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NUR 2011, 225
Andreae 

Post braucht Wettbewerb – Wettbewerb braucht faire Bedingungen

Kerstin Andreae, MdB*

Vor rund 20 Jahren wurde die Deutsche Bundespost in privatrechtliche Unternehmen umgewandelt. Später wurde der Postmarkt weiter liberalisiert und steht heute offen für alle Wettbewerber – zumindest offiziell. Denn immer noch hat der ehemalige Staatsmonopolist, die Deutsche Post AG, einen Marktanteil im Briefsegment von fast 90%. Daher halten viele Mitbewerber die Marktöffnung für gescheitert und sprechen von einer Re-Monopolisierung.

Auf europäischer Ebene hat die Verabschiedung der dritten EU-Postrichtlinie Klarheit hinsichtlich der Marktöffnungen in den Mitgliedstaaten gebracht. Diese sind nunmehr verbindlich und sehen eine völlige Abschaffung aller verbliebenen Restmonopole bis spätestens Ende 2012 vor. Hinzu kommen Regelungen zur Finanzierung des Universaldienstes. Ziel des europäischen Harmonisierungsprozesses im Postsektor ist es, die Wettbewerbsbedingungen europaweit anzugleichen sowie die Verbraucherrechte zu stärken. Der deutsche Gesetzgeber hat zudem die Berücksichtigung sozialer Belange als Regulierungsziel im PostG verankert. Mit der Liberalisierung sollten neue Arbeitsplätze sowie ein qualitativ hochwertiges Angebot an Postdienstleistungen bei sinkenden Preisen entstehen. In der Praxis hat sich die Regulierung aber zu einseitig auf preisliche Vorgaben fixiert. In der Konsequenz führte das zu drastischen Einschnitten bei den Beschäftigen. Heute arbeiten in den Nachfolgeorganisationen der Bundespost 130 000 Menschen weniger als damals und die verbliebenen Angestellten leiden zunehmend unter schlechten Arbeitsbedingungen und Lohndumping. Bei einer neuen Reform des PostG müssen daher neben Preisen und Angeboten bessere Sozialstandards in den Fokus einer Regulierung gestellt werden.

Für die weitere Marktentwicklung wird zudem der anstehende Übergang auf die elektronische Abwicklung von Briefdienstleistungen von hoher Bedeutung sein. Bestehende Angebote werden durch neuartige Dienstleistungen ergänzt oder partiell ersetzt. Dies kann dazu führen, dass sich die bislang starre Marktstruktur auf der Anbieterseite auch zugunsten neuer Wettbewerber verschiebt, die auf die steigende Akzeptanz internetbasierter Anwendungen in der Bevölkerung setzen und in innovativen Angeboten ihre Chance suchen. Verbraucherinnen und Verbraucher haben in Zeiten des Internets andere Erwartungen an die Postversorgung als noch vor einigen Jahren. Moderne Postdienstleistungen gehen deshalb über Frankierung und Annahme von Briefen und Paketen hinaus. Wettbewerb auf Höhe der Zeit darf sich nicht nur unter Kostengesichtspunkten lohnen, sondern muss auch Service, Innovation und soziale Standards einbeziehen.

Abbildung 1

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Wirtschaftspolitische Sprecherin der Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen.

 
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