INTRATERMS? – oder: Guarantee bleibt Bürgschaft, . . . meistens
International Translation Terms (INTRATERMS) oder so – ein Zukunftsprojekt? Mit interessanten Praxisbeispielen und visionären Gedanken über eine “maschinelle Sprachübersetzung und die globale Wirtschaftssprache der Zukunft” wagt Aden in dem Editorial in RIW 4/2018 die faszinierende These, dass der Aufbau eines international verbindlichen “Eindeutigkeitsregimes” für juristische Fachausdrücke realisierbar sei. Damit sollen – wenn ich seine These richtig verstehe – die bekannten Probleme der Übersetzung juristischer Texte maschinell lösbar sein. Darüber, dass hochqualifizierten Anwälten dadurch ein Beratungsfeld verlorengeht, braucht sich diese Berufsgruppe aber keine Sorgen zu machen und kann sich völlig entspannt zurücklehnen. Denn diesen Kampf Algorithmus versus Sachverstand wird die Maschine nicht gewinnen können!
Dies wird schnell bei einer Analyse des Risikofaktors “Übersetzung” bei internationalen Wirtschaftsverträgen deutlich. Die Rechtssprache verwendet zwar das Vokabular der Allgemeinsprache, beide Sprachsysteme besitzen jedoch eine partielle Eigenständigkeit mit unterschiedlichen Regeln. Jeder Staat verfügt über ein eigenes Rechtssystem mit einer autonomen juristischen Terminologie. Diese Systemgebundenheit ist der Grund dafür, dass es keine internationale juristische Fachsprache in dem Sinne geben kann, dass Rechtsbegriffen international die gleiche Bedeutung zugesprochen werden könnte.
So wird etwa der “trust” des Common Law zwar – weil es nicht besser geht – nicht ganz falsch mit “Treuhand”, “Treuhandvermögen” oder “Treuhandverhältnis” übersetzt, was aber den “trust” nach angloamerikanischem Recht in dem englischen Ausgangstext nur sehr entfernt und unvollständig charakterisiert. Darüber hinaus besteht oftmals nicht nur keine linguistische Deckungsgleichheit, sondern erst recht keine rechtliche, wie z. B. bei der “guarantee” des angloamerikanischen Rechts, die im Einzelfall nicht gerade selten fälschlich mit “Garantie” übersetzt wird, während es sich dabei – soweit es um ein Sicherungsrecht geht – in vielen Fällen tatsächlich jedoch um ein bürgschaftsähnliches Instrument handelt.
Die Maschine wird auch in der Zukunft nicht in der Lage sein, den Ausgangstext inhaltlich zu analysieren, der mit “Guarantee” überschrieben ist, um dann mittels einer Berechnung auf der Basis “0” oder “1” zu entscheiden, ob dieser Begriff – was möglich ist – im konkreten Fall zutreffend mit “Garantie” übersetzt wird. Selbst wenn dies theoretisch bis zu einem gewissen Grad vielleicht denkbar wäre, würde es jedoch einen perfekten Ausgangstext voraussetzen, was aber bei den vielfältigen, nicht immer professionellen Ausgestaltungen nicht der Fall ist. So oder so bliebe dann also weiterhin das Erfordernis einer “manuellen Nachbearbeitung”.
Ein Algorithmus ist nicht in der Lage, bei Übersetzungen juristischer Texte den Bedeutungsinhalt einzelner Begriffe aus der einen in eine andere Rechtssprache zu übertragen, da er nicht rechtsvergleichend übersetzen kann. Bei der Übersetzung von Texten mit juristischen Fachtermini muss aber eine Rechtsvergleichung erfolgen, mit deren Hilfe für juristische Begriffe aus der Ausgangsrechtsordnung ein äquivalenter Begriff in der Zielrechtsordnung bestimmt werden muss. Da sich die Ausgangssprache und die Zielsprache auf unterschiedliche Rechtssysteme beziehen, scheidet eine vollständige Äquivalenz im Sinne einer absoluten rechtsdogmatischen Kongruenz in der Regel aus.
Eine elektronische Datenbank mit einem “Eindeutigkeitsregime” wäre zwar in der Praxis als eine Art Rechtslexikon sehr hilfreich und nützlich, könnte das Problem bei maschinellen Übersetzungen von Rechtsbegriffen aber auch nicht lösen und würde im Ergebnis nur eine weitere qualifizierte Quelle neben bereits vorhandenen rechtsvergleichenden Abhandlungen darstellen. Die rechtsvergleichenden Erläuterungen beispielsweise zu dem nicht mit nur einem einzigen Wort inhaltlich rechtsdogmatisch zutreffend übersetzbaren Begriff des “trust” können nicht in einen übersetzten Fließtext übernommen werden. Diese Voraussetzung müsste aber bei einer maschinellen Übersetzung im Sinne eines “Eindeutigkeitsregimes” erfüllt sein.
Die Maschine kann u. a. auch nicht erkennen, dass Begriffen, die scheinbar keine juristische Bedeutung in einem Vertragstext zu haben scheinen, sondern – wie etwa “provided that” – vermeintlich stets der Allgemeinsprache zuzurechnen seien, tatsächlich jedoch eine juristische Bedeutung beizumessen ist. Der Empfängerhorizont der Maschine weicht dann von der für sie nicht erkennbaren Bedeutung ab. Gut, dass es qualifizierte Anwälte gibt, die ihre Mandantschaft auch in Zukunft gerne über die Bedeutung des übersetzten Begriffs “Treuhand” und vieler sonstiger Begriffe in dem Ausgangstext informieren.
Klaus Vorpeil, Rechtsanwalt, Mainz