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ZHR 185 (2021), 629-636
Strohn 

Schutz der Menschenrechte durch das Sorgfaltspflichtengesetz

Am 11. 6. 2021 hat der Deutsche Bundestag das Gesetz über die unternehmerischen Sorgfaltspflichten in Lieferketten (Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz – LkSG) verabschiedet.1 Der Bundesrat hat dem Entwurf zugestimmt. Der Bundespräsident hat ihn unterzeichnet. Damit betritt die Bundesrepublik Deutschland gesetzgeberisches Neuland. Ein ganzes Gesetz ist dem Kampf gegen die Verletzungen von Menschenrechten und den flankierenden Umweltbelangen gewidmet.

Schaut man näher hin, finden sich jedoch schon mehrere Regelwerke zum Schutz der Grundrechte. Das betrifft etwa die Bekämpfung der in zahlreichen Ländern weit verbreiteten Kinderarbeit.2 Ebenso gibt es grundlegende Regeln der Arbeitssicherheit.3 Hätte es das Sorgfaltspflichtengesetz seinerzeit schon gegeben, wäre es im Zweifel nicht zu dem schrecklichen Unglück in Rana Plaza im April 2013 mit mehr als 1.100 Toten4 gekommen. Derartige Auswüchse zu bekämpfen, ist sicherlich ein ehrenwertes Ziel. Auf dem Weg dahin wird es aber noch zahlreiche Auslegungsprobleme und Änderungswünsche geben. Gerade weil die Materie relativ neu ist, bedarf es vieler durch die Rechtsprechung zu lösender und durch die Wissenschaft zu systematisierender Fälle und dabei guter Ideen, um aus der bisherigen lex ferenda eine lex lata werden zu lassen. Eine dieser Möglichkeiten besteht darin, Alternativen zum Sorgfaltspflichtengesetz zu suchen und auf ihre Tauglichkeit zu befragen. Das soll in diesem Beitrag mit der für ein Editorial gebotenen Kürze geschehen.

1. Alternativen zum Sorgfaltspflichtengesetz

Auf der Ebene der Vereinten Nationen gibt es einschlägige Vorschriften, etwa solche der ILO, auf der Ebene der Europäischen Union wird daran gear-ZHR 185 (2021) S. 629 (630)beitet. Aber auch im nationalen Recht gibt es Bereiche, in denen man auf Vorhandenes zurückgreifen kann, etwa in § 289c HGB. Ideen wird man möglicherweise auch bei der Gesellschaft mit gebundenem Vermögen finden können. Schließlich mag man an das Corporate-Purpose-Konzept denken und damit abseits des Gesetzgebers tätig werden. Wohlgemerkt: Es soll hier nicht darum gehen, in das Gesetz nachträglich die eine oder andere zusätzliche Bestimmung, etwa eine zivilrechtliche Anspruchsgrundlage, hineinzuschreiben. Es soll vielmehr untersucht werden, inwieweit vorhandene oder im Gesetzgebungsprozess befindliche Regelungen in das Sorgfaltspflichtengesetz hineinwirken und damit die Zielgenauigkeit dieses Gesetzes steigern.

2. Keine Haftung nach dem Sorgfaltspflichtengesetz

Das Sorgfaltspflichtengesetz hat eine Besonderheit, die beachtet werden muss, wenn man in einen Vergleich mit anderen grundrechtsschützenden Regelwerken treten will. Es findet sich darin keine zivilrechtliche Haftungsnorm. Wenn das Organ eines Unternehmens, welches (wegen der Mitarbeiterzahl) an das Sorgfaltspflichtengesetz gebunden ist, gegen die neuen Regeln verstößt, soll es nach dem Willen des Gesetzgebers nicht in stärkerem Maße auf Schadensersatz haften, als es das schon zuvor getan hat. Das Gleiche wird für die (Außen-)Haftung des Unternehmens gelten müssen. Auch das Unternehmen soll nicht weitergehend haften, als es das schon nach bisherigem Recht getan hat. In den Stellungnahmen zum Gesetzgebungsverfahren wird immer wieder betont, dass in dem neuen Gesetz keine Anspruchsgrundlagen für Schadensersatzansprüche vorgesehen seien, die es nicht schon bislang gegeben hätte.5

