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WRP 2018, I
Hauck 

Der RefE für ein Gesetz zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen (GeschGehG)

Abbildung 1

Prof. Dr. Ronny Hauck

Der Schutz nicht offenkundiger Unternehmensinformationen wird in Deutschland grundlegend neu geregelt. Anlass ist die Richtlinie 2016/943/EU (ABl. L 157/1), die bis zum 09.06.2018 umgesetzt werden muss. Nach langer Wartezeit, bedingt durch die langwierige Regierungsbildung im Anschluss an die letzte Bundestagswahl, wurde nun am 18.04.2018 – endlich – der Referentenentwurf für ein neues Stammgesetz veröffentlicht. Dort finden sich erstmals umfangreiche Vorgaben zum Schutz von „Geschäftsgeheimnissen vor rechtswidriger Erlangung, rechtswidriger Nutzung und rechtswidriger Offenlegung“, quasi in einem Guss. Interessierte Kreise konnten freilich schon zuvor Kenntnis vom Referentenentwurf erhalten, da eine unwesentlich veränderte Fassung bereits auf transparency.org veröffentlicht worden war. Letztlich wurde dadurch die Schwierigkeit der tatsächlichen Geheimhaltung werthaltiger Informationen eindrücklich illustriert. Denn ist die Information einmal „draußen“, war es das (zumeist) mit dem Wissensvorsprung des originären Inhabers.

Der Geheimnisschutz im deutschen Recht vollzieht also einen fundamentalen Wandel: Weg vom Schutz maßgeblich über nebenstrafrechtliche Normen (§§ 17 bis 19 UWG, allenfalls ergänzt durch die §§ 823, 826 BGB), hin zu einem originär zivilrechtlichen Schutz in einem eigenen Stammgesetz (mit sperrigem Namen), der die betroffenen Geheimnisse durchaus in die Nähe eines Immaterialgüterrechts rückt. Im Einzelnen gliedert sich der Referentenentwurf in vier Abschnitte, wobei der letzte Abschnitt (§ 22 GeschGehG-RefE) nahezu unverändert die bisher in den §§ 17 bis 19 UWG enthaltenen strafrechtlichen Vorschriften zusammenfasst.

Wesentlich interessanter ist da der erste Abschnitt, der in § 1 GeschGehG-RefE die Definition des Geheimnisbegriffs selbst enthält und damit letztlich den Anwendungsbereich des Gesetzes definiert. Dort findet sich auch eine Kausalität in Ziff. 1 lit. a) („und daher“). Denn eine Information soll ihren wirtschaftlichen Wert gerade auf Grund der Geheimhaltung besitzen. Dies entspricht den Vorgaben der Richtlinie (dort heißt es „kommerziellem Wert“) und von Art. 39 Abs. 2 TRIPS, eröffnet jedoch Unternehmen die Möglichkeit, sämtliche jedenfalls nicht gänzlich belanglose Informationen über die Geheimhaltung zum „Geschäftsgeheimnis“ – der Entwurf verwendet leider wie die Richtlinie diesen Überbegriff – zu machen. So könnten auch Informationen über Rechtsverstöße unter den Geheimnisbegriff fallen, wenn diese eben geheim gehalten werden. Inwieweit man dem Inhaber insoweit jedoch ein „legitimes Interesse an ihrer Geheimhaltung“ zuerkennen kann (vgl. Gesetzesbegründung S. 19 und Erwägungsgrund 14 der Richtlinie), wird noch zu diskutieren sein. Zusätzlich bedarf es noch „angemessener Geheimhaltungsmaßnahmen“. Was dies im Einzelnen bedeutet, dürfte der Praxis noch einiges an Kopfzerbrechen bereiten. Denn die Unternehmen trifft insoweit die Darlegungslast und vielgestaltige Dokumentationspflichten werden zukünftig erfüllt werden müssen.

Eng geraten ist die Definition des (rechtmäßigen) Inhabers eines Geschäftsgeheimnisses unter § 1 Abs. 1 Ziff. 2 GeschGehG-RefE. Lizenznehmer werden davon jedenfalls nicht erfasst, denn diese können die überlassenen Informationen zwar nutzen, dürfen sie in aller Regel aber nicht offenlegen. Der dahingehende Änderungsbedarf ist jedoch überschaubar. In Abweichung zum „geleakten“ Entwurf wird in § 1 Abs. 2 klargestellt, dass Vorschriften, die in Bezug auf Geschäftsgeheimnisse das Verhältnis zwischen öffentlichen Stellen und Privaten regeln, diesem Gesetz vorgehen.

In den §§ 2 und 3 GeschGehG-RefE werden erlaubte Handlungen sowie Handlungsverbote genannt. So findet sich etwa in § 2 Abs. 2 das nunmehr grundsätzlich mögliche Reverse Engineering; § 3 Abs. 3 enthält den Tatbestand einer mittelbaren Geheimnisverletzung, was an § 10 PatG erinnert. Für lebhafte Diskussionen dürften die nicht abschließenden Rechtfertigungsgründe in § 4 GeschGehG-RefE sorgen. § 4 Ziff. 2 regelt das Whistleblowing, einschließlich einer subjektiven Tatbestandsvoraussetzung, deren Vorliegen der Whistleblower zu beweisen hat. Vertritt man indes die Ansicht, dass jedenfalls Informationen über Rechtsverstöße bereits nicht unter den Geheimnisbegriff fallen, stellt sich auch die Frage einer Rechtfertigung nicht. Hier bleibt zudem abzuwarten, wie sich das GeschGehG mit der anstehenden Richtlinie zum Schutz von Whistleblowern (vgl. 2018/0106 [COD]) vereinbaren lässt, jedenfalls in Bezug auf Verstöße gegen EU-Recht. Denn dort ist etwa ein mehrstufiges Meldesystem verpflichtend vorgesehen, was es so im GeschGehG-RefE nicht gibt.

Bei den Rechtsfolgen (Abschnitt 2, §§ 5 bis 13 GeschGehG-RefE) ist eine starke Orientierung an der Enforcement-RL (2004/48/EG) zu erkennen. Innerhalb des Abschnitts 3 (§§ 14 bis 21 GeschGehG-RefE) wurde der Geheimnisschutz im Prozess nur insoweit geregelt, als entsprechende Schutzmaßnahmen allein in Verfahren vorgesehen sind, die die Verletzung von Geschäftsgeheimnissen („Geschäftsgeheimnisstreitsachen“) betreffen. Dass es ein in-camera-Verfahren nicht geben wird, war bereits angesichts der Richtlinie klar (ausf. dazu Schlingloff, WRP 2018, 666 ff., in diesem Heft).

Insgesamt zeigt der Referentenentwurf, dass man sich insoweit strikt an die europäischen Vorgaben gehalten hat. Bis zum 18.05.2018 konnten dem BMJV Stellungnahmen übersandt werden. Wie zu hören ist, soll das Gesetz bis zum Herbst durch das Parlament gebracht werden, ein durchaus ambitioniertes Vorhaben. Diskussionsbedarf gibt es jedenfalls reichlich, man darf daher gespannt sein, was tatsächlich im letztendlich verabschiedeten „GeschGehG“ stehen wird.

Prof. Dr. Ronny Hauck, Berlin

 
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