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WRP 2025, I
Reppelmund 

Die „terrible ten“ des Wettbewerbsrechts – Ein Weckruf aus der Wirtschaft!

Abbildung 1

RAin Hildegard Reppelmund

„Mehr Wettbewerbsfähigkeit, weniger Bürokratie“ – die Ankündigungen sind immer gleich, in Brüssel wie auch in Deutschland. Keine Frage, Reformen sind dringend notwendig. Aber was muss dafür strukturell im Wettbewerbsrecht getan – oder unterlassen – werden? Wo liegen Chancen und Möglichkeiten, und wo liegen die bisherigen oder neuen Probleme, die es anzupacken gilt? Gerade an die Gestaltung von Rechtsvorschriften im Wettbewerbsrecht sollten höchste Anforderungen gerichtet werden, stattdessen stehen wir vor den „terrible ten“ des Wettbewerbsrechts:

  1. Hohe Taktzahl von Gesetzesänderungen (siehe EmpCo-Richtlinie (EU) 2024/825 und Green Claims-Richtlinie),

  2. Ständige Gesetzesverschärfungen und materielle Erweiterungen statt Stärkung der Durchsetzung,

  3. Regulierungsabbau als Fremdwort,

  4. Überbordende Informationspflichten – Information-Overload für Unternehmen und Verbraucher,

  5. Statt Missbrauchsverhinderung Vorgaben und Kontrolle bis ins Detail,

  6. Ausweitung behördlicher Rechtsdurchsetzung,

  7. Das neue EU-Leitbild: Der vulnerable Verbraucher,

  8. Neue Gesetze ohne ausreichende Evidenz- und Faktenbasis,

  9. Inkohärente und unbestimmte Regelungen,

  10. Einseitiges Misstrauen gegenüber Unternehmen.

Mit Blick auf diese Liste lassen sich strukturelle Reformschritte eines zugleich unternehmens- und verbraucherfreundlichen Wettbewerbsrechts klar benennen:

Kein Gesetz ohne nachgewiesenen, zwingenden Bedarf

Bei jedem Skandal folgt regelmäßig der Ruf nach dem Gesetzgeber. Meist ist es aber ein Durchsetzungsproblem. Mehr oder schärfere Gesetze führen nicht automatisch zu mehr personellen und finanziellen Kapazitäten auf der Durchsetzungsseite. Greenwashing ist ein gutes Beispiel hierfür: Die Rechtsprechung bis zum BGH (vgl. BGH, 27.06.2024 – I ZR 98/23, WRP 2024, 928 – klimaneutral) zeigt, dass Greenwashing schon jetzt sanktionierbar ist. Bereits die EmpCo-Richtlinie wäre daher nicht notwendig gewesen. Mit Blick auf den bevorstehenden Digital Fairness Act (DFA) sollte genau geprüft werden, ob es wirklich Gesetzeslücken gibt, oder ob viele der als problematisch empfundenen Verhaltensweisen schon mit den bestehenden Regelungen, z. B. als Irreführung oder aggressive Werbung, untersagt werden können.

Better Regulation: Vereinfachung bestehender Regelungen

Gesetze müssen verständlich sein. Die EmpCo-Richtlinie ist ein Negativbeispiel sowohl durch viele unklare Rechtsbegriffe als auch durch Verweisungsketten und durch die Aufblähung der Schwarzen Liste der Per-se-Verbote, die immer mehr wie eine willkürliche, unsystematische Zusammenstellung von Detailverboten erscheint – die schon sprichwörtlich gewordene „Rumpelkammer“ des Lauterkeitsrechts (Alexander, Editorial WRP Heft 2/2025). Statt ständig neuer Regulierung sollte geprüft werden, welche Regelungen aufgehoben werden können. Entrümpelung tut dringend Not. Dies gilt insbesondere für die zahlreichen Informationspflichten, die Unternehmen und Verbraucher gleichermaßen überfordern (vgl. hierzu auch Seichter, WRP 2025, 1248 ff., in diesem Heft). Rahmenbedingungen ändern sich, Verbraucher und deren Verhalten und tägliche Übung ebenfalls – daran sollten sich auch gesetzliche Regelungen messen lassen. Kohärenz ist notwendig, es darf keine Redundanzen geben. Es gilt: Was dem Verbraucher nicht wirklich hilft, kann man auch weglassen oder streichen.

Verbraucherleitbild des mündigen, informierten Verbrauchers bewahren

Die EU hat das Verbraucherleitbild vom mündigen Verbraucher immer mehr zum vulnerablen, schutzbedürftigen Verbraucher hin verschoben (vgl. hierzu Prange, WRP 2025, 717 ff.). Einst auch wirtschaftlich mündige Bürger werden nun staatlich an die Hand genommen. Bisweilen müsse man ihn vor sich selbst schützen. Paternalismus lautet die traurige Diagnose. Dies wird auch in den aktuellen Diskussionen in Brüssel zur EU-Verbraucheragenda und zum DFA deutlich. Gerade im Zusammenhang mit Social Media oder auch bei chinesischen Verkaufsplattformen zeigt sich, dass Verbraucher auch bewusst auf ihren Schutz verzichten. Ihnen ist anscheinend der billige Einkauf oder die Transparenz auf Social Media wichtiger als das volle Repertoire an Schutzrechten. Warum soll ein Verbraucher nicht um eines günstigeren Preises willen auf Schutzrechte auch gegenüber deutschen bzw. europäischen Unternehmen verzichten können? Man darf dem Verbraucher ruhig mehr Eigenverantwortung zutrauen und diese von ihm auch einfordern, statt ihn gesetzlich zu lenken.

Stärkung der privaten Rechtsdurchsetzung

Der Ruf nach behördlicher Rechtsdurchsetzung im Verbraucherschutz ist eine Konsequenz des fehlenden Vertrauens in die Menschen und die Unternehmen. Durchsetzungslücken, die eine behördliche Durchsetzung notwendig erscheinen ließen, sind aber zumindest bisher nicht offengelegt worden. Das zivilrechtliche Durchsetzungssystem ist vielmehr effektiv und schnell. Es sollte nicht durch unklare Abgrenzungen gefährdet werden.

Mehr Vertrauen in die Wirtschaft

Abschließend: Das generelle Misstrauen gegenüber Unternehmen, das sich in Regelungen und Kontrollen bis zum letzten Detail äußert, lähmt die Wirtschaft seit Jahren und hat Anteil an den gegenwärtigen Herausforderungen im dritten Jahr einer Rezession. Der Gesetzgeber vergisst, wie insgesamt solide und verlässlich in Deutschland die Wirtschaft die Bedürfnisse der Bevölkerung befriedigt. Mehr Vertrauen in den Gedanken der ehrbaren Kaufleute wäre hier ein Anfang.

Alle diese Punkte können dazu beitragen, die Wettbewerbsfähigkeit in Europa zu stärken und die unternehmerische Dynamik für die Gesellschaft in Deutschland zu entfesseln.

RAin Hildegard Reppelmund, Berlin*

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Die Ausführungen enthalten ausschließlich die persönliche Auffassung der Autorin.

 
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