Es bestand jedoch die Sorge, diese Haftung könne trotzdem weiter greifen als zuvor. Deshalb wurde vorgeschlagen, die zivilrechtliche Haftung ausdrücklich auszuschließen.6 Dadurch hat sich das Inkrafttreten des Gesetzes sogar verzögert. Doch bleibt es bezüglich der Schadensersatzhaftung dort stehen, wo es schon vorher stand. Zum einen trifft die Organmitglieder im Prinzip nur eine Binnenhaftung, zum anderen geht es dabei weitgehend nur um eine Schutzgesetzhaftung im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB, der aber im Sorgfaltspflichtengesetz kein Schutzgesetz zugrunde liegt. Eine – ablehnende – Klarstellung zu § 823 Abs. 2 BGB hatte auch die CDU-Fraktion des deutschen Bundestages verlangt. Nach der verabschiedeten Gesetzeslage werdenZHR 185 (2021) S. 629 (631) die Verstöße gegen das Sorgfaltspflichtengesetz anders als durch Schadensersatzansprüche sanktioniert, nämlich durch Zwangs- oder Bußgelder und durch den Ausschluss von der Vergabe öffentlicher Aufträge.7 Eine Verletzung der Pflichten aus dem Sorgfaltspflichtengesetz begründet als solche keine zivilrechtliche Haftung.8 Eine unabhängig von diesem Gesetz begründete Haftung bleibt unberührt. Die Angehörigen der Opfer von Rana Plaza werden damit nicht zufrieden sein

3. Das Sorgfaltspflichtengesetz im Kontext vergleichbarer Regelungen

a) Aktionsplan der Vereinten Nationen

Mit dem Sorgfaltspflichtengesetz hat der deutsche Gesetzgeber die Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte der Vereinten Nationen und aus dem Nationalen Aktionsplan für Wirtschaft und Menschenrechte von 2016 (Nationaler Aktionsplan) in Deutschland umgesetzt. Mit dem Nationalen Aktionsplan ist die Erwartung an die Unternehmen verbunden, in angemessener Weise die menschenrechtlichen und umweltbezogenen Risiken in ihren Liefer- und Wertschöpfungsketten zu ermitteln, ihnen zu begegnen, darüber zu berichten und Beschwerdeverfahren zu ermöglichen. Eine repräsentative Untersuchung im Jahre 2020 hat gezeigt, dass lediglich zwischen 13 bis 17 Prozent der befragten Unternehmen die Anforderungen des Nationalen Aktionsplans erfüllten. Deshalb hat der deutsche Gesetzgeber mit dem Sorgfaltspflichtengesetz ein für die Unternehmen verbindliches Regelwerk geschaffen. Es ist zugleich international anschlussfähig und lässt damit eine wettbewerbsrechtliche Weiterentwicklung zu.

b) EU-Kommission für EU-weite Sorgfaltsstandards

Auf Ebene der Europäischen Union planen Justizkommissar Reynders und Sozialkommissar Schmit ebenfalls eine Lieferkettengesetzgebung. Dazu haben sie am 6. 10. 2020 erklärt: “Wir wollen gesetzgeberisch tätig werden, wollen konkrete Pflichten und auch eine Haftung und Aufsicht. Wir brauchen zumindest zivilrechtliche Haftung . . .” 9 Über die Frage der Haftung ist das letzte Wort also noch nicht gesprochen. Wenn die weiteren Planungen der EU-Kommission in die angekündigte Richtung gehen, wird es in dem EU-Lieferkettengesetz eine schadensersatzmäßige Haftungsnorm geben, die in nationa-ZHR 185 (2021) S. 629 (632)les Recht umzusetzen ist. Die europäische Regelung ist dann schärfer als die deutsche.

