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ZHR 170 (2006), 489-497
Schmidt-Aßmann 

Anschluss- und Benutzungszwang bei der Fernwärmeversorgung: Kommunalem Aktivismus Grenzen setzen!

In einer freiheitlichen Wirtschaftsordnung sollten staatlich verordnete Bezugspflichten, die zur Bedarfsdeckung bei einem Monopolisten zwingen, auf Ausnahmetatbestände begrenzt sein. Zu solchen Tatbeständen zählen traditionell die Vorschriften der Gemeindeordnungen, die die Kommunen ermächtigen, für die Grundstücke ihres Gebietes den Anschluss- und Benutzungszwang für eine Reihe daseinsvorsorgender Einrichtungen einzuführen1. Historisch ging es dabei zunächst um Maßnahmen gemeindlicher Hygiene und Gefahrenvorsorge: sauberes Trinkwasser, ordnungsgemäße Abfallbeseitigung. Einrichtungen der kommunalen Abfall- und Abwasserbeseitigung sowie der Wasserversorgung (nicht dagegen Einrichtungen der Gas- und Elektrizitätsversorgung) bildeten so den harten Kern der Einrichtungen, für die der Anschluss- und Benutzungszwang begründet werden konnte, in den Gemeindeordnungen ergänzt um einzelne ähnlich motivierte Typen von Einrichtungen und abgerundet durch die den Zweck des gesamten Instituts noch einmal kennzeichnende Klausel „und ähnliche der Volksgesundheit dienende Einrichtungen“.

Einiges ist seither in umweltrechtliche Fachgesetze abgewandert, die wie z.B. das Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz die entsprechenden Pflichten eigenständig festlegen und dem gemeindlichen Satzungsrecht nur noch die Ausgestaltung des Zwanges überlassen. Hinzugekommen sind in den Gemeindeordnungen dagegen seit den 1980er Jahren Vorschriften über den Anschluss- und Benutzungszwang an die kommunale Fernwärmeversorgung2 – eine Erweiterung, die allerdings von Anfang an immer wieder für Streit gesorgt hat. Die von anschluss- und nutzungsverpflichteten Grundeigentümern angerufenen Gerichte wollten genauer wissen, worin denn die legitimierenden Gründe, eine wirkliche Verbesserung der lokalen Immissionssituation, zu sehen wären; denn schließlich geht es hier nicht um die sympathische Form frei anbietender Daseinsvorsorge, sondern um die Statuierung von Zwängen, die die Eigenversorgung ebenso ausschließen wie die Nutzung anderer Energie¬ZHR 170 (2006) S. 489 (490)träger und den Bezug von anderen Anbietern. Immerhin war es aber, was den lokalen Ursprung der legitimierenden Gründe angeht, in der Folgezeit zu einer gewissen Beruhigung und Klärung in der Judikatur und der kommunalen Praxis gekommen.

Fünf Urteile, die der 8. Senat des Bundesverwaltungsgerichts in den letzten zwei Jahren gesprochen hat, indizieren jetzt jedoch erneut Streit und praktische Unsicherheiten, die die Gemeinden und ihre Spitzenverbände durch mancherlei Betriebsamkeit in das Recht des Anschluss- und Benutzungszwangs hineingetragen haben. Dabei ist schon die Zahl der höchstrichterlichen Entscheidungen beachtlich; denn als Landesrecht ist das Kommunalrecht eigentlich ein Gebiet, das die Leipziger Richter anders als etwa das Bauplanungs- und Umweltrecht eher selten beschäftigt. Im Revisionsrechtszug kann es zudem nur um die Frage gehen, ob die Instanzgerichte bei der Auslegung des Landesrechts das Bundesrecht (einschließlich Bundesverfassungsrecht und EG-Recht) dadurch verletzt haben, dass sie die entsprechenden landesrechtlichen Ermächtigungsgrundlagen zu weit ausgelegt und damit unzulässig in die Grundrechte und Grundfreiheiten der Anschlusspflichtigen eingegriffen haben, oder aber, ob sie es umgekehrt zu eng interpretiert und der Gemeinde damit unter Verstoß gegen die Selbstverwaltungsgarantie des Art. 28 Abs. 2 GG Handlungskompetenzen abgeschnitten haben. Die Auslegung der einschlägigen Tatbestände der Gemeindeordnungen im Übrigen ist nicht Gegenstand der Revisionsurteile.

