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NUR 2006, 89
Storost 

Verkehrsnetzwirtschaft im Spannungsfeld privater und öffentlicher Interessen

von Dr. Ulrich Storost*

Die Netzwirtschaften des Verkehrssektors stehen in einem Spannungsfeld verschiedener Interessen. Das wettbewerbliche Interesse an einer möglichst

freien Errichtung der Netzinfrastruktur stößt auf das öffentliche Interesse, dass dabei dem Wohl der Allgemeinheit Rechnung getragen wird, und auf die privaten Interessen Dritter, dabei von Immissionen oder von Eingriffen in ihr Eigentum verschont zu bleiben.

Das rechtliche Instrument zum Ausgleich dieses Konflikts ist das Planfeststellungsverfahren. Duch den mit Konzentrationswirkung versehenen Planfeststellungsbeschluss wird die Zulässigkeit des Vorhabens im Hinblick auf alle von ihm berührten Belange festgestellt sowie die Errichtung und Inbetriebnahme des Vorhabens freigegeben. Diese umfassende Genehmigungs-, Gestaltungs- und Duldungswirkung ist grundsätzlich nur gerechtfertigt, wenn – formellrechtlich – in einem entsprechend umfassenden Anhörungsverfahren vor der Entscheidung alle durch das Vorhaben berührten öffentlichen und privaten Belange in den Entscheidungsprozess eingebracht werden können und wenn – materiellrechtlich – sichergestellt ist, dass bei der Entscheidung unter Beachtung gesetzlicher Wertungen alle diese Belange gegeneinander und untereinander gerecht abgewogen werden. Diese materiellrechtliche Bindung verlangt, dass – erstens – eine Abwägung überhaupt stattfindet, dass – zweitens – in die Abwägung an Belangen eingestellt wird, was nach Lage der Dinge in sie eingestellt werden muss, und dass – drittens – weder die Bedeutung der betroffenen Belange verkannt noch der Ausgleich zwischen ihnen in einer Weise vorgenommen wird, die zur objektiven Gewichtigkeit einzelner Belange außer Verhältnis steht. Damit normiert das Recht nur einen Rahmen.

Zur Ausfüllung dieses Rahmens ist zunächst der Träger des Vorhabens berufen. Die Planfeststellungsbehörde kann sich dessen Abwägung nachvollziehend zu eigen machen oder, wenn diese an rechtlichen Mängeln leidet oder nicht sachgerecht erscheint, durch eine eigene Abwägung ersetzen. Je nach dem Ergebnis dieser Abwägung kann sie den Plan – erforderlichenfalls mit rechtlich gebotenen oder aufgrund der Abwägung gerechtfertigten Schutzauflagen – unverändert oder – im Einvernehmen mit dem Träger des Vorhabens und ggf. nach erneuter oder ergänzender Anhörung – mit geändertem Inhalt feststellen oder, wenn beides aus Rechtsgründen oder aufgrund der Abwägung nicht gerechtfertigt ist, die Planfeststellung ablehnen.

Es wäre kurzsichtig und sachfremd, dieses Instrumentarium des Fachplanungsrechts als bürokratisches Investitionshemmnis zu verteufeln. Die langfristige Investitionssicherheit, die eine Planfeststellung verschafft, wiegt als Standortvorteil kurzfristige Verzögerungen durch die notwendige Dauer des Planfeststellungsverfahrens bei weitem auf. Für unproblematische Fälle stellt die Rechtsordnung zudem das Plangenehmigungsverfahren bereit, für das die Vorschriften über das Planfeststellungsverfahren keine Anwendung finden, obwohl die Plangenehmigung die Rechtswirkungen der Planfeststellung hat.

Abbildung 1

*

Vorsitzender Richter des u.a. für das Fachplanungsrecht der Schienenwege, Straßen und Wasserstraßen zuständigen 9. Revisionssenates des Bundesverwaltungsgerichts.

 
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