c) CSR-Berichtspflicht nach § 289c HGB

In Umsetzung der Corporate Social Responsibility-Richtlinie (CSR-RL)10 hat der Gesetzgeber den § 289c HGB geschaffen. Darin wird der Inhalt der sog. nichtfinanziellen Erklärung erläutert. Der Sinn der Richtlinie und damit des Umsetzungsgesetzes besteht darin, die Vergleichbarkeit von nichtfinanziellen Angaben der Unternehmen zu verbessern, ohne die Grundsätze der bisherigen Finanzberichterstattung zu verlassen.11 Es geht dabei auch um die allgemeinen Risiken innerhalb der Lieferkette des Unternehmens.12 Der Begriff “Lieferkette” hat hier allerdings einen etwas anderen Sinn als in dem Sorgfaltspflichtengesetz. Das Sorgfaltspflichtengesetz befasst sich ausschließlich mit den Menschenrechten und den sie flankierenden Umweltbelangen. In der Richtlinie und in § 289c HGB ist der Fokus dagegen wesentlich weiter angelegt. In nur einer von fünf Einzelbestimmungen des § 289c Abs. 2 HGB geht es um die Achtung der Menschenrechte, die übrigen Nrn. haben andere, wenn auch ähnliche Inhalte. Damit überschneiden sich die beiden Regelungsgegenstände.

Doch selbst wenn man in § 289c HGB eine Grundlage für Sanktionen gegen Menschenrechtsverstöße sieht, reicht das nicht ohne weiteres zur aktuellen Ergänzung des Sorgfaltspflichtengesetzes. 13 Man kann nicht ohne weiteres eine einzelne Bestimmung von dem einen Gesetz in das andere übertragen.14 Das wäre nur im Rahmen einer Einzel- oder Rechtsanalogie möglich.15 Dafür dürfte es hier an einer planwidrigen Gesetzeslücke fehlen.16 Zumindest muss die Anwendung des Sorgfaltspflichtengesetzes im Rahmen eines Analogieschlusses gründlich überlegt und diskutiert werden.

d) Menschenrechte und Gesellschaftsform

aa) GmbH-gebV als neue Gesellschaftsform

Derzeit wird in Deutschland heftig über die Gesellschaft mbH mit gebundenem Vermögen (GmbH-gebV) diskutiert.17 Darunter ist eine Mischform zwi-ZHR 185 (2021) S. 629 (633)schen einer GmbH und einer Stiftung zu verstehen. Der ursprüngliche Name lautete GmbH in Verantwortungseigentum. Im Juni 2020 und in einer Überarbeitung aus dem Frühjahr 2021 legten sechs Wissenschaftler einen Gesetzentwurf mit einem neuen, eigenständigen Kapitel des GmbHG vor.18 Grundlegend für die GmbH-gebV ist eine Treuhänderschaft über das im Unternehmen gebundene Kapital. Die Gesellschafter haben die Leitungsmacht über das Unternehmen, sie haben aber keinen Zugriff auf das Vermögen – weder in Form von Gewinnausschüttungen19 noch in Form von Abfindungen oder Liquidationserlösen. Ein Verkauf eines Anteils ist grundsätzlich unzulässig. Das Gesellschaftsvermögen kann also nicht als Spekulationsobjekt verwendet werden. Die Gesellschafter können sich für ihre Arbeit ein angemessenes Gehalt bewilligen und für das eingesetzte Kapital einen marktüblichen Zins. Wollen sie die Gesellschaft verlassen, ist das schwierig und bestenfalls zum Nennwert der Anteile möglich.20 Das ist der sog. asset lock. Das Vermögen bleibt in der Gesellschaft und kann zur Refinanzierung oder bestenfalls zu Spenden verwendet werden. Folgerichtig können die Vermögensanteile nicht vererbt werden, und es können nur natürliche Personen oder GmbH-gebV Gesellschafter sein. Das ist der sog. shareholder lock.

