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RdF 2023, 226
Schmies 

BGH: Einbeziehung von Anlagebedingungen in den Investmentvertrag

BGH, Urteil vom 2.3.2023 - III ZR 108/22

ECLI:DE:BGH:2023:020323UIIIZR108.22.0

Leitsätze

a) Die Anlagebedingungen eines Investmentfonds (OGAW-Sondervermögen) nach § 162, § 163 KAGB müssen als Allgemeine Geschäftsbedingungen i. S. d. §§ 305 ff. BGB wirksam in den Investmentvertrag zwischen dem Anleger und der Kapitalverwaltungsgesellschaft einbezogen werden.

b) Dies geschieht beim unmittelbaren oder durch Dritte vermittelten Ersterwerb von Fondsanteilen von der Kapitalverwaltungsgesellschaft durch einen Privatanleger nach § 305 Abs. 2 BGB.

c) Beim Zweiterwerb von Fondsanteilen über eine Börse oder auf dem freien Markt tritt der Letzterwerber aufgrund eines Rechtskaufs im Sinne des § 453 BGB in sämtliche Rechte und Pflichten des Ersterwerbers aus dem Investmentvertrag ein, weshalb es im Verhältnis zwischen ihm und der Kapitalverwaltungsgesellschaft keiner erneuten rechtsgeschäftlichen Anerkennung der Anlagebedingungen bedarf. Vielmehr genügt es, dass die Anlagebedingungen wirksam in den zwischen der Kapitalverwaltungsgesellschaft und dem Ersterwerber geschlossenen Investmentvertrag einbezogen worden sind. (Bestätigung von Senat, Urteil vom 21. April 2022 – III ZR 268/20, WM 2022, 1057 Rn. 18 ff).

Zusammenfassung

Der Kläger nimmt die beklagte Kapitalverwaltungsgesellschaft (KVG) eines Luxemburger Organismus-für-gemeinsame-Anlagen in Wertpapieren-(OGAW-)Investmentvermögens auf anteilige Rückzahlung von Vertriebsentgelten in Anspruch, die dem Fondsvermögen entnommen wurden. Das Verwaltungsreglement des OGAW sah eine Kostenpauschale bis zu einer bestimmten Maximalhöhe vor, die im Verkaufsprospekt präzisiert wurde. Ferner bestimmte das Verwaltungsreglement die Zuständigkeit Luxemburger Gerichte sowie die Anwendbarkeit Luxemburger Rechts.

Der BGH gelangte in seiner Entscheidung nicht zur rechtlichen Beurteilung des Inhalts der Kostenklauseln, da das Berufungsgericht nach Ansicht des BGH keine tatsächlichen Feststellungen getroffen hatte, welche den Schluss der wirksamen Vereinbarung der Kostenklausel im Verwaltungsreglement tragen könnten. Der BGH bekräftigte dabei seine Rechtsprechung, dass auch im Falle von Anlagebedingungen die Einbeziehung von Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) neben dem Einverständnis des Verbrauchers den allgemeinen Anforderungen des § 305 Abs. 2 BGB unterläge.

Im Einklang mit seiner bisherigen Rechtsprechung führt der BGH aus, dass der Investmentvertrag nur bei der erstmaligen Ausgabe von Anteilen zwischen der KVG und dem Ersterwerber zustande komme. Weitere Erwerber des Fondsanteils träten aufgrund eines Rechtskaufs in die Rechtsstellung des Ersterwerbers ein, ohne dass es im Verhältnis des weiteren Erwerbers zur KVG einer erneuten rechtsgeschäftlichen Anerkennung der Anlagebedingungen bedürfte. Bei einem Ersterwerb durch einen Unternehmer i. S. d. § 14 BGB gälten dabei erleichterte Einbeziehungsanforderungen nach § 310 Abs. 1 S. 1 BGB. Der BGH verwies den Rechtsstreit für weitere Tatsachenfeststellungen an das Berufungsgericht, merkte dabei aber an, dass grundsätzlich die Beklagte die tatsächlichen Voraussetzungen für eine wirksame Einbeziehung des Verwaltungsreglements darzulegen und zu beweisen habe.

