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RdF 2021, 81
Omlor 

eWpG als Startschuss für eine Legislaturperiode der Tokenisierung

Dem Finanzstandort Deutschland läuft bei der Tokenisierung im internationalen Wettbewerb die Zeit davon.

Abbildung 1

Die Blockchain-Technologie wird für die Zukunft des Wirtschafts- und Forschungsstandorts Deutschland als von zentraler Bedeutung eingeordnet, wie sich nicht zuletzt an der Existenz einer eigenen Blockchain-Strategie der Bundesregierung zeigt (zu den zugehörigen Rechtsfragen umfassend Omlor/Link [Hrsg.], Handbuch Kryptowährungen und Token, 2021). Mit ihr verbinden sich weitere Digitalisierungsthemen wie Industrie 4.0, Internet of Things, Smart Contracts und Künstliche Intelligenz. Im Zentrum dieser Blockchain-Revolution steht die rechtlich feste Verbindung von traditionellen Vermögenswerten außerhalb der Blockchain mit Token auf der Blockchain: der Prozess der Tokenisierung. Bislang ist nach deutschem Privatrecht eine solche Tokenisierung mit dinglich-absoluter Wirkung nicht möglich; schuldrechtliche Hilfskonstruktionen weisen wegen der Relativität der Schuldverhältnisse klassische Nachteile im Schutzniveau nicht zuletzt in der Insolvenz auf.

Den ersten und als solchen dezidiert begrüßenswerten Schritt zur Einführung tokenisierter Vermögenswerte ist der deutsche Gesetzgeber nun mit dem Gesetz zur Einführung von elektronischen Wertpapieren (eWpG) gegangen, das am 6.5.2021 in zweiter und dritter Lesung den Bundestag passierte (BT-Drs. 19/26925). Tokenisieren ließen sich danach Inhaberschuldverschreibungen und Fondsanteile. Damit würde erstmals für einen Teilbereich eine dingliche Tokenisierung zugelassen, wie sie etwa Liechtenstein und die Schweiz bereits kennen. Gerade die schweizerische Agilität verbunden mit dem Bemühen, als innovativer Blockchain-Standort weltweit zu punkten, hat jedoch in Deutschland bislang nur unzureichende Anreiz- und Vorbildwirkungen entfaltet. Weder ebnet das eWpG den Weg zu Bucheffekten, noch wird eine breite Grundlage für Folgevorhaben durch ein gesondertes Privatrecht der Blockchain-Token geschaffen.

Das zukünftige eWpG sollte daher als Startschuss für eine Legislaturperiode der Tokenisierung nach der Bundestagswahl 2021 dienen. Dringend ergänzt werden sollte das eWpG erstens durch ein Privatrecht der Token, für welche derzeit eine Kategorie im BGB und damit auch ein adäquater Schutz gegenüber Drittzugriffen fehlt. Auch lassen sich die sachenrechtlichen Übertragungsregeln bestenfalls hinkend auf unkörperliche Gegenstände wie Token übertragen. Zweitens ist generell der Übergang in ein Bucheffektensystem überfällig, wie es die Schweiz und viele andere Länder bereits erfolgreich praktizieren. Drittens schließlich steht auch eine Tokenisierung von Gesellschaftsanteilen an. Hierzu besteht aber noch interdisziplinärer Forschungsbedarf, welchen die Rechts-, Wirtschafts- und Technikwissenschaften gemeinsam abdecken müssen. Für den Finanzmarkt birgt die Blockchain-Technologie jedoch noch weitere Chancen und Herausforderungen, die über die Tokenisierung von Vermögenswerten hinausreichen, aber zugleich eng damit verbunden sind. Zahlungsmittel und Geld in Form von Blockchain-Token könnten bald auch den europäischen Zahlungsverkehr prägen. Solche Zahlungs-Token lassen sich u. a. als systemimmanente Bausteine für die automatisierte Transaktionsabwicklung mit tokenisierten Vermögenswerten nutzen.

Um ein qualitativ hochwertiges Blockchain-Gesamtpaket in der neuen Legislaturperiode schnüren zu können, muss unmittelbar zu deren Beginn mit der gesetzgeberischen Arbeit begonnen werden. Die Evaluationsfrist des eWpG sollte entsprechend auf maximal zwei Jahre verkürzt werden, um Anpassungen noch vor der übernächsten Bundestagswahl 2025 vornehmen zu können. Dem Finanzstandort Deutschland läuft ansonsten die Zeit im internationalen Wettbewerb namentlich mit London und Zürich, aber auch mit asiatischen Ländern davon. Das englische Recht ist strukturell deutlich flexibler und anpassungsfähiger für eine dingliche Miterfassung von Token. Zudem könnte der Wille, die eigene Marktposition post Brexit zu behaupten, als zusätzliche Antriebskraft für den britischen Gesetzgeber dienen, einen innovationsfreundlichen Rechtsrahmen zu gewährleisten. Die Schweiz hat zudem mit dem Distributed-Ledger-Technology- (DLT-)Gesetz zum 1.2.2021 die Einführung von Wertrechten auf Blockchain-Basis ermöglicht, so dass nunmehr DLT-Handelssysteme zum Einsatz kommen können. Deutschland sollte sich ein weiteres Abwarten nicht mehr leisten.

Prof. Dr. Sebastian Omlor ist Direktor des Instituts für das Recht der Digitalisierung an der Universität Marburg und Leiter des BMJV-Forschungsprojekts “Blockchain und Recht”.

 
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