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RdF 2015, 177
Roegele 

RdF 2015, Heft 03, Umschlagteil S. 177 (177)Ad-hoc-Publizität reloaded

Jetzt müssen sich Freiverkehrsemittenten auf neue Pflichten einstellen.

Abbildung 1

Manch ein Emittent wird denken: Der Ad-hoc-Mitteilungspflicht entkommt man nicht – zumindest nicht langfristig. Mit Inkrafttreten der Market Abuse Regulation (MAR, Marktmissbrauchsverordnung) ab dem 3.7.2016 sind auch jene wieder verpflichtet, Insiderinformationen zu veröffentlichen, die sich vom regulierten Markt in den deutschen Freiverkehr verabschiedet hatten. In der Tat las man in der Vergangenheit des Öfteren Ad-hoc-Meldungen, mit denen Emittenten bekanntgaben, den regulierten Markt zu verlassen. Als Grund wurde auch angegeben, dass man so die zahlreichen Veröffentlichungspflichten, die für den regulierten Markt gelten, vermeiden wollte.

Bisher galt die Marktmissbrauchsrichtlinie, die im Wertpapierhandelsgesetz (WpHG) umgesetzt wurde. Danach waren nur Emittenten am regulierten Markt verpflichtet, eine Ad-hoc-Meldung zur Veröffentlichung ihrer Insiderinformationen zu schalten. Mit Inkrafttreten der MAR müssen auch Emittenten von Finanzinstrumenten, die am Multilateralen bzw. Organisierten Handelssystem (Multilateral Trading Facility – MTF bzw. Organized Trading Facility – OTF) notiert sind, Insiderinformationen veröffentlichen. Da die in Deutschland bekannten Freiverkehre MTF i. S. d. MAR sind, trifft die Veröffentlichungspflicht künftig alle Emittenten, die auf eigenen Wunsch oder mit entsprechender Zustimmung auf diesen Plattformen gelistet sind.

Aus den Gesprächen mit Kapitalmarktteilnehmern haben wir den Eindruck, dass vielen Emittenten diese neue Regelung noch nicht bekannt ist und daher häufig auch die Organisationsstrukturen zur Erfüllung dieser Veröffentlichungspflicht noch nicht in Vorbereitung sind. Bei der BaFin stellen wir uns entsprechend deshalb darauf ein, viel an Aufklärungsarbeit zu leisten, um die Emittenten zu unterstützen.

Aber auch für eine weitere Gruppe von Emittenten gibt es neue Pflichten: Die Teilnehmer am Emissionszertifikatemarkt müssen demnächst ebenfalls Insiderinformationen veröffentlichen. Dies werden v. a. Informationen über die Kapazität, Nutzung und Auslastung von Anlagen sein. Das ist auch für die BaFin neues Terrain bzw. ein neuer Markt, dessen Abläufe und Teilnehmer wir erst kennenlernen und verstehen müssen. Wir richten uns daher auf einen intensiven Austausch mit den Teilnehmern ein, da sich manche Anwendungsfrage voraussichtlich erst in der laufenden Verwaltungspraxis ergeben wird.

Die vorübergehende Befreiung von der Ad-hoc-Veröffentlichungspflicht bleibt jedoch eine bekannte Konstante. Sie wird für Kredit- und Finanzdienstleistungsinstitute in bestimmten Fällen sogar erweitert, wobei für diese neue Fallgruppe die Zustimmung der BaFin erforderlich ist. Es bleibt hier abzuwarten, ob und in welchen Fällen diese neue Regelung zum Tragen kommen wird, denn es sind hohe Anforderungen daran geknüpft, wie etwa das Erfordernis der Wahrung der Finanzstabilität.

Unterm Strich bleibt der Grundgedanke der Ad-hoc-Publizität erhalten: die Pflicht, Insiderinformationen unverzüglich zu veröffentlichen, um dem ganzen Kapitalmarkt den gleichen Wissensstand zu ermöglichen und Insiderhandel zu verhindern – nur mit dem Unterschied, dass europaweit viel mehr Emittenten und Teilnehmer der gleichen Pflicht direkt unterliegen: Ad-hoc-Publizität reloaded.

Anders als die Marktmissbrauchsrichtlinie gilt die MAR als EU-Verordnung unmittelbar in allen europäischen Mitgliedstaaten, ohne dass es hierfür nationaler Umsetzungsgesetze bedarf. Sichergestellt wird dadurch künftig eine einheitliche Umsetzung der Vorschriften im gesamten EU-Raum. Die bisherigen Bedenken deutscher Marktteilnehmer über eine mögliche unterschiedliche Aufsichtspraxis sollten damit ad acta gelegt werden können.

Der EU-Gesetzgeber beabsichtigt mit den neuen MAR-Regelungen einen verbesserten Anlegerschutz und eine Erhöhung der Transparenz auch an den Emissionszertifikatemärkten. Unerlässlich dafür ist aber, dass sich alle betroffenen Marktteilnehmer – sei es Emittenten, Investoren oder Betreiber von Börsen und Handelsplätzen – frühzeitig mit den künftigen Spielregeln befassen. Es wird spannend sein zu beobachten, wie die Emittenten und Marktteilnehmer sich dazu aufstellen werden. Werden diese Regelungen gelebt, dann profitieren Anleger und Handelsplätze gleichermaßen davon.

Elisabeth Roegele ist Exekutivdirektorin Wertpapieraufsicht/Asset-Management bei der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin).

 
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