Die aktuellen Streitthemen aber werden deutlich: Zum einen geht es um die Auswirkungen kommunaler Privatisierungsaktionen auf den Anschluss- und Benutzungszwang (1.) und zum anderen um die Aktivierung der zwangsweise verordneten Fernwärmeversorgung für eine sog. globale Klimapolitik (2.).

1. Im ersten Privatisierungsfall hatte eine sächsische Gemeinde die zunächst von ihr selbst betriebene Versorgung mit Fernwärme vertraglich auf ein privates Unternehmen übertragen, das für sie im eigenen Namen und auf eigene Rechnung handeln sollte. Der schon bestehende Anschluss- und Benutzungszwang war aufrechterhalten worden und versetzte das private Unternehmen in die komfortable Situation, einen hoheitsrechtlich zugewiesenen festen Kundenstamm zu besitzen. Auf Normkontrollantrag einer bezugsverpflichteten Eigentümerin erklärte das sächsische Oberverwaltungsgericht die den Anschluss- und Benutzungszwang begründende Satzung für unwirksam, weil die gesetzliche Ermächtigung einen solchen Zwang nur für öffentliche Einrichtungen vorsehe, für die die Verantwortung gegenüber dem Bürger bei der Gemeinde liegen müsse. Die dagegen gerichtete Revision der Gemeinde hatte keinen Erfolg.

a) Das Bundesverwaltungsgericht sah in der irrevisiblen Auslegung und Anwendung des sächsischen Landesrechts keinen Verstoß gegen die durch Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG geschützte kommunale Organisationshoheit3. Der ZHR 170 (2006) S. 489 (491)herrschenden Dogmatik entsprechend, unterscheidet das Gericht zwischen einem Kernbereich und einer diesem Bereich vorgelagerten Garantiezone4.

Der Kernbereich der Garantie war nach Überzeugung des Gerichts schon deshalb nicht verletzt, weil die Bindung des Anschluss- und Benutzungszwangs an die Organisationsform einer öffentlichen Einrichtung lediglich bestimmte Sachbereiche betreffe, so dass jedenfalls nicht davon gesprochen werden könne, dass die organisatorischen Gestaltungsmöglichkeiten der Gemeinde allgemein durch eine solche Bindung „erstickt“ würden. Aber auch im Vorfeld der Sicherung des Kernbereichs sei Art. 28 Abs. 2 GG nicht verletzt, weil der Gemeinde bei der Ausgestaltung ihrer Fernwärmeversorgung ein hinreichend weiter Spielraum verbleibe: Neben einer eigenen Betriebsführung nach hoheitlichen Kriterien komme ihr eine formelle Privatisierung durch Betrauung einer kommunalen Eigengesellschaft zu; ferner stünden „Mittel des Privatrechts“ zur Aufgabenbewältigung und Aufgabendurchführung zur Verfügung, ohne dass in diesem Urteil Veranlassung bestand, diese Möglichkeit genauer aufzuzeigen; auch die Möglichkeit, Versorgung ohne Zwang zu ermöglichen, wird der Gemeinde in Erinnerung gerufen. Diese Möglichkeiten reichen aus, um weiterhin von einer kommunalen Organisationshoheit sprechen zu können.

Entschieden tritt das Bundesverwaltungsgericht schließlich der Auffassung der Gemeinde entgegen, die oberverwaltungsgerichtliche Entscheidung habe sie in ihrem Eigentumsgrundrecht aus Art. 14 Abs. 1 GG verletzt. Interessant ist in diesem Zusammenhang weniger die Bestätigung der herrschenden Rechtsansicht, dass Gebietskörperschaften nicht grundrechtsberechtigt sind5, sondern die zusätzliche Klarstellung: „Sinn und Zweck eines Anschluss- und Benutzungszwanges liegt im Übrigen nicht darin begründet, einen finanziellen Vorteil beim Verkauf gemeindlicher Einrichtungen zu erwirtschaften“.

