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ZLR 2005, 159
Hufen 

Das Lebensmittelrecht in der erweiterten Europäischen Union.

Verbraucherleitbild – Gesundheit – Sicherheit.

Prof. Dr. Friedhelm Hufen, Universität Mainz1

Selten waren sich Vorstand und Wissenschaftlicher Beirat der WGL so einig wie bei der Wahl des Rahmenthemas für den 18. Deutschen Lebensmittelrechtstag: die Konsequenzen der Erweiterung der EU um 10 neue Mitgliedsländer für das Lebensmittelrecht.

Wie immer gibt es bei einem solchen Vorgang zwei typische Sichtweisen: Während die einen im positiven Sinne in der Erweiterung Chancen für die Bereicherung des Lebensmittelmarktes, für mehr Vielfalt, Offenheit und Qualität sehen, befürchten die anderen vor allem Gefahren aus Defiziten in der Qualitätssicherung und aus der neuen Konkurrenz. In jedem Fall ist es dringende Aufgabe des Deutschen Lebensmittelrechtstages und darüber hinaus der wissenschaftlichen Durchdringung des Lebensmittelrechts, sich mit den besonderen Strukturen, Verfahren und Angeboten aus den Beitrittsstaaten zu befassen.

Neben dieser „horizontalen Erweiterung“ hat das Stichwort „Erweiterte Europäische Union“ aber auch eine „vertikale“ Dimension. So gibt es immer mehr Anzeichen, dass sich der Einfluss der EU auf das nationale Recht und ihr Regelungsanspruch immer mehr erweitert und vertieft.

Auch in diesem Sinne versteht der 18. Lebensmittelrechtstag seinen thematischen Auftrag.

  • Geraten mit diesem erweiterten Anspruch zentrale – auch verfassungsrechtlich abgesicherte – Säulen des Lebensmittelrechts in Gefahr?

  • Sind wir nicht längst auf dem Weg, dass nunmehr unter den Bedingungen des erweiterten Binnenmarkts das Verbotsprinzip an die Stelle der Marktfreiheit tritt?

  • Wäre die „neue Freiheit“ im Binnenmarkt also möglicherweise teuer erkauft?

  • Gibt es über die traditionellen Zielsetzungen des Gesundheits- und des Täuschungsschutzes neue Zielsetzungen, bzw. hat sich der Gesundheitsschutz unter dem Stichwort „gesunde Ernährung fördern“ nicht schon längst in Bereiche „hineingearbeitet“, in denen es früher allenfalls um Täuschungsschutz ging?

ZLR 2005 S. 159 (160)

Für diese Fragen bilden die anhaltenden Auseinandersetzungen um Health Claims und Anreicherungsverbote nur ein Beispiel.

Auch die Gentechnik, die auf den ersten Blick nur oberflächliche Bezüge zu dem Leitthema aufweist, gehört in diesen Zusammenhang: Verabschiedet sich Deutschland hier nicht wieder aus einem Zukunftsmarkt, ohne letztlich aber die Entwicklung aufhalten zu können?

Solche spannenden inhaltlichen Fragen dürfen die auf den ersten Blick etwas trockener wirkenden Fragen von Organisation und Verfahren nicht verdecken. Deshalb hat sich der Lebensmittelrechtstag am zweiten Tag auch diesen Fragen mit Intensität zu stellen. Auch die Risikokommunikation und das Risikomanagement erfolgen hier unter völlig neuen Bedingungen.

Zurück zum Thema „Erweiterung im horizontalen Sinne“: Die Erweiterung der EU um 10 neue Länder und damit zum wohl größten Lebensmittelexporteur und Importeur der Welt wirft die Frage auf, ob die Organisation dieses Gebildes überhaupt noch mit traditionellen Methoden möglich ist.

  • Kommt unter diesen Bedingungen überhaupt eine auch nur partielle Harmonisierung noch zum Tragen?

  • Erweist sie sich nicht umgekehrt vielmehr als Hemmnis im Marktgeschehen?

Diese Fragen waren Gegenstand der abschließenden Podiumsdiskussion mit prominenten Teilnehmern aus allen Bereichen des Lebensmittelrechts.

Beim 18. Deutschen Lebensmittelrechtstag am 17. und 18. März 2005 haben mehr als 200 Teilnehmer diese Fragen mit Engagement und wissenschaftlicher Fundiertheit diskutiert. Es war den Veranstaltern gelungen, namhafte Referenten aus Wissenschaft und Praxis zu gewinnen. In vielen Fragen bestand Konsens, in anderen aber kam es zu fruchtbaren Kontroversen. Die wichtigsten Referate werden in diesem und dem folgenden Heft der ZLR veröffentlicht. Sie verdienen ungeteilte Aufmerksamkeit.

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Wissenschaftlicher Leiter des 18. Deutschen Lebensmittelrechtstags, Vorsitzender des Beirats der Wissenschaftlichen Gesellschaft für Lebensmittelrecht, Mitglied im Beirat von BLL und ZLR.

 
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