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STB 2022, I
Stahlschmidt 

Die Übergewinnsteuer – Ein Modell für Deutschland

Abbildung 1

Lars Klingbeil, Vorsitzender der SPD, bezeichnet eine Übergewinnsteuer als “sehr überlegenswert”. Ricarda Lang, Grünen-Bundesvorsitzende, argumentiert in die gleiche Richtung. Unternehmensgewinne, die ihre Ursache im Krieg hätten, müssten stärker besteuert werden. Fragwürdige Aussagen wie die von Christoph Trautvetter, Netzwerk Steuergerechtigkeit: “Nach unseren Schätzungen zahlen die Menschen weltweit allein dieses Jahr 1 000 Mrd. Euro zusätzlich und diese zusätzlichen Ausgaben der Menschen kommen fast 1:1 als Gewinne bei den Mineralölkonzernen an” und die von Marion Tiemann, Greenpeace: “Hier fällt definitiv auf, dass die Konzerne auf Kosten der Autofahrer ihre Gewinne machen und den Rohölpreis – wenn er hoch geht – eben weitergeben bzw. ihn durch die Autofahrer zahlen lassen”, heizen die Diskussion zusätzlich an. Im parlamentarischen Betrieb hat die Linksfraktion einen Antrag angebracht, in dem sie die Bundesregierung auffordert, “einen Gesetzentwurf vorzulegen, um eine Übergewinnsteuer wie von der EU angeregt einzuführen, die Unternehmen, die in der Krise Extraprofite erwirtschaftet haben, angemessen an den gesellschaftlichen Kosten der Krise beteiligt”.

Der Blick über die Grenze sorgt zusätzlich für Begehrlichkeit. Italien besteuert zusätzlich Mehrgewinne von Unternehmen, die Strom, Erdgas und Erdölprodukte verkaufen und in der Zeit von Anfang Oktober 2021 bis Ende April 2022 gegenüber dem gleichen Vorjahreszeitraum entstanden sind. Die Mehrgewinnsteuer fällt aber erst ab einem Gewinn von mehr als 5 Mio. Euro an. Auch Großbritannien hat eine derartige Steuer, die sog. “windfall tax” eingeführt. Allerdings wird der Begriff nicht definiert. Energieunternehmen sollen in den kommenden zwölf Monaten zusätzlich 25 % Steuern auf ihre “außerordentlichen Gewinne” im Öl- und Gassektor zahlen. Damit erhöht sich die Gesamtsteuerbelastung von 40 % auf 65 %. Griechenland plant die Abschöpfung der Übergewinne von Stromversorgern mit einer 90 %igen Steuer. Betroffen ist der Zeitraum von Oktober 2021 bis März 2022. Gewinne, die über den Durchschnittswerten des entsprechenden Vorjahreszeitraums liegen, werden erfasst. Spanien führte eine Übergewinnsteuer ein, die allerdings hinter den Erwartungen zurückblieb. Die Einnahmen betrugen nur 132 Mio. Euro für den Zeitraum Oktober bis Dezember 2021. Ungarn plant ebenfalls eine Übergewinnsteuer.

Doch was ist eine Übergewinnsteuer? Nach überwiegender Auffassung versuche eine Übergewinnsteuer, die durch eine Krise verursachten außergewöhnlichen Gewinne zu erfassen und mit einer zusätzlichen Steuer, über die normale Gewinnsteuer hinaus, zu belegen, um damit einen Teil dieser Krisengewinne abzuschöpfen. Der wissenschaftliche Dienst des Bundestages sieht die Übergewinnsteuer als Abgabe an, die den über den “Normalgewinn” hinausgehenden Gewinn belastet. So griffig diese Definitionen sind, so kompliziert ist die Umsetzung. Wie wird der Begriff Übergewinnsteuer in das derzeitige Einkünftesystem eingeordnet. Dieses kennt bekanntermaßen nur Gewinne. Die Verwaltung wird den Begriff kaum inhaltlich bestimmen können, da dies Sache des Gesetzgebers ist.

Selbstverständlich hat die Grundidee einer Übergewinnsteuer einen gewissen Charme. Die Umsetzung in der Praxis ist aber kompliziert und Kollateralschäden sind nicht ausgeschlossen. Daneben gibt es aber auch juristische Hürden. In Deutschland ist Steuerrecht klassisches Eingriffsrecht, welches einen Ausgleich zwischen den Interessen des Staates und des Steuerpflichtigen finden und mit den Vorgaben des Grundgesetzes in Einklang bringen muss. Damit ist für die Steuer eine grundrechtliche Rechtfertigung zu verlangen. In Betracht kommt die Ausgestaltung als Ergänzungsabgabe. Dabei muss der Gesetzgeber die Ergänzungsabgabe in einem angemessenen Verhältnis zur Einkommensteuer und Körperschaftsteuer halten, um auch den Ländern das Gemeinschaftssteueraufkommen nicht auszuhöhlen. Obgleich dem Gesetzgeber ein weiter Gestaltungsspielraum bei der Ausgestaltung der Ergänzungsabgabe zugestanden wird, ist das Erfassen nicht nur einer Branche zweifelhaft, sondern auch die Ermittlung des Übergewinns. Es darf bezweifelt werden, dass eine verfassungsgemäße Ausgestaltung gelingen kann. Daher wird die Übergewinnsteuer in Deutschland kaum realistische Chancen haben und ist somit kein Modell für Deutschland!

Zudem drängt sich noch eine Frage auf: Ist nicht der Staat auch selbst Kriegsgewinner? Die steigenden Preise führen zwangsläufig zu einem Mehraufkommen an Umsatzsteuern. Die “gestiegenen” Gewinne unterfallen der Ertragsbesteuerung wohl meist Körperschaftsteuer. Diese Aspekte kommen in der politischen Diskussion aber nicht vor.

Professor Dr. iur. Michael Stahlschmidt, M.R.F. LL.M., MBA LL.M., RA/FAStR/FAInsR/FAMedR/StB, Diplom-Betriebswirt/FH lehrt an der FHDW Paderborn Steuerrecht, Rechnungswesen und Controlling und ist Ressortleiter des Ressorts Steuerrecht des Betriebs-Berater und Schriftleiter Der Steuerberater, Frankfurt am Main/Medebach

 
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