b) In einem Urteil vom selben Tage zeigt das Gericht gemeindlichen Privatisierungsaktivitäten weitere Grenzen auf6. Die mit der Revision angegriffene Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts Schleswig hatte den Begriff der „öffentlichen Einrichtung“, für die nach schleswig-holsteinischem Recht der Anschluss- und Benutzungszwang vorgeschrieben werden darf, sehr weit gefasst und dabei nur auf die Allgemeinheit des Bereitstellungszwecks, nicht aber auf eine engere organisationsrechtliche Anbindung an die Gemeinde abgestellt. Das Bundesverwaltungsgericht sah sich an diese Auslegung gebunden, verwies aber als Korrektiv auf den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, der sich aus den Grundrechten der Anschlusspflichtigen ergibt: Die Versorgung, die die Bürger von einer solchen öffentlichen Einrichtung zwangsweise bezie¬ZHR 170 (2006) S. 489 (492)hen müssen, muss im gleichen Umfang gesichert sein, als wenn die Einrichtung von der öffentlichen Hand selbst getragen wird. Das kann die Gemeinde nur garantieren, wenn sie sich durch Einwirkungs- und Kontrollrechte hinreichenden Einfluss auf den privaten Betreiber sichert. Welche Rechte das im Einzelnen sein müssen, gibt das Bundesrecht nicht vor. Der Senat nennt aber Beispiele für die notwendigen Ingerenzmöglichkeiten: gesellschaftsrechtliche Beteiligungen, aber auch Maßnahmen der Vertragsgestaltung, wie z.B. Selbsteintritts-, Übernahme- oder Vetorechte der Gemeinde, Genehmigungs- und Abstimmungspflichten des Betreibers mit der Gemeinde bezüglich der Preisgestaltung und des Ausbaus der Anlage. Deutlich herausgestellt wird schließlich, dass das Verhältnismäßigkeitsprinzip zugunsten der privaten Anschlusspflichtigen nur dann gewahrt ist, wenn sich die Gemeinde solche Möglichkeiten nicht nur für den Fall des Ausfalls des Betreibers, z.B. durch Übernahmerechte oder vorzeitige Kündigungsrechte vorbehält, sondern dass es notwendig sei, auch zur Sicherung der zuverlässigen Versorgung Anpassungen an technische Verbesserungen zugunsten des angestrebten Immissionsschutzes fordern zu können.

Einer kommunalen Politik, die die Versorgungseinrichtungen vollständig privatisieren, auf der anderen Seite aber dem neuen Betreiber durch hoheitlichen Zwang einen festen Kundenstamm sichern möchte, sind damit deutlich Grenzen gesetzt. Die Grenzen ergeben sich aus Bundesrecht und gelten folglich unabhängig davon, inwieweit sie im landesrechtlichen Kommunalrecht anerkannt sind.

2. Ambivalent fällt die Rechtsprechungsanalyse dagegen im Blick auf den Einsatz des Anschluss- und Benutzungszwangs für eine globale Klimapolitik aus, zu der sich Gemeinden aufgerufen sehen. Die ältere oberverwaltungsgerichtliche Rechtsprechung hatte, an den Gedanken der Volksgesundheit anknüpfend, den Anschluss- und Benutzungszwang für Fernwärme auf Fälle beschränkt, in denen sich die Vorteile einer solchen Versorgung gegenüber Einzelfeuerungsanlagen mindestens auch in der Gemeinde selber nachweisen lassen. Der Zwang dient solchermaßen auch der Gefahrenvorsorge; das öffentliche Interesse zu seiner Anordnung muss aber auch lokal bestimmt sein. Doch zeigten sich an diesem Punkt nach und nach mancherlei Ausuferungstendenzen. Waren es zunächst allgemeine energiepolitische Gründe, so wurden es im Lichte des Art. 20a GG allgemeine Klimaschutzgründe, die zu einem recht unbefangenen Umgang mit dem zur Legitimierung des Zwangs notwendigen „öffentlichen Bedürfnis“ einluden.

