UVP-Streichpreise und Verbraucherschutz: Welcher Verbrauchertypus soll hier eigentlich geschützt werden?
Sascha Pres
RA Dr. Sascha Pres
Indiziert auf einmal jeder durchgestrichene Preis eine (referenzpreispflichtige) Eigenpreisermäßigung? Hat der Verkehr plötzlich völlig vergessen, was eine „Unverbindliche Preisempfehlung“ (UVP) ist? Sind die Durchschnittsverbraucher seit Kurzem wieder naiv und dem unnachgiebigen, profitgetriebenen Marktgebaren werbender Unternehmen schutzlos ausgeliefert?
Diesen Eindruck kann man jedenfalls gewinnen, wenn man die Erstinstanzentscheidungen aus Köln (16.07.2025 – 84 O 92/24, juris), München (14.07.2025 – 4 HK O 13950/24, n. v.) und Düsseldorf (04.04.2025 – 38 O 284/24, juris) versucht zu verdauen, die – mit unterschiedlichen Begründungen im Detail – in teils schrillen (natürlich, es geht um Werbung!), aber eben auch seit Jahren üblichen UVP-Streichpreiswerbungen unionsrechtlich regulierte Preisermäßigungswerbung erkennen wollen. Wer markant UVP-Auslobungen einsetzt und dabei Streichpreise oder Prozentangaben in den Blickfang stellt, wirbt nach Ansicht der drei Landgerichtskammern nicht nur auffällig, sondern gleich lauterkeitsrechtswidrig. Heureka!
Doch dieses „neue Preiswerberecht“ hat einen systematischen Haken: Es erklärt faktisch jede optische Hervorhebung eines im Zusammenhang mit einem Gesamtpreis ausgelobten Vorteils zur (referenzpreispflichtigen) Preisermäßigungswerbung – ganz egal, ob mit der Auslobung nur der Abstand zur unverbindlichen Herstellerpreisempfehlung aufgezeigt werden soll. Damit unterwerfen die Urteile die altbekannte UVP-Werbung dem rigiden Regime der Werbung mit Eigenpreisvergleichen, weil – so die gerichtliche Annahme – der Verbraucher den durchgestrichenen Preis oder die hervorgehobene Prozentangabe unweigerlich als Rabatt auf einen zuvor verlangten Preis deuten würde. Ein Schluss, der nicht nur empirisch fragwürdig ist, sondern auch rechtlich kühn. Ausgangspunkt dieser Rechtsprechungsentwicklung ist die vor einem Jahr ergangene EuGH-Entscheidung C-330/23 (EuGH, 26.09.2025 – C-330/23, WRP 2024, 1311 – Verbraucherzentrale Baden-Württemberg e.V./Aldi Süd Dienstleistungs SE & Co. OHG), in dem die Luxemburger Richter klarstellen mussten, dass Preisermäßigungen an den niedrigsten Eigenpreis der letzten 30 Tage zu koppeln sind. Nun gut. Diese Regel soll der Transparenz dienen und den Verkehr vor manipulierten Preissprüngen schützen. Werbende Unternehmen haben sich seither – mit mal mehr, mal weniger Aufwand – damit arrangiert.
Dabei gehört es gar nicht zum Schutzkonzept der Referenzpreisregelung des Art. 6a RL 98/6/EG – auch nicht aus Sicht des EuGH (außer man fragt ihn nochmal), eine jede Gegenüberstellung, in der ein Preis auftaucht, dem Regulierungsregime dieser Norm zu unterwerfen. Ebenso wenig wird der mündige Verbraucher gleich in die Irre führt, wenn ihm die seit jeher bekannten UVP-Streichpreise im knalligen Werbeumfeld entgegentreten.
Übrigens: Diese verbraucherprotektionistische Rechtsansicht, die sich offensichtlich an einem „vulnerablen“ Verbraucherleitbild (hierzu ebenso Prange, WRP 2025, 717 ff.) orientiert, passt auch mit der Blickfang- und sonstigen BGH-Rechtsprechung nicht zusammen: Denn wenn der Werbende bis zur Grenze der dreisten Lüge richtigerweise per Sternchen seine Werbeaussage präzisieren und beispielsweise über Bedingungen seines Angebots aufklären darf (BGH, 10.12.2009– I ZR 149/07, WRP 2010, 1023– Sondernewsletter), dies beim passenden Gesamtkontext sogar auch ohne Sternchen geht (BGH, 18.12.2014 – I ZR 129/13, WRP 2015, 851 – Schlafzimmer komplett), ja wenn selbst bei TV-Werbung ein nur eingeblendeter und nicht gesprochener Hinweis ausreicht, um auf den nur beschränkten Anwendungsbereich einer Fußpilzcreme hinzuweisen (BGH. 11.09.2008 – I ZR 58/06, WRP 2009, 304 – Fußpilz), dann reichen doch auch drei nicht zu klein gedruckte und deswegen lesbare Buchstaben „UVP“, um selbst dem situativ unaufmerksamsten Verbraucher unmissverständlich zu erklären, dass der ausgelobte Vorteil kein Rabatt auf einen vorher vom Händler verlangten Preis, sondern eben der Abstand des beworbenen Gesamtpreises zur UVP ist. Dies gilt erst recht, weil der Verkehr seit jeher an UVP-Werbung gewöhnt ist.
Wir können – und die Rechtsprechung sollte – der Urteilskraft der Verbraucher bei solchen, gängigen Werbepraktiken durchaus vertrauen, anstatt en passant längst überkommen geglaubte Verbraucherleitbilder und lauterkeitsrechtliche Schutzideale zu exhumieren.
RA Dr. Sascha Pres, Berlin