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WRP 2023, I
Pechan 

Die Modernisierung des europäischen Designrechts

Abbildung 1

RA Dr. Lambert Pechan

Mit dem Vorschlag der Kommission zur Modernisierung der Gemeinschaftsgeschmacksmuster-VO (GGV) vom 28.11.2022 (Vorschlag für eine VO des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der VO (EG) Nr. 6/2002 des Rates über das Gemeinschaftsgeschmacksmuster und zur Aufhebung der VO (EG) Nr. 2246/2002) versucht die Kommission das System des Europäischen Geschmacksmusterschutzes zu modernisieren und die Exzellenz, Innovation und Wettbewerbsfähigkeit von Geschmacksmustern innerhalb der EU zu fördern. Dabei handelt es sich um eine in Teilen längst überfällige Anpassung des Regelwerkes an die zwischenzeitlichen Entwicklungen im Bereich des geistigen Eigentums. Der Vorschlag greift bisherige Schwachstellen auf und stellt eine nuancierte Fortentwicklung der Regelungen dar.

Die Gemeinschaftsgeschmacksmusterverordnung (VO vom 12.12.2001 (EG) Nr. 6/2002 des Rates über das Gemeinschaftsgeschmacksmuster) wurde nach ihrem Inkrafttreten im Jahr 2002 nur einmal im Jahr 2006 geändert, um den Beitritt der EU zum internationalen Eintragungssystem nach dem Haager Abkommen in Kraft zu setzen. Im Wesentlichen blieben die Regelungen mehr als zwanzig Jahre unverändert. Dies spricht für die Qualität der ursprünglichen Regelungen, lässt aber auch erahnen, dass Anpassungen notwendig sind.

Eine mittlerweile überfällige Änderung betrifft die Terminologie. Im Hinblick auf den bereits im Jahr 2009 in Kraft getretenen Vertrag von Lissabon soll der Begriff des „Gemeinschaftsgeschmacksmusters“ durch den Begriff des „EU-Geschmacksmusters“ ersetzt werden. Tatsächlich wäre es wünschenswert, in der deutschen Fassung der Neuregelung wie in der englischen Version vom „EU-Design“ zu sprechen. Schließlich hat sich diese Terminologie seit Inkrafttreten des deutschen Design-Gesetzes auch hierzulande durchgesetzt.

Überfällig erscheinen ebenfalls die Neuregelungen zu folgenden Themen:

Zum einen findet man die Neuregelung zu dem altbekannten Problem der „Goods in Transit“ in Art. 19 Abs. 3 des Vorschlages. Wie im Markenrecht soll die Durchfuhr von rechtsverletzenden Waren mit einem Bestimmungsort außerhalb der EU unter dem Aspekt des Designschutzes verboten werden können. Dies gilt, solange der Anmelder oder Besitzer der Ware nicht nachweisen kann, dass das Produkt im Bestimmungsland rechtmäßig in den Verkehr gebracht wird. Wegen des nach wie vor bestehenden Spannungsverhältnisses zum Grundsatz des freien Warenverkehrs bleibt abzuwarten, ob damit die seit dem 19. Jahrhundert schon in der Reichsgerichtsrechtsprechung geführte Diskussion (RG, 25.05.1877 – Rep. 626/84, RGSt 10, 349; RG, 07.11.1899 – Rep. 244/99, RGZ 45, 147; grundlegend EuGH, 01.12.2011 – C-446/09 and C-495/09, WRP 2012, 303 – Philips und Nokia) über die Zulässigkeit der Durchfuhr von Waren endet.

Zum anderen soll die bisher als Übergangsregelung ausgestaltete Reparaturklausel des Art. 110 GGV dauerhaft im neuen Art. 40a übernommen werden. So soll die Öffnung des Sekundärmarktes für formgebundene Ersatzteile von komplexen Erzeugnissen (z. B. Karosserieteile eines Fahrzeuges) sichergestellt werden. Dies gilt jedoch ausschließlich für das registrierte und nicht für das nicht-registrierte EU-Geschmacksmuster. Die Liberalisierung des Sekundärmarktes greift deshalb nur für formgebundene Ersatzteile, deren dreijährige Schutzdauer als nicht registriertes EU-Geschmacksmuster bereits abgelaufen ist (Jestaedt, in: Eichmann/Jestaedt/Fink/Meiser, Designgesetz, GGV, 6. Aufl. 2019, Art. 110 GGV Rn. 8). Man wird sehen, ob damit die vor allem kartellrechtlich geführte Diskussion über die Öffnung des Sekundärmarktes abgeschlossen oder für nicht-formgebundene Ersatzteile fortgeführt wird.

Auch befasst sich der Kommissionsvorschlag mit Themen der Digitalisierung und insbesondere mit der Herstellung von designrechtlich geschützten Produkten durch 3D-Drucker. Die private Herstellung solcher Produkte kann derzeit ebenso wenig wie der gewerbliche Vertrieb einer den 3D-Druck ermöglichenden Datei verboten werden. Hierzu sieht der neue Art. 19 Abs. 2 lit. d) vor, dass die Erstellung und Verbreitung von Medien oder Software verboten werden können, die zur Herstellung eines geschmacksmusterrechtlich geschützten Erzeugnisses dienen.

Die Kommission möchte ferner die Voraussetzungen für eine Reduzierung der Amtsgebühren schaffen, um kleineren und mittleren Unternehmen einen erleichterten Zugang zum EU-weiten Designschutz zu ermöglichen. Außerdem soll die aus dem Markenrecht bereits bekannte Nachsicht bei Fristversäumnis durch den im neuen Art. 67a vorgesehenen Antrag auf Weiterbehandlung im Designrecht eingeführt werden. Durch diese und weitere Detailregelungen soll das System des EU-Geschmacksmusters insgesamt gestärkt werden.

Selbst wenn man der Kommission insoweit keine Absicht unterstellen möchte, wird vor allem die Kostenreduzierung eine Schwächung der nationalen Schutzsysteme in der Beliebtheit ihrer Nutzer bewirken. Abgesehen von diesem Effekt stellt der Vorschlag der Kommission insgesamt aber eine notwendige und teilweise innovative Weiterentwicklung der Regelungen zum Gemeinschaftsgeschmacksmuster dar.

RA Dr. Lambert Pechan, Düsseldorf

 
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