a) Ein Beispiel dafür bildet eine Entscheidung des schleswig-holsteinischen Oberverwaltungsgerichts aus dem Jahre 20027. Danach soll es bei der Anordnung des entsprechenden Zwangs nicht darauf ankommen, ob die Fernwärmeversorgung örtlich in nennenswertem Umfang zur Luftreinhaltung beiträgt, wenn sie nur bei globaler Betrachtung unter Einbeziehung ersparter ZHR 170 (2006) S. 489 (493)Kraftwerksleistungen an anderer Stelle zu einer beachtlichen Verringerung des Schadstoffausstoßes führt. Das OVG stützte sich darauf, dass der Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen in eine erweiterte Fassung der einschlägigen Ermächtigungsnorm des schleswig-holsteinischen Gemeinderechts einbezogen worden sei. Diese gesetzliche Entscheidung sah das OVG als Freibrief an, um den Anschluss- und Benutzungszwang allein mit globalen Überlegungen zu legitimieren, obwohl die entsprechende gemeindliche Satzung selbst ausdrücklich nur den lokalen Immissionsschutz als ihr Ziel genannt hatte.

Einer so leichtfertigen Verschiebung der legitimierenden Gründe vom konkreten Immissions- zum allgemeinen Klimaschutz ist das Bundesverwaltungsgericht im Urteil vom 28. 4. 2004 entgegengetreten8. Das Gericht ruft in Erinnerung, dass der Anschluss- und Benutzungszwang eine Maßnahme ist, die in die Freiheitsrechte der Bürger eingreift und folglich nur als verhältnismäßig gelten kann, wenn sie geeignet ist, den angestrebten Zweck zu fördern. Unmissverständlich heißt es: „Die Eignung der Maßnahme, irgendeinen im öffentlichen Interesse liegenden Zweck zu fördern, genügt nicht. Auch wenn dieser Zweck als Teil des in Art. 20a GG genannten Schutzes der natürlichen Lebensgrundlagen Verfassungsrang hat, gilt nichts anderes.“ Die Gemeinde wird sodann an ihrem selbstgesetzten Zweck, konkrete Verbesserungen des Immissionsschutzes in ihrem Gebiet zu erzielen, nicht aber Klimaschutz zu betreiben, festgehalten. Sie muss ihre Maßnahmen an der Erreichung dieses von ihr selbst gesetzten Zieles messen lassen. Eine substantielle Schranke gegen ausgreifenden kommunalen Aktionismus ist das nicht (vgl. unter d). Aber es wird immerhin höchstrichterlich Konsistenz zwischen ausgeflaggtem Ziel und Möglichkeiten der Zielerreichung angemahnt.

b) Materielle Schranken setzte ein Urteil des Verwaltungsgerichtshofs Mannheim aus dem Jahre 20049. Es bezieht sich auf die ältere Fassung des § 11 der baden-württembergischen Gemeindeordnung, in der von einem Einsatz des Anschluss- und Benutzungszwangs für Zwecke des Klimaschutzes noch nicht die Rede war. Der VGH tritt Versuchen entgegen, diese Fassung mithilfe des Art. 20a GG durch Interpretation zu erweitern. Ein öffentliches Bedürfnis im Sinne der Ermächtigungsnorm ist nach seiner Auffassung nur gegeben, wenn durch den Anschluss- und Benutzungszwang nach objektiven Maßstäben das Wohl der Gemeindeeinwohner gefördert wird. Die rechtfertigenden Gründe des öffentlichen Wohls müssen einen hinreichenden örtlichen Bezug aufweisen. Der VGH verwies insofern auf das Tatbestandsmerkmal der „Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft“ in Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG und seine begrenzende Funktion. Eine Gemeinde kann diese Grenze auch unter Rückgriff auf Art. 20a GG nicht überspielen. Wenn der Klimaschutz von den Gemeinden, unabhängig von unmittelbaren örtlichen Auswirkungen, als ein zentrales Ziel mit der Anordnung des Anschluss- und Benutzungszwangs ver¬ZHR 170 (2006) S. 489 (494)folgt werden soll, so ist nach Auffassung des VGH der Gesetzgeber gefordert, den Gemeinden eine solche Aufgabe ausdrücklich und zweifelsfrei zuzuweisen. Wie weit der Landesgesetzgeber selbst hier bestimmten Schranken unterliegt, wurde nicht entschieden; immerhin wurden aber mit Hinweis auf Art. 28 Abs. 2 GG verfassungsrechtliche Bedenken angedeutet, ob der Landesgesetzgeber frei sei, den Gemeinden „Aufgaben ohne jeden örtlichen Bezug zur Selbstverwaltung zu übertragen“.

