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RIW 2021, I
Ottenwälder 

Die Neuverteilung des globalen Steuerkuchens und Mindestbesteuerung: Nichts weniger als eine neue Weltsteuerordnung?

Abbildung 1

Die Umsetzung des 2-Säulen-Ansatzes der OECD ist zum Greifen nah

Wenn selbst kleinere Tageszeitungen weltweit die Besteuerung von Unternehmen aufgreifen und die neue Weltsteuerordnung ausrufen, dann ist etwas Großes im Busch! Und tatsächlich: Die aktuellen Entwicklungen der OECD und des sog. OECD/G20 Inclusive Framework on BEPS, in dem aktuell 140 Staaten vertreten sind, lassen deutliche steuerliche Veränderungen erwarten. Aber der Reihe nach!

Mit dem Aktionspunkt 1 des BEPS-Projekts (Base Erosion and Profit Shifting) setzte sich die OECD 2013 im Auftrag der G20 zum Ziel, den steuerlichen Herausforderungen aus der Digitalisierung zu begegnen. Ein in 2015 von der OECD veröffentlichter Abschlussbericht entfaltete zunächst nur wenig weitere politische Aktivitäten. Mit dem Zwischenbericht 2018 nahm das Thema jedoch wieder deutlich an Fahrt auf, um heute die Bewältigung dieser Herausforderungen als oberste Priorität der OECD auszuloben. Und so haben sich bisher 134 der 140 Staaten darauf verständigt, den globalen Steuerkuchen neu zu verteilen (Pillar 1) und zudem eine globale effektive Mindeststeuer von voraussichtlich 15 % einzuführen (Pillar 2). Dies ist durchaus beachtlich, wenn man sich vergegenwärtigt, dass die Partikularinteressen der Staaten – und deren Voraussetzungen – sehr unterschiedlich sind! So unterschiedlich sind jedoch auch die Machtverhältnisse, weshalb die Gegenposition der USA in der ersten Jahreshälfte 2021 das gesamte Projekt ins Wanken brachte. Mit dem G7-Communique vom 5. 6. 2021 wurde jedoch deutlich, was zum 1. 7. 2021 dann auch durch die G20/OECD konkretisiert wurde: Pillar 1 soll (vorerst) nur Konzerne mit einem jährlichen globalen Umsatz von mehr als EUR 20 Mrd. betreffen (sog. “Lex Amazon”). Die Mindestbesteuerung (Pillar 2) soll dagegen grundsätzlich auf Konzerne mit einem jährlichen globalen Umsatz von mind. EUR 750 Mio. Anwendung finden – und hat damit einen wesentlich breiteren Anwendungsbereich. Damit ist auch bei mittelständischen Unternehmen Vorsicht und ein genaues Monitoring der weiteren Entwicklungen geboten, um auf den möglichen Compliance-Mehraufwand vorbereitet zu sein. Die OECD arbeitet derzeit an zahlreichen technischen Details, die im Oktober 2021 den G20 Finanzministern vorgestellt werden sollen, um ein Inkrafttreten beider Säulen bereits im Jahr 2023 zu ermöglichen.

Was heißt das nun konkret?

Pillar 1: Die Neuordnung der Besteuerungsrechte soll dazu führen, sog. Übergewinne (“Amount A”), ohne physische Präsenz eines Konzerns in einem Marktstaat diesem Staat zuordnen zu können. Übergewinne resultieren dabei aus Gewinnmargen, die über einen Routinegewinn von derzeit 10 % hinausgehen. Die Zuordnung selbst wiederum soll einem noch konkret zu bestimmenden, formelhaften Schlüssel folgen – und zwar unabhängig davon, ob es sich um digitale Geschäftsmodelle handelt oder nicht! Auch hier sind noch zahlreiche technische Details offen. Die Rechtssicherheit (“Tax Certainty”) erscheint der OECD – wie auch den allermeisten Steuerpflichtigen – als wesentliches Anliegen. Daher sollen Prozesse gestaltet werden, die eine frühzeitige Abstimmung mit den betroffenen Finanzverwaltungen ermöglichen. Es bleibt zu hoffen, dass dies gelingt, denn die Erfahrungen im Bereich der Verrechnungspreise zeigen, dass solche Prozesse oftmals sehr langsam laufen und damit eine frühzeitige Rechtssicherheit nicht selten unerreicht bleibt. Im Gegenzug zu Pillar 1 sollen die Einzelstaaten oder Staatenverbünde (wie die EU) auf unilaterale Digitalsteuern verzichten. Der EU fällt dies mit der Idee einer EU-weiten Digital Service Tax zwar schwer, aber der Druck der USA scheint hier Wunder gewirkt zu haben.

Pillar 2: Die deutlich größere öffentliche Wahrnehmung wurde Pillar 2 zuteil, da dieser u. a. zu einer globalen Vergrößerung des Steuerkuchens führen und Unternehmen mehr zur Kasse bitten würde. Diese insbesondere von Deutschland getriebene Idee einer globalen effektiven Mindestbesteuerung soll wohl staatenbezogen Anwendung finden, d. h. ein globaler Ausgleich von niedrig und hoch besteuerten Einkünften innerhalb eines Konzerns wäre nicht möglich. Dies wird umgesetzt durch die sog. Global anti-Base Erosion Rules (bestehend aus “Income Inclusion Rule” und “Undertaxed Payment Rule”) sowie die Subject to Tax Rule. Die Income Inclusion Rule führt dazu, dass effektiv niedrig besteuertes Einkommen einer ausländischen Tochtergesellschaft (bzw. Betriebsstätte) bei der inländischen Muttergesellschaft (bzw. Stammhaus) der effektiven Mindestbesteuerung unterworfen werden. Die Undertaxed Payment Rule wiederum versagt den Betriebsausgabenabzug bei Zahlungen an verbundene Unternehmen, die dort nicht effektiv mindestbesteuert werden. Letztlich führt die Subject to Tax Rule dazu, dass Zahlungen an verbundene Unternehmen einer begrenzten Quellensteuer unterworfen werden können, wenn diese beim Empfänger nicht einer effektiven Mindestbesteuerung unterfallen. Neben die bereits bestehenden nationalen Missbrauchsvermeidungsregeln (wie z. B. den kaum handhabbaren § 4k EStG) werden weitere Regelungen hinzutreten.

Im Ergebnis dürfte insbesondere Pillar 2 (vor allem anfangs) zahlreichen Unternehmen noch deutlich größeren Compliance-Aufwand und ein erhöhtes Risiko einer strafbewehrten Nichteinhaltung bescheren. Umgekehrt werden sich auch die Finanzverwaltungen unterschiedlicher Staaten (und Steuerkulturen) einem verstärkten Prüfungs- und Abstimmungsaufwand ausgesetzt sehen. Es bleibt zu hoffen, dass der Oktober-Report mit pragmatischen und rechtssicheren Lösungen aufwartet. Die Hoffnung stirbt bekanntlich zuletzt!

Dr. Marco Ottenwälder, Steuerberater, Frankfurt a. M.

 
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