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NUR 2008, 1
Boltz 

Funktionierender Wettbewerb auf den europäischen Strom- und Gasmärkten?

von Walter Boltz*

Spätestens seit 2005 wird in Europa über Funktion oder Nicht-Funktion des Wettbewerbs auf den Strom- und Gasmärkten diskutiert. Die Unzufriedenheit der Endverbraucher hat dazu geführt, dass durch Sondergesetzgebung (siehe z. B. das deutsche Sonderwettbewerbsrecht) Unzulänglichkeiten beseitigt werden sollten, die von Anfang an im Blick der politischen Entscheidungsträger waren.

Bereits anlässlich der Verabschiedung der ersten Binnenmarktrichtlinien im Jahr 1996 und 1998 wurde von einem integrierten europäischen Markt als Ziel gesprochen. Die Richtlinien haben dazu allerdings nicht die ausreichenden Voraussetzungen geschaffen. Sie haben weder unabhängige Netzbetreiber installiert noch haben sie zu einer Marktintegration geführt.

Das zweite Binnenmarktpaket 2003 hat dann durch die beiden Verordnungen über grenzüberschreitenden Transport bei elektrischer Energie und Erdgas einen Schritt weiter gemacht. Transparenz bei Übertragungsnetzbetreibern und klarere Regeln für deren Verhalten sollten die Märkte integrieren helfen. Deren Unabhängigkeit sollte durch die Einbringung der Netzagenden in eine eigene Gesellschaft erreicht werden.

Tatsächlich ist aber das zweite Paket noch immer viel zu ungenau in den Vorgaben; die integrierten Unternehmen können aufgrund unzulänglicher gesetzlicher Vorgaben noch immer zu ihren eigenen Gunsten agieren. Die Konsequenzen sind bekannt: Netzgesellschaften fristen oft als sog. Verwaltungsgesellschaften ein bescheidenes Dasein, die Existenz der im zweiten Binnenmarktpaket geforderten unabhängigen Netzgesellschaften mit eigener Entscheidungskompetenz sowie einer unbezweifelbaren Unparteiligkeit gegenüber den Marktteilnehmern wird nicht einmal von den Netzgesellschaften selbst ernsthaft behauptet: Ineffizienz am Großhandelsmarkt und gerade auch in Deutschland hohe, im internationalen Vergleich sogar sehr hohe Preise, sind die Konsequenz.

Dass die Endverbraucher wohl kein Vertrauen in einen derartigen Markt haben und bei jeder Preissteigerung Absprachen und Diskriminierung vermuten, verwundert deshalb nicht. Und tatsächlich ist der Wettbewerb vor allem um kleine Endkunden (Haushalte, Gewerbe, Handel) fast in keinem Land in Gang gekommen.

Die europäische Strom- und Gaswirtschaft und mit ihr die Netzwirtschaft steckt deshalb in einer Vertrauenskrise, da alle bisherigen, halbherzigen Maßnahmen nicht zu einem funktionierenden Wettbewerb geführt haben. Die Versicherungen, dass die Probleme nur in der Vergangenheit vorhanden waren und jetzt, wenn man nur endlich den Markt wirken ließe, ein dynamischer Wettbewerb entstehen würde, können nicht überzeugen. Es sind alle gut beraten, nun endlich zu einem System beizutragen, das auch wirklich einen funktionierenden Wettbewerb bewirkt, denn sonst wird wohl in wenigen Jahren von einem vierten Paket die Rede sein.

Abbildung 1

*

Geschäftsführer der Energie-Control GmbH (Österreich).

 
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