Die dagegen eingelegte Revision der Gemeinde blieb ohne Erfolg. In seinem Urteil vom 23. 11. 2005 weist das Bundesverwaltungsgericht darauf hin, dass die Anordnung des Anschluss- und Benutzungszwangs, die jedenfalls das Grundrecht aus Art. 2 Abs. 1 GG einschränke, einer gesetzlichen Ermächtigung bedürfe und nicht von vornherein dem Inhalt der gemeindlichen Satzungshoheit angehöre und daher auch nicht automatisch von der Garantie des Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG umschlossen sei10. Auch ein Rückgriff auf Art. 20a GG rechtfertigt nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts den Erlass grundrechtseingreifender Satzungen nicht. Die Vorschrift ermöglicht der Gemeinde „weder Maßnahmen des Umweltschutzes losgelöst von ihrem Kompetenzbereich an sich zu ziehen, noch ihnen einen absoluten Vorrang einzuräumen mit der Konsequenz, dass Grundrechtseinschränkungen im Bereich des Umweltschutzes immer zu tolerieren wären“11.

c) Die restriktive Linie hat die kommunale Seite nicht ruhen lassen: Im Jahr 2005 wurde im baden-württembergischen Landtag eine Ausweitung der Eingriffsermächtigung des § 11 der Gemeindeordnung (GemO) – freilich nur eine begrenzte – beschlossen12. Der Anschluss- und Benutzungszwang darf nunmehr auch für Einrichtungen vorgesehen werden, die „dem Schutz der natürlichen Grundlagen des Lebens einschließlich des Klima- und Ressourcenschutzes“ dienen. Die parlamentarischen Beratungen des entsprechenden Gesetzentwurfs zeigten erneut die Konfliktlinien13. Der baden-württembergische Gemeindetag verlangte rigoros, den Anschluss- und Benutzungszwang aus allgemeinen Klimaschutzgründen ohne jeden spezifischen örtlichen Bezug vorzusehen. Hier wurde einmal mehr ein auch sonst im kommunalen Wirtschaftsrecht erkennbarer Drang der Gemeinden deutlich, ins Globale auszugreifen, statt sich mit den Angelegenheiten, die in der örtlichen Gemeinschaft wurzeln und zu ihr einen spezifischen Bezug haben, zu befassen: Aktivitäten über die eigenen Grenzen, ja den regionalen und den staatlichen Rahmen hinaus in die Ferne, obwohl das Gute, mindestens aber das Erforderliche doch so nahe liegt! Wer wird hier nicht an die Vorgänge auf dem 64. Deutschen ZHR 170 (2006) S. 489 (495)Juristentag 2002 in Berlin erinnert, als in großer Zahl angereiste Vertreter der Kommunalwirtschaft alle diesbezüglichen Grenzen kommunaler Wirtschaftstätigkeit, die insbesondere der Gutachter des DJT sorgsam entwickelt hatte, niederstimmten, um Gemeinden als global player profilieren zu können14.

Bei der Novellierung des § 11 der GemO haben sich Landesregierung und Landtag Baden-Württembergs von den kommunalen Wünschen nach einer uneingegrenzten Ermächtigung zum Anschluss- und Benutzungszwang allerdings nicht beeindrucken lassen. Zutreffend weist die amtliche Begründung des Regierungsentwurfs darauf hin, dass ein Bezug zur örtlichen Gemeinschaft von relevanter Bedeutung vorhanden sein müsse. Er ist im Gesetzestext im Tatbestandsmerkmal des öffentlichen Bedürfnisses nach wie vor mit angelegt. Dabei wurde auch auf die verfassungsrechtlichen Bedenken hingewiesen, die der VGH mit dem Hinweis auf den ultra-vires-Gedanken in Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG geäußert hatte. Die Verfolgung übergreifender Klimaschutzziele ohne spezifischen Bezug zur gemeindlichen Ebene, bei der ein Anschluss- und Benutzungszwang allein auf das Erfordernis des globalen Klimaschutzes gestützt wird, sei – so heißt es weiter – Sache des Bundes- oder Landesgesetzgebers, dem es kraft seiner konkurrierenden Gesetzgebungsbefugnisse für das Immissionsschutzrecht (Art. 74 Abs. 1 Nr. 24 GG) zustehe, Regelungen auch von überörtlicher Bedeutung oder mit globalem Bezug im Immissionsschutzrecht zu treffen, ohne dass damit die Frage nach der konkreten Gebietsbezogenheit verbunden wird15. Für das baden-württembergische Kommunalrecht ist danach von einer engen Interpretation der erweiterten Eingriffsbefugnis auszugehen.