Dieses System soll bewirken, dass das Gesellschaftsvermögen nicht in die Hände von Personen gelangt, die damit – etwa in dritter Generation nach den Gründern – unternehmerisch nichts anzufangen wissen. Die Gesellschafter, die das Unternehmen führen, oder ihre Nachfolger sind lediglich als Treuhänder tätig, nicht als Volleigentümer. Das Gesellschaftsvermögen gehört ihnen nicht. Sie sind auch nicht berechtigt, Vermögensgegenstände aus dem Unternehmen zu entnehmen. Je nach dem Stand des Gesellschaftsvermögens kann man sagen, die GmbH-gebV gehöre sich selbst. Wegen der konsequenten Abkehr von Gewinnausschüttungen greift die GmbH-gebV auch weiter als die CSR.21 Während bei der GmbH-gebV der Gesellschaftszeck22 gerade nicht im Erwirtschaften von ausschüttungsfähigem Gewinn besteht, sondern nur im Erwirtschaften des für die Fortführung der Unternehmens notwendigen Kapitals, bleibt es bei einer an den Zielen der CSR orientierten Gesellschaft an der Ausschüttung von Gewinn an die Gesellschafter.23

Diese neue Form einer Kapitalgesellschaft eignet sich für Start-ups, Familiengesellschaften und mittelständige Unternehmen, bei denen sonst nur dieZHR 185 (2021) S. 629 (634) Stiftung in Betracht kommt mit den bekannten Nachteilen, und bedingt eine Kombination mit der GmbH. Wer als Treuhänder in der GmbH-gebV tätig ist, wird sich im Zweifel stärker für das Unternehmen engagieren als ein Gesellschafter, der im Prinzip jederzeit die Gesellschaft verlassen kann und dabei noch eine Abfindung zum Verkehrswert erhält.24 Bei der GmbH-gebV gibt es diese Abfindung schon im Ansatz nicht. Es wird auch kein Gewinn an die Gesellschafter ausgeschüttet. Die Leitungsmacht wird nicht an den nächsten genetischen Abkömmling übertragen, sondern an sog. Werte- und Fähigkeitenverwandte.25 Die Rechtsform der GmbH-gebV wird u.a. unterstützt durch das Wahlprogramm der Grünen. Dort heißt es auf S. 171 “Verantwortungseigentum stärken – Wir setzen uns für eine geeignete Unternehmensrechtsform für solche Unternehmen ein, die von den Unternehmer*innen nicht als ihr persönliches Eigentum betrachtet werden (keine Gewinnentnahme, nicht verkauf- oder vererbbar).”26

Was hat die GmbH-gebV mit dem Sorgfaltspflichtengesetz zu tun? Direkt wohl nichts, denn die treuhänderisch tätigen Gesellschafter sind genauso an dieses Gesetz gebunden wie jeder andere auch. Der Begriff Lieferkette oder GmbH-gebV taucht bei der GmbH-gebV gar nicht oder nur am Rande auf. Dennoch sollte man diesem Regelungssystem vor dem Hintergrund der Schwächen des Sorgfaltspflichtengesetzes angemessene Aufmerksamkeit schenken.

Das betrifft zunächst die Frage, ob der Gesellschaftszweck einer GmbH-gebV identisch sein kann mit dem einer Gesellschaft im Rahmen der CSR. Geht es in beiden Gesellschaften letztlich doch um Gewinnerzielung oder schlägt sich bei der GmbH-gebV die Gewinnerzielung gar nicht mehr als Gesellschaftszweck nieder?27 Ist die GmbH-gebV in Wahrheit nur eine Non-Profit-GmbH, wie es sie in jeder GmbH-Satzung geben kann? Diese Fragen würden den Rahmen eines Editorials sprengen und sollen deshalb hier unbeantwortet bleiben.

