tieren stammt, die ohne vorherige Betäubung einerZLR 2019 S. 623 (624) rituellen Schlachtung unterzogen wurden und die deshalb “Halal” sind, nicht mit dem Bio-Logo gekennzeichnet werden dürfen.4

Mit dem Thema Tierwohl wird sich die ZLR nicht nur in diesem Heft, sondern in Zukunft vermehrt befassen.

Rechtsanwalt Dr. Carl v. Jagow, Hamburg

1

Zu den religiösen, ethischen und rechtlichen Hintergründen des Tierschutzes vgl. Mettke, ZLR 2019, 1 ff.

2

Zu dieser Interessenabwägung vgl. z. B. BVerwG, ZLR 2019, 695 – “Töten männlicher Küken”, zu diesem Urteil ausführlich Mittelstein/Gottberg, ZLR 2019, 665 (in diesem Heft).

3

Zu der Thematik Tierwohllabel ausführlich Gottwald, ZLR 2019, 649 (in diesem Heft)

4

EuGH ZLR 2019, 682 – “Bio-Halal-Fleisch” und dazu ausführlich Mittelstein/Gottberg, ZLR 2019, 665 (in diesem Heft).

 
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