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ZFWG 2019, 329
Krüper/Unger 

Ein Strukturwandel des Glücksspielrechts tut not

Abbildung 1

Abbildung 2

Die Reform des Glücksspielrechts ist ein Dauerthema, nach dem Änderungsstaatsvertrag ist vor dem Änderungsstaatsvertrag. Mit den Sportwetten und dem Online-Glücksspiel richtet sich die Aufmerksamkeit zurzeit auf die prekärsten Baustellen. Dabei gerät aus dem Blick, dass mit dem GlüStV 2012 in verschiedener Hinsicht Wege beschritten wurden, die die Tektonik des geltenden Glücksspielrechts in Bewegung setzen und langfristig seinen strukturellen Wandel nötig machen. Zwei Aspekte sind hier bestimmend:

1. In Deutschland ist das Glücksspielrecht traditionell als Gefahrenabwehrrecht konzipiert, nicht als Marktordnungsrecht. Diese überkommenen Koordinaten sind im GlüStV 2012 in den Bereichen Spielhallen (wohl unbeabsichtigt) sowie Sportwetten (beabsichtigt) durch die künstliche Verknappung des bestehenden Marktzugangs bzw. die erstmalige Eröffnung eines verknappten Marktzugangs verschoben worden. Beide Bereiche werden in der Folge auch durch Verteilungsentscheidungen reguliert. Aber auch die monopolistische Versiegelung einzelner Märkte (Lotto) und das Verbot ihrer Entwicklung (Online-Glücksspiel) zielen auf Marktordnung.

2. Zugleich wird spielformenübergreifend eine immense Durchsetzungskrise des Glücksspielrechts deutlich: Die Länder und Gemeinden setzen und vollziehen, teils contra pactum, das Spielhallenrecht mehr oder minder freihändig, das illegale Automatenspiel blüht, Sportwetten existieren in einer legalen Grauzone, Zweitlotterien unterlaufen das Lotteriemonopol, das verbotene Online-Glücksspiel boomt, neue und unregulierte Glücksspielformen entstehen. Dieses Vollzugsdefizit aller Orten stellt dabei die Ernsthaftigkeit der Länder im Hinblick auf die Durchsetzung der Ziele des § 1 GlüStV und damit auch deren eingriffslegitimierende Kraft grundlegend in Frage.

Es ist daher ebenso naheliegend wie notwendig, eine grundlegende Neuordnung des Glücksspielrechts in den Blick zu nehmen, die den gefahrenabwehrrechtlichen Ansatz nicht aufgibt, aber in ein produktives Verhältnis zu markt- und wettbewerbsordnenden Elementen setzt, gerade um die Durchsetzung jener Gemeinwohlbelange zu fördern, deren Realisierung bislang mehr Lippenbekenntnis als Wirklichkeit ist. Anknüpfen könnte der Glücksspieldiskurs dabei an die rechtswissenschaftliche Diskussion über ein „Öffentliches Wettbewerbsrecht“, das bislang vorrangig im Hinblick auf regulierungsrechtliche Fragen der Netzwirtschaften diskutiert wird.1

Der Wettbewerbsbezug ist dabei nicht im Sinne eines libertären „anything goes“ misszuverstehen. Es geht vielmehr um die aufeinander abgestimmte Ermöglichung, Sicherung, Lenkung und Gewährleistung von Wettbewerb unter Berücksichtigung marktfremder Gemeinwohlziele. Eine wettbewerbsorientierte Regulierung wird dabei durch das Unionsrecht forciert, gerade im Hinblick auf das Lottomonopol und quantitative Verknappungen des Marktzugangs. Umgekehrt können Gesichtspunkte der Gefahrenabwehr in einem wettbewerbsorientierten Ansatz unter dem Aspekt der Lenkung des Wettbewerbs verarbeitet werden. Darin liegt der verfassungsrechtlich abgesicherte Kern der geltenden gefahrenabwehrrechtlichen Konzeption, die zudem im Gefahrenabwehrrecht als einer „Auffangordnung“ fortlebt. Zugleich rücken aber auch Fragen nach der Möglichkeit und der Notwendigkeit der Ordnung und Abgrenzung von Märkten, wie sie (zunehmend dysfunktional) durch die Spielformentrennung erfolgt, immer stärker in den Blick.

Die Öffnung des Glücksspielrechts hin zu einer Ordnung wechselseitiger Ergänzung von Gefahrenabwehr- und öffentlichem Wettbewerbsrecht kann vor allem über den Einsatz von ökonomischen Anreizstrukturen das Glücksspielangebot am Markt in Richtung stärkerer Gemeinwohlver¬ZfWG 2019 S. 329 (330)träglichkeit lenken. Dabei können moderne Regulierungsinstrumente wie Zertifizierung und Akkreditierung und Mechanismen der privaten Rechtsdurchsetzung zum Einsatz kommen. Gerade darin läge ein hochwirksames Instrument, um illegales Glücksspiel, gerade auch auf dem Markt des gewerblichen Automatenglücksspiels, zu bekämpfen.

Eine Umorientierung der Regulierung tut also not, um eine neue Generation des Glücksspielrechts zu begründen. Diese muss eine Regulierung des Wettbewerbs leisten, die den natürlichen Spieltrieb der Bürger endlich wirksam in legale Märkte lenkt und legale Anbieter stärkt, die Behörden und Gerichte mit adäquaten und wirksamen Instrumenten der Marktordnung ausstattet und sich gezielt wettbewerblicher Anreize bedient, um die besondere Gemeinwohlbindung des Glücksspiels zu realisieren und nicht bloß zu postulieren. Von heute auf morgen geht das nicht, aber ein Anfang sollte gemacht werden.

Prof. Dr. Julian Krüper und Prof. Dr. Sebastian Unger, Bochum*

1

Kirchhof/Korte/Magen (Hrsg.), Öffentliches Wettbewerbsrecht, 2014.

*

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