Praxisfolgen

Die Anlagebedingungen von Investmentvermögen stellen nach Rechtsprechung und ganz überwiegender Literaturauffassung (vgl. Kloyer/Kobabe, in: Assmann/Wallach/Zetzsche [Hrsg.], KAGB, 2. Aufl. 2023, § 162 KAGB, Rn. 38 m. w. N.) AGB i. S. d. §§ 305 ff. BGB dar, da sie von der Kapitalverwaltungsgesellschaft für eine Vielzahl von Anlegern entworfen werden (vgl. BGH, 21.4.2022 – III ZR 268/20, BB 2022, 1357, NJW-RR 2022, 984, 985). Aus Perspektive des deutschen Rechts erscheint es dann konsequent, auch die Bedingungen des Verwaltungsreglements eines Luxemburger Fonds Commun de Placement, einer dem deutschen Sondervermögen ähnlichen Rechtsform (vgl. Wollenhaupt/Tokman, RdF 2023, 100), als AGB zu qualifizieren – wenn denn deutsches Recht überhaupt relevant ist.

AGB unterliegen der Einbeziehungskontrolle und der Inhaltskontrolle. Das aufsichtsrechtliche Vertriebsrecht des KAGB lässt dies nicht erkennen, sieht es doch im Wesentlichen das “Festhalten” der Anlagebedingungen in Textform (§ 162 Abs. 1 KAGB) und Bereitstellungs- bzw. Hinweispflichten gegenüber dem Anleger vor (§§ 164 Abs. 1 S. 1 BGB, 297 Abs. 3 KAGB). Auf das Ver-RdF 2023 S. 226 (227)hältnis der aufsichtsrechtlichen Vorgaben zum AGB-Recht geht der BGH nicht im Detail ein, obgleich in der Literatur die Ansicht vertreten wird, dass sich aus dem Aufsichtsrecht Erleichterungen für die Einbeziehung von Anlagebedingungen ergeben (vgl. Beckmann, in: Beckmann/Scholtz/Vollmer [Hrsg.], Investment, Stand: Mai 2023, § 43 InvG, Rn. 14.).

Gegenstand der BGH-Entscheidung war lediglich die Einbeziehungskontrolle, d. h. die Frage, ob die Kostenregelung des Verwaltungsreglements wirksam mit dem Anleger vereinbart wurde. Dass die Bestimmungen des Luxemburger Verwaltungsreglements international-privatrechtlich überhaupt am Maßstab des deutschen AGB-Rechts zu prüfen sind, ist keine Selbstverständlichkeit. Der BGH geht in seinem Urteil auf die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte ein, die er aufgrund des Verbrauchergerichtsstand nach Art. 17 Abs. 1 Buchst. c, Art. 18 Abs. 1 EuGVVO bejaht. Die Anwendbarkeit deutschen Rechts für die AGB-Kontrolle des Verwaltungsreglements thematisiert der BGH jedoch – wohl revisionsbedingt – nicht.

Das erstinstanzlich befasste AG Wiesbaden widmete sich dieser Frage. Es hatte die im Verwaltungsreglement enthaltene Rechtswahlklausel als unwirksam betrachtet. Über Art. 6 Abs. 1 Rom-I VO (ABlEU vom 4.7.2008, L 177, 6) kam es zur Anwendbarkeit deutschen Rechts. Art. 6 Abs. 1 Rom-I VO gilt gem. Art. 6 Abs. 4 Buchst. d Rom-I VO jedoch u. a. nicht für Rechte und Pflichten im Zusammenhang mit einem Finanzinstrument sowie Rechte und Pflichten, durch die die Zeichnung oder der Rückkauf von Anteilen an Organismen für gemeinsame Anlagen in Wertpapieren festgelegt werden, sofern es sich dabei nicht um die Erbringung von Finanzdienstleistungen handelt. In diesem Fall bleibt es vielmehr bei den allgemeinen Anknüpfungsregeln der Rom I-VO.