bb) Menschenrechte und Soft Skills

Als zweiten Ansatzpunkt für einen Vergleich der Regelungssysteme sind die sog. Soft Skills zu betrachten: Diese bezeichnen eine nicht abschließend definierte Vielzahl persönlicher Werte (z.B. Fairness, Respekt, Verlässlichkeit), persönlicher Eigenschaften (z.B. Gelassenheit, Geduld, Freundlich-ZHR 185 (2021) S. 629 (635)keit), individueller Fähigkeiten (z.B. Kritikfähigkeit, Zuhören, Begeisterungsfähigkeit, Umgang mit anderen Menschen, Teamfähigkeit, Empathie, Kommunikationsfähigkeit) von Führungskräften und Mitarbeitern, die die Kooperation und Motivation im Unternehmen begünstigen.28 Das alles lässt sich zusammenfassen unter den Obergriff Sozialkompetenz. Es ist das, was man in Bewerbungsgesprächen über seine fachlichen Fähigkeiten hinaus darzustellen versucht. Solche Fähigkeiten haben “Treuhand-Gesellschafter” eher als Manager, die auf den shareholder value verpflichtet sind. Hard Skills als Gegensatz zu Soft Skills umfassen die technischen und administrativen Kompetenzen. Sie sind zwar mindestens ebenso wichtig wie die Soft Skills. Ohne sie würde das Unternehmen nicht laufen. Gewinn wird in der GmbH-gebV aber gerade nicht ausgeschüttet, so dass deren Führungskräfte nicht auf die Erzielung von ausschüttungsfähigem Gewinn ausgerichtet sind. Die Ausschüttung von Gewinn ist sogar verboten. Folglich können die Soft Skills in einer GmbH-gebV sehr viel stärker ausgelebt werden als in einer herkömmlichen GmbH. Es muss genug Gewinn erwirtschaftet werden, damit das Unternehmen nicht insolvent wird. Die Gewinnanteile, die normalerweise an die Gesellschafter ausgeschüttet werden, bleiben aber im Unternehmen. Dass von diesem System auch die Menschenrechte profitieren, dürfte sich von selbst verstehen. Deshalb greift man nicht zu weit, wenn man die GmbH-gebV als eine Rechtsform bezeichnet, die eine gute Wirkung auf die Durchsetzung von Menschenrechten hat. Ob das noch weitergehend zutrifft, ist umstritten.29

e) Menschenrechte und Purpose

Weitgehend unbemerkt hat (auch) in Deutschland der Corporate Purpose-Gedanke Einzug gehalten. Darunter ist ein Managementkonzept zu verstehen, bei dem es “nicht um unternehmerische Wohltätigkeit geht, sondern um eine grundsätzliche Neuausrichtung hin zu verantwortungsvollen Unternehmen, die zugleich Gewinn und sozialen Nutzen stiften”. Corporate Purpose wird dabei als eine übergreifende Unternehmensphilosophie, ein Führungs- und Steuerungsinstrument für die gesamten Aktivitäten eines Unternehmens verstanden: A company's purpose is the reason for which it exists;30 oder kürzer: Purpose drives everything.31 Der Purpose-Gedanke ist Teil des Meinungs-ZHR 185 (2021) S. 629 (636)streits um das richtige Managementkonzept, reicht aber (noch) nicht für die Begründung einer herrschenden Meinung aus.32 Als einer von verschiedenen Gedanken ist das Purpose-Konzept aber durchaus zu beachten.