d) Nicht vollständig zu überzeugen vermag dagegen das derzeit jüngste Urteil des Bundesverwaltungsgerichts, eine Entscheidung vom 25. 1. 200616. Sie betrifft einen Fall, in dem der Anschluss- und Benutzungszwang überhaupt nur bei globaler Betrachtung unter Einbeziehung ersparter Kraftwerksleistung an anderer Stelle zu einer Verringerung des Schadstoffausstoßes führte.

Trotz der Beschränkungen eines Revisionsgerichts hätten hier der kommunalen Praxis und der sie deckenden Rechtsprechung des OVG Schleswig deutlichere Grenzen gesetzt werden müssen. Das Bundesverwaltungsgericht stellt zwar zutreffend heraus, dass der Gesetzgeber den Gemeinden auch Aufgaben jenseits ihres originären Aktionsrahmens zuweisen darf, und macht damit deutlich, dass ein nur mit globalen Zielen zu rechtfertigender Zwang jedenfalls nicht schon von Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG gedeckt ist. Das Gericht gibt sich jedoch, was die Rechtfertigung des Eingriffscharakters gegenüber Grundrechts¬ZHR 170 (2006) S. 489 (496)trägern betrifft, mit recht pauschalen Feststellungen der Vorinstanz zufrieden17. Es sind die üblichen gut gemeinten Gründe, die für einen kommunalen Klimaschutz im Weltmaßstab angeführt werden und unter denen natürlich auch das Kyoto-Protokoll nicht fehlen darf. Der in diesem Zusammenhang ebenfalls genannte Handel mit Treibhausgasemissionszertifikaten hätte das Gericht eigentlich jedoch auf einen anderen Gedanken bringen sollen: Wenn man sich ansieht, mit welcher Unbefangenheit die Politik die Rahmenbedingungen dieses Systems festlegt und dabei Verschmutzungsrechte in Höhe von Millionen Tonnen Kohlendioxid hin und her verhandelt und verschiebt18, hätte es nahe gelegen, sich einmal mit den Größenordnungen der Einsparungen zu beschäftigen, die die im kommunalen Rahmen erzwungene Zentralversorgung im Verhältnis zu Einzelfeuerungsanlagen erbringen kann, um von hier aus nach der grundrechtlichen Erforderlichkeit eines allein global motivierten Anschluss- und Benutzungszwangs zu fragen. Wahrscheinlich bewendet es sich bei „Spurenelementen“ von Zusatzeffekten mit „edukatorischer Beimischung“.

Das Gericht habe mit der Entscheidung vom 25. 1. 2006 den Weg für landes- und kommunalrechtliche Regelungen frei gemacht, um der Staatszielbestimmung des Art. 20a GG auch im kommunalen Bereich verstärkt Geltung schaffen zu können, kommentiert ein Mitglied des 8. Senats im juris Praxis-Report das Urteil19. Trifft das wirklich die Situation? Die Gemeinden verfügen längst über ein ausgefeiltes Instrumentarium, um dem Umweltschutz Rechnung zu tragen. Daran will niemand etwas ändern. Gestützt auf diese Kompetenzen ist der Anschluss- und Benutzungszwang an die kommunale Fernwärmeversorgung auch bisher schon angeordnet worden, um Verbesserung der Immissionssituation in den Gemeinden zu erreichen. Alles spricht dafür, die kommunalen Kompetenzen auf diesen Raum zu beziehen, in dem die entsprechenden ZHR 170 (2006) S. 489 (497)Bedürfnisse entstehen und entsprechenden Erfolge kontrolliert werden können. Andernfalls verschieben sich die Größenverhältnisse und das rechte Maß der zu leistenden Beiträge. Wenn sich Gemeinden darüber hinaus den globalen Klimaschutz trotzdem auf ihre Fahnen schreiben wollen, mögen sie es tun – aber bitte ohne Zwang!