Art. 6 Abs. 4 Buchst. d Rom-I VO wird in der Entscheidung des AG Wiesbaden nicht problematisiert, obwohl es sich bei dem streitgegenständlichen Fonds um einen OGAW und bei den Anteilen daran um Finanzinstrumente handelt. Der Fall hätte dabei Anlass gegeben, sich mit der umstrittenen Reichweite der Rückausnahme “sofern es sich dabei nicht um die Erbringung von Finanzdienstleistungen handelt” auseinanderzusetzen (vgl. dazu nur Rühl, in: Gsell u. a. [Hrsg.], BeckOGK, Stand: Febr. 2023, Art. 6 Rom I-VO, Rn. 170 ff.). Zwar mag der Erwerb eines OGAW im Rahmen einer Finanzdienstleistung (z. B. Finanzkommissionsgeschäft, Vermögensverwaltung) erfolgen. Die Verwaltung des OGAW selbst stellt aufsichtsrechtlich jedoch keine Finanzdienstleistung dar. Im Hinblick auf die in der Präambel zur Rom I-VO dokumentierten Zielsetzung, die Fungibilität von Finanzinstrumenten zu wahren, ist dies auch für das Internationale Privatrecht das überzeugende Ergebnis. Anderenfalls droht die Zersplitterung eines als fungibel konzipierten europäischen Investmentprodukts durch unterschiedliche nationale Rechtsordnungen. Die Anlagebedingungen von OGAW unterliegen daher aufgrund von Art. 6 Abs. 4 Buchst. d Rom-I VO nicht Art. 6 Abs. 1 und 2 Rom I-VO (so auch Freitag, ZHR 2020, 139, 147.

Eine erhebliche Gefährdung der Fungibilität von Fondsanteilen droht allerdings auch im rein nationalen Kontext aus der Einbeziehungskontrolle in ihrer Handhabung durch den BGH. Denn wie man der BGH-Entscheidung entnehmen kann, mögen Anlagebedingungen je nach den situativen Umständen des Ersterwerbs wirksam einbezogen worden sein oder nicht. Bereits für den Zweiterwerber ist dies i. d. R. nicht ersichtlich. Derselbe Anleger mag Fondsanteile zudem auf unterschiedlichen Wegen erworben haben, originär von der KVG, über Intermediäre, durch Depotüberträge. Den im Depotbestand des Anlegers verbuchten Anteilen lässt sich nicht ansehen, auf welche Weise sie erworben wurden.

In einer Entscheidung aus dem Jahr 2005 hat der BGH Anleihebedingungen durch eine “funktionale Reduktion” der AGB-Einbeziehungskontrolle entzogen. Ungeachtet der unterschiedlichen Emissionsumstände von Anleihebedingungen und Fondsanteilen sind wesentliche Erwägungen, die den BGH bei Anleihebedingungen zum Ausschluss der Einbeziehungskontrolle motiviert haben, auch für Fondsanteile relevant: (1) die Wahrung der Inhaltsgleichheit und Verkehrsfähigkeit; (2) der Schutz der Einbeziehungskontrolle ohnehin nur für den Ersterwerber; (3) ausreichende Publizität durch Aufsichtsrecht. Bei den Anlagebedingungen von Publikums-Investmentvermögen kommt hinzu, dass diese sogar einer Genehmigung der BaFin unterliegen, zu deren Aufgabe der kollektive Verbraucherschutz zählt. Es überrascht daher, dass der BGH in seiner Entscheidung nicht näher auf diese Erwägungen eingeht. Ein Verlust an Fungibilität und Verkehrsfähigkeit ist ein hoher Preis. Die Anwendung von § 305 Abs. 2 BGB auf die Einbeziehung von Anlagebedingungen gehört daher stärker auf den Prüfstand – de lege lata und de lege ferenda.

RdF-ONLINE Volltext des Urteils: RdFL2023-227-1 unter www.rdf-online.de

Abbildung 19

Dr. Christian Schmies, RA, ist Partner der Hengeler Mueller Partnerschaft von Rechtsanwälten mbB in Frankfurt a. M.

 
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