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ZLR 2023, 295
Sosnitza 

Krise, Kennzeichnung & Kommunikation – Lebensmittelrecht auf dem Prüfstand

Im März 2023 fand der 36. Deutsche Lebensmittelrechtstag in Wiesbaden unter dem Generalthema “Krise, Kennzeichnung & Kommunikation – Lebensmittelrecht auf dem Prüfstand” statt. Umwälzende gesellschaftliche Entwicklungen stellen auch das Lebensmittelrecht vor neue Herausforderungen. Krisen in der Energieversorgung und der Lebensmittelkette weltweit werfen die Frage nach der Sicherheit von Lebensmitteln und der Gewährleistung der Versorgung mit sicheren Lebensmitteln neu auf.

Vor diesem Hintergrund hat sich der 36. Deutsche Lebensmittelrechtstag zunächst dem vermeintlichen Gegensatz von “Food Safety vs. Food Security” gestellt. Hier wurde in der Diskussion deutlich, dass die Aspekte der Versorgungssicherung und der Produktsicherheit nicht gegeneinander ausgespielt, sondern aufeinander abgestimmt werden müssen. Anschließend stand der Verordnungsentwurf zur Neuregelung des Regimes der geografischen Herkunftsangaben im Mittelpunkt. Es zeigte sich, dass das Schutzsystem als solches, trotz Vereinheitlichung der Rechtsgrundlagen für alle Produktkategorien, grundsätzlich gleich bleibt, auch wenn die ins Auge gefasste Rolle der EUIPO äußerst umstritten ist. Neuerungen sind auch bei der allgemeinen Kennzeichnung nach der LMIV zu erwarten, auch wenn hier der angekündigte Entwurf der Kommission noch nicht auf dem Tisch liegt. Die diskutierten Einzelpunkte sind etwa die Pflicht-Nährwertkennzeichnung auf der Packungsvorderseite, eine Ausdehnung der verpflichtenden Herkunftskennzeichnung, Modifikationen beim Mindesthaltbarkeitsdatum (Vorschlag eines Zusatzes “Oft länger gut”) und die Streichung der Kennzeichnungsausnahmen für Alkohol. Den Abschluss des ersten Themenblocks bildete der Entwurf zur Änderung der Richtlinie 2005/29/EG über unlautere Geschäftspraktiken zum ökologischen Wandel. Hier ging es vor allem um neue Regelungen zur Verhinderung von Greenwashing und zum (angeblichen) Problem der Obsoleszenz.

Der zweite Themenblock war der Überwachung und den Sanktionen gewidmet. Dabei befasste sich der Lebensmittelrechtstag zunächst mit dem aktuellen Stand des Gesetzentwurfs zum Schutz von Whistleblowern und mit den möglichen Auswirkungen auf die lebensmittelrechtliche Praxis. Des Weiteren ging es um die Informations- und Meldepflichten von Laboren bei unsicheren Lebensmitteln gemäß § 44 Abs. 4a LFGB. Hier wurde die aktuelle Rechtsprechung und auch die Frage der Unionsrechtswidrigkeit der Regelung intensiv diskutiert. Dies leitete über zum Thema des Betrugs als Faktor der Risikobewertung durch die Überwachung und die Frage, ob nicht eine Überforderung der Behörden droht. Schließlich wurde der Themenkomplex abgerundet durch eine strafrechtliche Betrachtung des “Food Fraud” zwischen Kennzeichenverstoß und strafbarem Betrug, bei der deutlich wurde, dass hier noch erhebliche Abgrenzungsschwierigkeiten bestehen.

ZLR 2023 S. 295 (296)

Der dritte Themenabschnitt befasste sich mit der Kennzeichnung und den Vertriebswegen. Als erstes ging es dabei um das Thema Tierwohl und die dazu kurz bevorstehende nationale Tierhaltungskennzeichnung, die der Bundestag bereits in erster Lesung debattiert hat. Dabei wurde deutlich, dass der Gesetzgeber nur einen ersten Schritt der Kennzeichnung in einem Teilbereich plant, der private Initiativen nicht ersetzen, sondern auf sie abgestimmt sein soll. Einen größeren Horizont nahm dann das Thema “Reformulierung, Steuern & Co.” in den Blick, bei dem es – neben der aktuellen Debatte um ein Werbeverbot gegenüber Kindern – um die generelle Frage nach den rechtlichen Rahmenbedingungen und staatlichen Handlungsmöglichkeiten zwischen Lenkung, “Nudging” und Paternalismus ging. Speziell bei den Vertriebswegen ging es dann um die Lieferketten, wo der deutsche Gesetzgeber mit dem “Lieferkettensorgfaltspflichtgesetz” (LkSG) vorgeprescht ist und nun auf Unionsebene die “Corporate Sustainability Due Deligence”-Richtlinie (CSDDD) als Entwurf vorliegt. In der Diskussion wurde hier deutlich, dass zwar einerseits die Anforderungen über die bisherige nationale Regelung hinausgehen, jedoch die Auswirkungen zumindest teilweise eher symbolhaft wirken. Den Abschluss bildete dann ein konzentrierter Überblick über Rechtsfragen beim Transport von Lebensmitteln auf der Grundlage der einschlägigen nationalen und internationalen Regelungen.

Wie gewohnt werden wir in diesem und in den folgenden Heften wieder die wichtigsten Beiträge des letzten deutschen Lebensmittelrechtstags veröffentlichen, um die aktuelle Diskussion nicht nur abzubilden, sondern auch weiter zu begleiten und zu fördern.

Prof. Dr. Olaf Sosnitza, Würzburg*

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Wissenschaftlicher Leiter des 36. Deutschen Lebensmittelrechtstags, Vorsitzender des Beirats der WGL, Mitglied im Redaktionsbeirat der ZLR.

 
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