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WRP 2021, I
Seidelberger 

Die zu lösenden Rätsel der Omnibus-Richtlinie

Abbildung 1

Mag. Hannes Seidelberger

Im neuen Jahr 2021 wird das Lauterkeitsrecht im Zeichen einer Umsetzung der Omnibus-Richtlinie (RL (EU) 2019/2161) im Rahmen des „New Deal for Consumers“ der EU stehen (zu dem Thema am Beginn des Jahres 2019 bereits skeptisch Alexander, Editorial WRP Heft 1/2019). Dieses europäische Paket einer so bezeichneten „Modernisierung der Verbraucherschutzvorschriften“ mit der Änderung von gleich vier Richtlinien enthält einige Überraschungen bzw. Fragen für die Mitgliedstaaten, welche es zu lösen gilt. Dabei wird erstmals seit ihrer Einführung 2005 die UGP-RL (2005/29/EG) geändert.

Bisher noch nicht im Fokus der wissenschaftlichen Behandlung gestanden ist die Änderung in der PreisangabenRL (98/6/EG), welche zum Lauterkeitsrecht im weiteren Sinne zählt. Die dort eingefügte Bestimmung des Art. 6a stellt ein besonders offenes Rätsel mit weitreichenden Auswirkungen auf die Preisauszeichnung von Produkten bzw. Werbung mit Preisermäßigungen dar. Nachdem dieser neue Art. 6a der PreisangabenRL im ursprünglichen Vorschlag der Europäischen Kommission noch gar nicht vorgesehen war, findet sich auch kein Erwägungsgrund dazu. Die Formulierung selbst scheint unklar, was auch die unterschiedliche Interpretation in diversen Stellungnahmen zeigt. Hintergrund dieser Regelung sind laut Vernehmen insbesondere die berühmten „Black Friday“-Angebote auch im Online-Bereich. Speziell zu diesem Tag werben manche Anbieter mit hohen Ersparnissen wie bis zu 70 %. Bezugspunkt ist allerdings teilweise der UVP (unverbindlich empfohlener Verkaufspreis) des Herstellers, den der jeweilige Anbieter manchmal zuvor nie verlangte. Vergleicht man die Preise mit einem Zeitraum, der kurz vor dem „Black Friday“ liegt, betragen die Rabatte teilweise wesentlich weniger.

Konkret wird im neu geschaffenen Art. 6a der PreisangabenRL eine zusätzliche Pflicht für Händler normiert, bei Preisermäßigungen neben dem Prozentsatz nun auch den niedrigsten eigenen Verkaufspreis in Bezug auf einen Zeitraum von mindestens 30 Tagen anzugeben. Die praktische Durchführbarkeit dieser Bestimmung für den Handel erscheint fraglich, ebenso wie deren Auslegung. Geht es nun um den niedrigsten Preis der zumindest letzten 30 Tage oder um den niedrigsten Preis, welcher zuletzt mindestens 30 Tage gegolten hat? Das wird unterschiedlich gesehen, wie die ersten Einschätzungen dazu zeigen. Außerdem welche Preiseermäßigungen fallen darunter – alle, oder nur diejenigen, bei denen ein einzelnes Produkt preisreduziert wird? Wesentliche Fragen, welche zeigen, dass diese Regelung nicht wirklich durchdacht ist, aber nun für den gesamten Handel im EU-Raum gilt.

Das sind aber bei weitem nicht die einzigen offenen Auslegungspunkte. Fällt nur die Ermäßigung vom (eigenen) Verkaufspreis darunter oder auch vom UVP bzw. von sonstigen Stattpreisen? Ist auch ein genereller Rabatt (für alle Produkte oder einer Produktgruppe) davon betroffen oder nicht? Was ist mit Aktionen über Gutscheine, Mehrmengenangebote und Kundenkarten? Für eine Preisauszeichnungsbehörde ist so eine Regelung kaum kontrollierbar, und die Gerichte werden sich damit noch öfter beschäftigen müssen, egal, wie die jeweilige nationale Umsetzung dieser europäischen Vorgabe aussieht.

Gut gemeint ist nicht immer gut gemacht, das trifft beim „New Deal for Consumers“ im Besonderen auf diese Bestimmung zu. So wird diese Regelung auch für Unternehmen zu Rechtsunsicherheit führen, welche als Geschäftsmodell generell reduzierte Ware ankaufen und verkaufen (Stichwort Outlet). Nach Mitteilung der Europäischen Kommission sollen solche Anbieter nicht darunterfallen, weil sie keinen „vorherigen Preis“ haben. Ob das der EuGH ebenfalls so sieht, bleibt abzuwarten.

Auch für kleine Händler ist eine Preiserfassung des niedrigsten Preises eine Herausforderung. Am besten für die Praxis wäre eine möglichst restriktive Anwendung dieser Bestimmung nur für den Fall, dass der Preis eines einzelnen Produkts (und nicht einer ganzen Produktgruppe oder mehr) ermäßigt wird. Am aussagekräftigsten auch für den Verbraucher wäre es, den niedrigsten zuvor verlangten Preis der letzten 30 Tage als Vergleichsmaßstab heranzuziehen. Warum dann aber in dieser Bestimmung ein „mindestens“ steht, ist schwer zu erklären. Man könnte das so deuten, dass dieser Zeitraum bei einer nationalen Umsetzung auch ausgeweitet werden kann.

Die andere Interpretationsform, dass man sich auf den niedrigsten Preis beziehen muss, der mindestens 30 Tage (durchgehend) gegolten hat, wäre hingegen ziemlich absurd. Welcher (kleine) Einzelhändler erfasst genau, wie lange seine Preise bei der heutigen Preisvolatilität für jedes einzelne Produkt gelten? Und oft es wird es Fälle geben, in denen ein Produkt gar keinen gleichbleibenden Preis über zumindest 30 Tage gehabt hat. Was macht man dann? Nachdem damit nur ein einzelner Aspekt der Umsetzung dieser Omnibus-RL mit zahlreichen anderen Themen näher angesprochen worden ist, wird 2021 im Bereich des Lauterkeits- bzw. Verbraucherrechts besonders spannend werden!

Mag. Hannes Seidelberger, Wien

 
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