Aufsichtsrechtliche Regelungen für Banken nach der Finanzkrise: Koordination vonnöten!
Bei neuen Regulierungsvorhaben sind globale Standards erforderlich
Die Finanzkrise von 2008 bedeutete eine Zeitenwende für die gesamte Bankenbranche. Das bis dahin gültige Regelwerk zeigte eine Vielzahl von Lücken und Schwachstellen auf. Insbes. Großbanken, die global tätig sind, sehen sich seitdem einer nie dagewesenen Flut von neuen aufsichtsrechtlichen Regelungen gegenüber.
Im Bereich der Kapitalvorschriften nach Basel II waren bspw. bestimmte in der Finanzkrise zu Tage getretene Risiken (z. B. kreditrisikobezogene Migrationsrisiken) in die Berechnung des regulatorischen Kapitals nicht einbezogen. Im Bereich der Marktrisiken hatte dies zur Folge, dass das ökonomische Kapital, das Banken vorhielten, in vielen Fällen höher war als das von Aufsichtsbehörden geforderte regulatorische Kapital. Dies bedeutete, dass Banken ihr Risiko höher einschätzten als die Aufsichtsbehörden. Im Produktbereich gab es Aktivitäten, die intransparent und nahezu unreguliert waren, z. B. der Markt für OTC-Derivate. Die Finanzindustrie ist nun dabei, die neuen Regelwerke in die tägliche Praxis umzusetzen. Dies ist eine Mammutaufgabe angesichts der Vielzahl von neuen Vorschriften. In vielen Fällen sind erhebliche Anpassungen von bankinternen Prozessen und Vertragsbeziehungen mit Kunden, Änderungen von IT-Systemen, Schulungen, Kundeninformationen oder gar ein Umbau der Bankorganisation notwendig. Im Bereich der Kapitalvorschriften (CRD IV/CRR) führen die Neuregelungen darüber hinaus dazu, dass Banken zusätzliches Eigenkapital einsammeln müssen und sich für bestimmte Geschäftsbereiche überlegen müssen, ob diese in Zukunft angesichts der gestiegenen Kapitalanforderungen noch rentabel sind. Neben den wohl zentralen Regelungen in CRD IV/CRR gibt es eine Vielzahl anderer neuer Vorschriften in einzelnen Ländern, der EU, den USA (z. B. Dodd Frank) und Asien, die einen hohen Implementierungsaufwand für Großbanken mit sich bringen. Im Bereich der Produktregulierung hat die Umsetzung der Regelungen der Marktinfrastrukturverordnung EMIR derzeit höchste Prioriät. Aufgrund von EMIR müssen Derivate-Häuser künftig OTC-Derivate über zentrale Kontrahenten abwickeln. Bei nicht über zentrale Kontrahenten geclearten Derivaten müssen Derivate-Parteien bestimmte Anforderungen zur Verringerung von Risiken erfüllen. Hinzu kommen MiFID II und MiFIR, die gerade für das Geschäft von Investmentbanken von zentraler Bedeutung sind und u. a. den Handel mit Derivaten neu regeln werden.
Über einzelne Details eines jeden Regelungsvorhabens lässt sich trefflich diskutieren. Die Finanzindustrie erkennt allerdings die Notwendigkeit für eine grundlegende Neuausrichtung der Regulierung an. Allerdings operieren Banken nicht in einem Vakuum, sondern die Finanzindustrie ist sehr eng mit der Realwirtschaft verflochten. Aus diesem Grund wäre es wünschenswert, wenn bei Regulierungsvorhaben die Auswirkungen auf die Realwirtschaft im Vorfeld noch besser untersucht würden. Dies war in der Vergangenheit nicht immer der Fall. Eines der größten Probleme für Banken ist aber die derzeit wieder zunehmende Fragmentierung der Regelwerke bzw. der Regulierungspraxis und die mangelnde Abstimmung der Regierungen und Behörden innerhalb der EU sowie global. Dies kann v. a. für international tätige Großbanken zu erheblichen Wettbewerbsverzerrungen führen. Beispiele hierfür sind die neuesten US-Anforderungen an die Organisation der Tätigkeit ausländischer Institute in den USA (FBO Regulation) sowie die unterschiedlichen Regelungen in den Mitgliedstaaten der EU zur Bankentrennung. Aus diesem Grund ist die Einführung einer Bankenunion in der Eurozone ausdrücklich zu begrüßen. Es wäre aber wünschenswert gewesen, wenn die Bankenunion sämtliche EU-Staaten umfasst hätte. Auch im Bereich der Produktregulierung gibt es Beispiele für die noch immer bestehende Zersplitterung des Markts. So werden zwar mit EMIR und MiFID II/MiFIR EU-weit eine Vielzahl von neuen Regelungen für Derivate eingeführt, allerdings gibt es bislang noch keine einheitliche Auffassung darüber, was ein Derivat ist. Dies führt v. a. bei Derivate-Transaktionen zwischen zwei Ländern mit unterschiedlichen Definitionen von Derivaten zu Problemen. Auch zwischen der EU und den USA gibt es unterschiedliche Regelungen für Derivate im Rahmen von EMIR und Dodd Frank. Bei einem globalen Markt wie dem Derivate-Markt führen selbst kleine Unterschiede in vielen Fällen zu Unklarheiten und Doppelarbeit für die Marktteilnehmer. Aus Sicht der Finanzindustrie bleibt deshalb zu hoffen, dass bei neuen Regulierungsvorhaben die wesentlichen Finanzzentren der Welt noch stärker an globalen Standards arbeiten.
Christof von Dryander ist Deputy General Counsel der Deutsche Bank AG, Frankfurt