Wenn – wie in der CSR-Diskussion – privates Gewinnstreben und sozialer Nutzen Hand in Hand gehen, besteht eine Ausgangslage wie in der GmbH-gebV. Dort sind es die Soft Skills, die über die Besonderheiten dieser Gesellschaftsform Eingang in die Unternehmensphilosophie finden. Auf der Ebene des Corporate Purpose sind es wiederum die Soft Skills, die über die CSR Eingang in die Unternehmensführung und über das Betriebsklima Einfluss auf die gelebte Unternehmensphilosophie haben. Bei der GmbH-gebV mag der Einfluss der Soft Skills stärker sein als bei der Purpose-Philosophie. Aber auch dort dürfte sich die CSR auf die Beachtung der Menschenrechte positiv auswirken. Das sieht letztlich auch der Gesetzgeber so. Er hat mit dem Sorgfaltspflichtengesetz ein Regelungswerk zur Durchsetzung der Menschenrechte in Kraft gesetzt. Wenige Jahre zuvor hatte er mit § 289c Abs. 2 Nr. 4 HGB eine Vorschrift geschaffen, die ausdrücklich dem Schutz der Menschenrechte dienen soll. Auch die Kritiker des Purpose-Konzepts33 räumen ein, dass von der statutarischen Verankerung eine gewisse Signalwirkung für potenzielle Anleger und Stakeholder der Gesellschaft ausgeht. Damit war ein Appell an den Gesetzgeber gemeint.34 Einer derartigen Begrenzung bedarf das Purpose-Konzept aber nicht.

4. Fazit

Das Sorgfaltspflichtengesetz hat Schwächen. So fehlt eine deliktsrechtliche Anspruchsgrundlage. Diese Schwäche lässt sich nach derzeitigem Diskussionsstand nicht durch Elemente anderer Gesellschaftsformen beseitigen. Allenfalls eine europarechtliche Gesetzgebung könnte hier helfen. Aber auch die GmbH-gebV sollte in diesem Zusammenhang beobachtet werden, sobald sie das Licht der Welt erblickt hat. Eine GmbH-gebV wird mit den Soft Skills ihrer Belegschaft besser umgehen als eine herkömmliche GmbH. Im Prinzip dasselbe gilt auch für das Purpose-Unternehmenskonzept.

Lutz Strohn

1

BT-Drs. 19/28649.

2

Siehe etwa Habersack/Erl, AcP 219 (2019) 155, 158 ff.; Nach aktuellen Schätzungen der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) und von UNICEF verrichten weltweit 160 Mio. (!) Kinder Arbeiten unter Bedingungen, die sie ihrer elementaren Rechte und Chancen berauben.

3

Eine Verletzung dieser Regeln liegt etwa darin, dass in bestimmten Staaten Näherinnen während der Arbeit trotz enormer Hitze z.T. nichts trinken dürfen, um die produzierte Kleidung nicht zu verschmutzen. Viele Näherinnen leiden deshalb frühzeitig an Nierenerkrankungen. Siehe Deutschlandfunk Nova v. 26. 5. 2020.

4

FAZ v. 12. 6. 2021, 19.

5

Siehe etwa Wagner, ZIP 2021, 1095, 1101 ff.

6

So der Deutsche Anwaltverein e.V. in seiner Stellungnahme zum Regierungsentwurf eines Gesetzes über die unternehmerischen Sorgfaltspflichten in Lieferketten, NZG 2021, 546, Rdn. 4, 6; FAZ v. 28. 5. 2021, 17; Zur Verantwortlichkeit internationaler Unternehmen für Menschenrechtsverletzungen durch ausländische Lieferketten allgemein siehe Habersack/Ehrl, AcP 219 (2019) 155, 193 ff.; Schall, ZIP 2021, 1241, 1250; Wagner, ZIP 2021, 1095, 1101 ff.; MünchKommGmbHG/Liebscher, 3. Aufl. 2018, Anhang zu § 13 Rdn. 1205.

7

Keilmann/Schmidt, WM 2021, 717, 724: Graf von Westphalen, ZIP 2021 435.

8

Habersack/Ehrl, AcP 219 (2019) 155, 190 ff.; Rafsendjani/Klindt, Das neue Sorgfaltspflichtengesetz, Newsroom von Noerr v. 16. 2. 2021; Rudkowski, RdA 2020, 232, 233; Keilmann/Schmidt, WM 2021, 717, 720 ff.; differenzierend Weller/Thomale, ZGR 2017, 509, 523 ff.

