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RIW 2008, 1
Weigand 

Neues Schiedsgericht für den China-Handel

Abbildung 1

Nicht erst seit den Olympischen Spielen sind die wirtschaftlichen Beziehungen zu China in aller Munde. Während in den USA und Kanada das “Made in China” in jedem Supermarkt fast schon die Regel darstellt, dringt auch in Europa die Tatsache ins Bewusstsein, dass China die Werkbank des Westens geworden ist. Dass China ein wichtiges Ziel für deutsche Exporte darstellt, tritt dabei im Verhältnis zu den weiter steigenden Importen fast in den Hintergrund. Eines steht jedenfalls fest: China ist zu einem der bedeutendsten Partner für die deutsche und die europäische Wirtschaft geworden, und ein Ende des Wachstums ist nicht in Sicht.

Mit der rasanten wirtschaftlichen Entwicklung hat die Weiterentwicklung einer adäquaten, modernen Dispute Resolution bislang nicht Schritt gehalten: Nach wie vor wird die ganz überwiegenden Mehrheit internationaler Streitfälle vor Schiedsgerichten der China International Economic and Trade Arbitration Commission (CIETAC) entschieden, einer Institution, die bei manchen europäischen Parteien die Besorgnis aufkommen lässt, ob ausländische Interessen hinreichend gewahrt sind. Bei CIETAC-Verfahren – mit inzwischen über 1000 neuen Klageverfahren pro Jahr – werden die Schiedsrichter zwar grundsätzlich von den Parteien bestimmt, als “Auffangregel” ist dem Vorsitzenden der CIETAC jedoch eine entscheidende Rolle zuerkannt. Sowohl die Parteien als auch der CIETAC-Vorsitzende greifen in der Praxis meist auf die offizielle Schiedsrichterliste (Panel of Arbitrators) zurück, die überwiegend aus chinesischen Juristen besteht. Im Ergebnis ist der Vorsitzende regelmäßig chinesischer Staatsbürger. Wegen des häufigen Zahlenverhältnisses “2 zu 1” ist daher ein strukturelles Ungleichgewicht vorgezeichnet. Eine asiatische Alternative ist das Hong Kong International Arbitration Centre (HKIAC). Europäische Alternativen wie schweizerische oder schwedische Schiedsgerichte sind in der vertraglichen Praxis nur schwer durchsetzbar, zumal die entsprechenden Verfahrensregeln meist keinen besonderen Bezug zu China aufweisen können.

Vor diesem Hintergrund ist in Hamburg eine neue Initiative entstanden – dort, wo wie in keiner anderen deutschen (oder gar europäischen) Stadt der China-Handel floriert und wo eine große Anzahl chinesischer Unternehmen ihren Sitz hat. Die örtliche Anwaltskammer, die Handelskammer Hamburg und mehr als 70 Anwaltskanzleien und Anwälte aus 19 Nationen haben mit Unterstützung des Hamburger Senats die Gründung des Chinese European Arbitration Centre (CEAC) betrieben. Hierbei wurden sie von zahlreichen weiteren Supportern aus der ganzen Welt unterstützt. Mit einem feierlichen Senatsempfang wurde am 18. 9. 2008 das CEAC offiziell im Hamburger Rathaus vorgestellt, wobei der Justizsenator die Schirmherrschaft übernahm.

Das CEAC ist in mehrfacher Hinsicht innovativ und soll ein “maßgeschneidertes” Streiterledigungsverfahren bieten: Die entscheidenden Gremien wie Geschäftsführung und Beirat sind mit deutschen, chinesischen und anderen internationalen Experten besetzt. Eine entsprechende Besetzung ist auch für den Ernennungsausschuss vorgesehen, der mangels Einigung der Parteien die Schiedsrichter bzw. jedenfalls den Vorsitzenden bestimmt. Die sog. Appointing Authority wird aus mehreren Kammern bestehen, die jeweils mit einem chinesischen, einem europäischen und einem Mitglied aus anderen Teilen der Welt besetzt sind.

Die CEAC Hamburg Arbitration Rules haben die UNCITRAL Arbitration Rules als Grundlage; die wenigen Anpassungen sind dem Umstand geschuldet, dass die Ad-hoc-Verfahrensregeln von 1976 für den CEAC als verwaltende Institution zu modifizieren waren. Angesichts der zur Zeit laufenden Revision der UNCITRAL Rules sollen auch die CEAC Hamburg Arbitration Rules auf die zu erwartende Neufassung der UN-Regeln umgestellt werden, sobald diese verabschiedet sind.

Für das anwendbare materielle Recht sieht die Muster-Klausel eine Art Multiple-Choice-Wahlmöglichkeit vor: Entweder (a) die Parteien bestimmen das anwendbare nationale Recht, oder (b) das UN-Kaufrecht (CISG) ist anwendbar, ergänzt durch die UNIDROIT Principles of International Commercial Contracts, oder (c) es kommen nur die UNIDROIT Principles zur Anwendung. Hintergrund dieser Auswahl ist die Tatsache, dass die genannten, von der UN bzw. UNIDROIT erarbeiteten Rechtsvorschriften in China ein hohes Ansehen genießen.

Schließlich ist die Fee Schedule mit ihren moderaten, an den Streitwert gekoppelten Verfahrensgebühren zu erwähnen, die für den Einzelfall eine Anpassung aufgrund besonders intensiver Arbeitsbelastung der Schiedsrichter vorsehen.

Aufgrund der Einbindung in die Schanghai-Partnerstadt Hamburg und angesichts des modernen Regelwerks hat das CEAC das Potenzial, die Position Deutschlands als internationalen Schiedsgerichtsstandort zu stärken. Bisher kannte man hierzulande hauptsächlich nationale Schiedsverfahren, als Schiedsgerichtsstandort für zwei ausländische Parteien war Deutschland trotz eines am UNCITRAL-Modellgesetz orientierten, modernen Verfahrensrechts bislang wenig attraktiv. Mit dem CEAC gibt es nun eine Institution, die sich für west- oder auch osteuropäische und internationale Parteien einerseits und chinesische Parteien andererseits als in einem neutralen Drittstaat belegenes Zentrum zur Streiterledigung anbietet. Es würde daher nicht verwundern, wenn zahlreiche einschlägig erfahrene Experten Interesse an der Eintragung in die für den Ernennungsausschuss maßgebliche Schiedsrichterliste zeigen würden (weitere Einzelheiten dazu finden sich unter: www.ceac-arbitration.com).

Dr. Frank-Bernd Weigand, LL.M., Rechtsanwalt, Hamburg

 
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