Rechtssicherheit für Influencer – eine Aufgabe für den deutschen Gesetzgeber?
Prof. Dr. Helmut Köhler
Das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz (BMJV) hat unlängst auf seiner Website einen „Vorschlag zur Abgrenzung nichtkommerzieller Kommunikation zur Information und Meinungsbildung von geschäftlichen Handlungen“ unterbreitet. In § 5a Abs. 6 UWG soll folgender S. 2 eingefügt werden:
„Ein kommerzieller Zweck einer geschäftlichen Handlung ist in der Regel nicht anzunehmen, wenn diese vorrangig der Information und Meinungsbildung dient und für diese kein Entgelt oder eine ähnliche Gegenleistung gewährt wurde.“
Diese „Klarstellung“ soll einen „sicheren Rechtsrahmen für unentgeltliche Empfehlungen im Internet durch Blogger und Influencer“ schaffen, so die Begründung des Vorschlags. Es stellt sich aber die Frage, ob dies wirklich eine Aufgabe für den deutschen Gesetzgeber ist.
Zunächst: Ist der Gesetzgeber zu einer solchen Regelung überhaupt befugt oder greift er damit in den Kompetenzbereich des Unionsgesetzgebers und des EuGH ein? Denn § 5a Abs. 6 UWG dient der Umsetzung der Regelung in Art. 7 Abs. 2 Alt. 3 UGP-RL und deren verbindliche Auslegung ist dem EuGH vorbehalten. Schon deshalb bestehen Zweifel, wenn der deutsche Gesetzgeber in einem nationalen Alleingang den § 5a Abs. 6 UWG konkretisieren will. Das sieht man im BMJV natürlich auch. Es will daher einen möglichen Gesetzentwurf eng mit der Kommission abstimmen. Die Kommission kann indes nicht der Rechtsauffassung des EuGH vorgreifen und wird auch kaum einen nationalen Alleingang befürworten.
Sodann: Gibt es einen sachlichen Grund für die vorgeschlagene Regelung? Dafür genügen dem BMJV bereits Divergenzen in der Rechtsprechung der Instanzgerichte bei der Beurteilung von Beiträgen von Influencern und Bloggern. Solche Divergenzen sind jedoch kein Einzelfall. Sie zu überwinden und für eine einheitliche Rechtsprechung zu sorgen, ist gerade die Aufgabe des BGH. Er muss bei Zweifeln an der Reichweite des Art. 7 Abs. 2 Alt. 3 UGP-RL und damit auch des § 5a Abs. 6 UWG den EuGH anrufen. Dies gilt entsprechend, wenn es zu der vorgeschlagenen Ergänzung dieser Vorschrift käme. Auch der Gesetzgeber könnte daher die Rechtslage nicht verbindlich klären.
Schließlich: Kann die vorgeschlagene Regelung die erstrebte Rechtssicherheit erreichen? Die Zweifel beginnen schon beim einleitenden Halbsatz: „Ein kommerzieller Zweck einer geschäftlichen Handlung ist in der Regel nicht anzunehmen“. Hat nämlich eine Handlung keinen kommerziellen Zweck, so ist sie von vornherein keine geschäftliche Handlung. Daher heißt es auch in § 5a Abs. 6 UWG „wer den kommerziellen Zweck einer geschäftlichen Handlung nicht deutlich macht“. Richtig müsste es im Vorschlag daher heißen: „Eine geschäftliche Handlung ist in der Regel dann nicht anzunehmen“. Das ist aber ein lösbares Problem.
Weitaus wichtiger ist, dass der Vorschlag eine Regel aufstellt, also Ausnahmen zulässt. Das verträgt sich nicht mit dem Grundsatz in Art. 7 Abs. 1 UGP-RL, wonach die Beurteilung „im konkreten Fall unter Berücksichtigung aller tatsächlichen Umstände“ zu erfolgen hat. Dieser Grundsatz gilt auch für Art. 7 Abs. 2 UGP-RL. Er ist umgesetzt in § 5a Abs. 2 UWG und gilt dementsprechend auch für § 5a Abs. 6 UWG.
Nicht der Rechtssicherheit dienlich ist es vor allem, dass eine geschäftliche Handlung dann nicht vorliegen soll, wenn eine Äußerung „vorrangig der Information und Meinungsbildung dient“. Zwar fehlt es nach der Rechtsprechung an einem „objektiven Zusammenhang“ mit der Absatzförderung und damit an einer geschäftlichen Handlung (§ 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG), wenn die Handlung vorrangig anderen Zielen dient, etwa der Unterrichtung der Öffentlichkeit, insbesondere der Verbraucher (vgl. BGH, 31.03.2016 – I ZR 160/14, WRP 2016, 843 Rn. 13 – Im Immobiliensumpf). Wie lässt sich aber ein solcher Vorrang im Einzelfall feststellen? Nach der Begründung soll dies „objektiv bestimmt werden und sich danach bemessen, ob Elemente einer sachlichen Darstellung oder persönlichen Stellungnahme im Vordergrund stehen“. Letzeres soll „bei stark werblich klingenden Äußerungen wie zum Beispiel bei übertriebenem Lob“ der Fall sein. Das mag zwar für die Beurteilung der sog. „redaktionellen Werbung“ in Zeitschriften ein Anhaltspunkt sein, ist aber für Beiträge von Influencern in sozialen Netzwerken kein sicherer Maßstab, weil es eben auf die Umstände des Einzelfalls ankommt. Beispiel: An einem werblichen Überschuss fehlt es, wenn eine bekannte Influencerin mit vielen minderjährigen Followern (vgl. § 3 Abs. 4 S. 2 UWG) mit dem schlichten Hinweis wirbt, dass sie einen bestimmten Lippenstift benutzt.
Entscheidend könnte daher nur das zweite vorgeschlagene Kriterium sein, dass dem Influencer für die Handlung „kein Entgelt oder eine ähnliche Gegenleistung gewährt“ wurde. Als Nachweis dafür soll eine Bestätigung des Unternehmens ausreichen, dass es keine Gegenleistung gewährt hat. Jedoch lässt sich auch damit eine private Meinungsäußerung oder Information nicht sicher von einer getarnten Werbung unterscheiden. Man bedenke nur den Fall, dass ein Influencer seinen Followern ein Produkt in der Hoffnung empfiehlt, an einer Umsatzsteigerung beteiligt zu werden.
Am ehesten ließe sich sagen: Hat ein Influencer ein kommerzielles Interesse an der Beeinflussung einer Verbraucherentscheidung, dient seine Produktempfehlung auch nicht vorrangig der Information und Meinungsbildung. Sie stellt schon aus diesem Grund eine geschäftliche Handlung dar (vgl. BGH, 31.03.2016 – I ZR 160/14, WRP 2016, 843 Rn. 16 – Im Immobiliensumpf). Um zu diesem Ergebnis zu kommen, bedarf es aber keiner neuen gesetzlichen Regelung.
Prof. Dr. Helmut Köhler, München