9

Erläuterung der Kommissare Reynders und Schmit zu den Plänen der EU-Kommission für EU-weite Sorgfaltsstandards auf der Online-Konferenz “Globale Lieferketten – Globale Verantwortung”; siehe auch Gebhardt, GmbHR 2021, R116, 118.

10

CSR–RL-Umsetzungsgesetz v. 17. 10. 2016 – BT-Drs. 18/9982; Baumbach/Hopt/Merkt, HGB, 40. Aufl. 2021, § 289c Rdn. 2 f.

11

Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Böcking/Gros//Wirth, HGB, Bd. 1, 4. Aufl. 2020, § 289c Rdn. 1, 16.

12

Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Böcking/Gros//Wirth (Fn. 11).

13

Reich, AG 2021, R 52.

14

A.A. DAV-Stellungnahme (Fn. 6).

15

Palandt/Grüneberg, BGB, 80. Aufl. 2021, Einl. Rdn. 48.

16

Siehe dazu Palandt/Grüneberg (Fn. 14), Rdn. 55 f.

17

Siehe dazu etwa Plöger/Weitemeyer, BB 25/2021, “Die Erste Seite”; Reiff, NJOZ 2021, 609; Fischer/Fischer, BB 2020, 2122.

18

Dauner-Lieb, Sanders, Veil, Möslein, Kempny und Freeden; siehe aber auch die Kritik etwa bei Habersack, GmbHR 2020; 992 ff., Hüttemann/Schön, DB 2021, 1356; Grunewald/Hennrichs, NZG 2020, 1201 ff.; differenzierend Fischer/Fischer, BB 2020, 2122 ff.

19

Vgl. dazu Henssler/Strohn/ders., Gesellschaftsrecht, GmbHG, 5. Aufl. 2021, Rdn. 39, 61 ff.

20

Gesetzentwurf zu §§ 77k und 77l.

21

Dazu siehe Hüffer/Koch/ders., AktG, 14. Aufl. 2021, § 76 Rdn. 35.

22

Zum Gesellschaftszweck siehe BGHZ 96, 245, 251, 1. Leitsatz.

23

MünchKommAktG/Spindler, 5. Aufl. 2019, § 76 Rdn. 81 ff.

24

Zu den üblichen Abfindungsklauseln siehe MünchKommGmbHG/Strohn, 2. Aufl. 2015, § 34 Rdn. 244 ff.

25

Zum Vorstehenden siehe etwa Deutscher Bundestag, Wissenschaftliche Dienste, Aktueller Begriff: Verantwortungseigentum; Stiftung Verantwortungseigentum, https://stiftung-verantwortungseigentum.de/ Skalitzer Str. 100, 10997 Berlin; Schumacher, IHK Braunschweig, Nr. 5150724.; Bruch/Fratzscher/Fuhrmann/Sanders, FAZ v. 27. 11. 2020, 18.

26

Grüne Argumente von A bis Z – Bundestagswahl, 2021, S. 171.

27

Dazu siehe Scholz/Cramer, GmbHG, 12. Aufl. 2018, § 1 Rdn. 8 ff.

28

Gabler Wirtschaftslexikon: Ausführliche Definition im Online-Lexikon, Stand 14. 2. 2018; Online Marketing Lexikon: gemeint “sind Schlüsselkompetenzen, die in drei Kategorien eingeteilt werden können. Persönliche, soziale und methodische Kompetenzen.”

29

Fleischer, ZIP 2021, 5, 13.

30

Financial Reporting Council, Guidebook on Board Effectiveness, July 2018.

31

Fleischer, ZIP 2021, 5, 6: Habersack, GmbHR 2020, 992 ff.

32

Fleischer, ZIP 2021, 5, 15.

33

Fleischer, ZIP 2021, 5, 13.

34

Mayer, Prosperitiy, Better Business Makes the greater Good, 2018 (Fleischer, ZIP 2021, 5, Rdn. 6).

 
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