Eberhard Schmidt-Aßmann

1

Zur Entwicklung Faber, Der kommunale Anschluss- und Benutzungszwang, 2005, S. 37ff.

2

Wagener, Anschluß- und Benutzungszwang für Fernwärme, 1989 (zum nordrheinwestfälischen Recht).

3

BVerwG vom 6. 4. 2005 – Az.: 8 CN 1.03 = Buchholz 415.1 Nr. 153 = NVwZ 2005, 963.

4

Dazu Schmidt-Aßmann/Röhl, Kommunalrecht, in: Schmidt-Aßmann (Hrsg.), Besonderes Verwaltungsrecht, 13. Aufl. 2005, Rdn. 20ff.

5

So grundlegend BVerfGE 61, 82, 100 ff.

6

BVerwG vom 6. 4. 2005 – Az.: 8 CN 1.04 = Buchholz 415.1 Nr. 154 = NVwZ 2005, 1074.

7

OVG Schleswig vom 31. 8. 2002, NuR 2003, 55 ff.

8

Az.: 8 C 13.03 = Buchholz 415.1 Nr. 152 = NVwZ 2004, 1131.

9

VGH Mannheim vom 18. 3. 2004, NuR 2004, 668ff.

10

Az.: 8 C 14.04 = NVwZ 2006, 595ff.

11

BVerwG vom 23. 11. 2005 (Fn. 10), Tz. 21.

12

Gesetz vom 28. 7. 2005, GBl. BW, S. 578.

13

Vgl. den „Entwurf eines Gesetzes zur Änderung kommunalverfassungsrechtlicher Vorschriften“ der baden-württembergischen Landesregierung vom 9. 6. 2005, Landtags-Drucks. 13/4385.

14

Dazu die Abstimmungsergebnisse in Verhandlungen des 64. DJT, Sitzungsberichte Bd. II/2, insbes. zu Thesen Nr. 16–21, und die Berichte von Henneke, in: Der Landkreis 2002, 644ff. mit dem Untertitel „Wie Elefanten im Porzellanladen ganze Arbeit leisten“; ähnlich H. Meyer, Das kommunale Wirtschaftsrecht im Zerrspiegel der Beschlüsse des 64. DJT, NVwZ 2002, 1479ff.

15

So in Landtags-Drucks. 13/4385, 16 f.

16

Az.: 8 C 13.05 = DVBl. 2006, 781ff.

17

Die in diesem Zusammenhang zitierte Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 28. 2. 2002 (Az.: 1 BvR 1676/01 = NJW 2002, 1638 f.) – eine Kammerentscheidung, die sich mit dem Schutz vor hypothetischen Gefährdungen durch Mobilfunkanlagen beschäftigt – rechtfertigt eine solche falsch verstandene Großzügigkeit schon deshalb nicht, weil es dort um eine schutzrechtliche Fragestellung ging, während vom Bundesverwaltungsgericht eine abwehrrechtliche Frage zu beurteilen war.

18

Von „äußerst bescheidenen Reduktionsverpflichtungen“ spricht der Sachverständigenrat für Umweltfragen in seinem Gutachten „Die nationale Umsetzung des europäischen Emissionshandels: Marktwirtschaftlicher Klimaschutz oder Fortsetzung der energiepolitischen Subventionspolitik mit anderen Mitteln?“, 2006, unter 3.3, Tz. 20. Noch deutlicher heißt es dort (Tz. 21): „Um die Modernisierungsanreize für den Kraftwerkspark zu moderieren, wurden auch die Reduktionsziele bereits im Makroplan erheblich aufgeweicht und fielen hinter die ursprüngliche Selbstverpflichtung der Industrie zurück.“ Zu administrativen Komplikationen vgl. Dolde, Der normativ erzwungene Markt – Zum Handel mit Emissionszertifikaten, ZHR 2005, 423ff.

19

Postier, juris PR-BVerwG 10/2006, Anm. 2.

 
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