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Es eilt! Mutige Entscheidungen für den Ausbau von Gigabitnetzen sind gefragt

Abbildung 1

Der Autor ist Rechtsanwalt und berät Investitionen in und Infrastrukturprojekte von Unternehmen und der Öffentlichen Hand in der IT. Er ist Partner bei der Wirtschaftskanzlei HEUKING und leitet deren Praxisgruppe für Informationstechnologie.

“Ohne zügigen Ausbau der digitalen Infrastruktur haben EU und Deutschland im internationalen Vergleich einen erheblichen Wettbewerbsnachteil.”

Die Europäische Union hat im Rahmen des “Politikprogramms für die digitale Dekade” umfangreiche Ziele für den Ausbau der Telekommunikationsinfrastruktur festgelegt. So sollen bis 2030 alle Endnutzer über einen Glasfaseranschluss verfügen sowie alle besiedelten Gebiete über Mobilfunk mindestens mit dem 5G-Standard versorgt werden. Hiervon sind wir im Jahr 2024 noch weit entfernt: Nur 64 % aller Endnutzer sind direkt an ein Glasfasernetz angeschlossen und nur 51 % der Flächen werden von 5G-Netzen abgedeckt. Eine Studie von WIK-Consult kommt zu dem Ergebnis, dass in der EU für die Umsetzung des angestrebten Gigabitausbaus der Festnetz- und Mobilfunkinfrastruktur noch Investitionen in Höhe bis zu 200 Milliarden Euro erforderlich sind.

In diesem Rahmen hat sich Deutschland im Juli 2022 zum Ziel gesetzt, bis 2025 eine Glasfaser-Versorgung von 50 % und bis 2030 von 100 % zu erreichen. Da im Jahr 2023 gerade einmal 35,6 % der Haushalte über einen Glasfaseranschluss verfügten, ist dies durchaus ambitioniert. Es ist Eile geboten, wenn wir im internationalen Wettbewerb, insbesondere mit den ostasiatischen Staaten – Japan z. B. hat eine Glasfaser-Netzabdeckung für 99,72 % der Haushalte schon 2022 erreicht – nicht weiter an Boden verlieren wollen.

Wie aktuell das Thema ist, zeigt der Beschluss des Bundeskabinetts vom vergangenen Juli, das “Gesetz zur Beschleunigung des Ausbaus von Telekommunikationsnetzen” auf den Weg zu bringen. Dieser soll nämlich die Rahmenbedingungen für den Ausbau von Telekommunikationsnetzen verbessern, indem z. B. Fristen in Genehmigungsverfahren verkürzt werden. Aber Deutschland als eines der finanzstärksten Länder in der EU ist gleichzeitig ein Beispiel dafür, wie schwierig es ist, die angestrebten Ziele zu erreichen. Einerseits sind die erforderlichen Investitionen immens, andererseits ist der Telekommunikationsmarkt seit 1998 privatisiert und zugleich 26 Jahre später immer noch reguliert, um kleinen Unternehmen den Markteintritt zu ermöglichen und den Wettbewerb zu fördern. Es sind also insbesondere private Investitionen in die Netzinfrastruktur erforderlich. Investoren sind aber bei steigenden Zinsen sehr zurückhaltend, in Infrastruktur zu investieren, weil nur sehr langfristig Returns zu erwarten sind. Das Jahr 2023 hat bereits zu der ein oder anderen “Notbremse” von Investoren geführt. Gleichzeitig haben mehr als 10 Jahre staatliche Förderung gezeigt, dass die Ausbauziele auch so nur schleppend erreicht werden.

Die Regulierung ist für Investoren oft abschreckend. In Deutschland sind die in Infrastruktur investierenden Unternehmen nach dem TKG verpflichtet, anderen Netzbetreibern Zugang zu ihren passiven Infrastrukturen zu gewähren und ggf. Verbrauchern eine Mindestversorgung mit Telekommunikationsdiensten zu einem “erschwinglichen Preis” anzubieten. Diese Rahmenbedingungen sorgen bei privaten Investitionsentscheidungen in Infrastruktur regelmäßig für Zurückhaltung.

Daher darf mit gewisser Spannung betrachtet werden, welchen Weg die EU nun einschlägt, um die richtigen, aber unter den aktuellen Rahmenbedingungen leider noch ambitionierten Ziele im gesteckten Zeitrahmen und gerne auch schneller zu erreichen. Es gibt in Kenntnis der Umstände Bestrebungen, Deregulierung als Mittel einzusetzen. So könnte z. B. ein Verzicht auf eine Preisregulierung einen besseren Schutz der Investitionen ermöglichen. Ein erster Vorstoß in Richtung Deregulierung ist durch die Annahme der Gigabit-Empfehlung durch die Kommission Anfang Februar 2024 erfolgt. Daraufhin ist Ende Februar das Weißbuch der Kommission erlassen worden, welches ebenfalls eine Deregulierung des Telekommunikationssektors vorschlägt.

Die Kritik hat nicht lange auf sich warten lassen. Befürchtet wird insbesondere eine Erhöhung der Preise für Endkunden als Folge von Monopolbildungen und fehlenden Preisregulierungen. Das Spannungsfeld zwischen dem Investitionsbedarf für den Infrastrukturausbau und Verbraucherschutz stellt die EU vor massive Herausforderungen. Der Infrastrukturausbau ist zwingend erforderlich. Gleichzeitig wird man eine Deregulierung nach Augenmaß vornehmen müssen, um eine übermäßige Belastung der Endkunden durch steigende Preise zu verhindern.

Dieses Spannungsfeld wird die EU in der neuen Legislaturperiode auflösen müssen. Die Gigabit-Empfehlung und das Weißbuch der Kommission vom Februar 2024 geben zwar eine allgemeine Richtung vor, sind aber nicht verbindlich. Die Ende April 2024 erlassene Gigabit-Infrastrukturverordnung (GIA) zielt bereits darauf ab, einen schnelleren Ausbau der Netzinfrastruktur in Europa zu ermöglichen, indem der Verwaltungsaufwand verringert wird.

Es bleibt abzuwarten, ob die EU sich dafür entscheiden wird, durch eine Deregulierung der Telekommunikation neue Anreize für Investoren zu setzen. Anlass zu einer solchen Deregulierung könnte insbesondere die Überprüfung des Europäischen Kodex für die elektronische Kommunikation (EECC) bieten, welche die Kommission bis Dezember 2025 vornehmen muss. Wichtig bleibt: Ohne wettbewerbsfähigen Ausbau der digitalen Infrastruktur hat die EU und insbesondere auch Deutschland im internationalen Vergleich (weiter) einen erheblichen Wettbewerbsnachteil. Es ist keine Zeit zu verlieren. Es ist vielmehr Eile geboten. Im Interesse aller Beteiligten sind mutige Entscheidungen und Handeln gefragt.

Markus Lennartz, Köln/Frankfurt a. M.

 
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