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NUR 2014, 185
Gipp 

Der Fernbusmarkt und die (Un-) Wägbarkeiten der Politik

Christoph Gipp*

Der Fernbusmarkt wurde in Deutschland erst zum 1. Januar 2013 liberalisiert. Bis dahin herrschte eine restriktive Markteintrittsregulierung, die dem Schutz der Bahn galt.

Seit der weitgehenden Marktöffnung können wir die Dynamik einer Liberalisierung beobachten: Gemessen in angebotenen Linien und Fahrten hat sich das Angebot allein im Jahr 2013 annähernd verdreifacht. Die Fahrgäste sind in hohem Maße zufrieden – vor allem mit den vergleichsweise günstigen Preisen – und insgesamt erwarten die Betreiber selbst kurz- bis mittelfristig bis zu zweistellige Wachstumsraten der Umsatzerlöse. Dennoch ist der Markt noch im Aufbau und ist noch von einem hohem Wettbewerbsdruck und geringen Margen gekennzeichnet.

In den letzten Monaten überschattet leider jedoch eine politische Diskussion die bisherige erfolgreiche Entwicklung des Fernbusmarktes: Verkehrspolitiker der Koalition, der Deutsche Städtetag u. a. fordern eine Mautpflicht für Busse. Die Forderungen zielen dabei auf eine „vermeintliche“ Gleichbehandlung mit Bahnanbietern, rein fiskalische Ziele oder die Erhebung von Mitteln für den – tatsächlich dringend erforderlichen – Ausbau etwa von Busterminals ab.

Für die weitere Entwicklung des Fernbusmarktes ist bereits diese diffuse Diskussion ausgesprochen schädlich: Die Unsicherheit über die zukünftige Kostenentwicklung erhöht den Druck auf die weitere Marktentwicklung und gefährdet diese in extremem Maße. Das passiert in einer Situation, in der die Anbieter mit neuen Linien, Preisstrukturen und Leistungen experimentieren müssen, um das für die Kunden beste Angebot überhaupt identifizieren zu können.

Um die gerade erst begonnene Entwicklung des Marktes zu sichern, sollten (wahrlich nicht neue) ordnungspolitische Grundsätze schnellstens wieder die Oberhand gewinnen.

Erstens ist der Schutz vor Konkurrenz kein legitimes Ziel in der Marktwirtschaft. Der jahrzehntelange Schutz der Bahn hat tatsächlich nur der Position des motorisierten Individualverkehrs genutzt und mit dem Argument des nicht wirtschaftlichen Betriebs zum Rückzug von öffentlichen Fernverkehrsangeboten (der Bahn) aus weiten Teilen Deutschlands geführt.

Abbildung 1

Zweitens sollten alle Verkehrsträger in transparenter und fairer Weise einen Beitrag zur Finanzierung der Infrastruktur leisten. Dieser Beitrag darf sich aber nicht danach richten, welche zusätzlichen Kosten Politiker – meist willkürlich – gerade für angemessen halten. Mit der Verkehrswegekostenrechnung steht ein Instrument bereit, um die internen und vor allem auch externen Kosten der einzelnen Verkehrsträger zu bestimmen. Der ökologisch vorteilhafte und aus gesellschaftlicher Sicht kostengünstige Fernbus muss diese Rechnung nicht fürchten.

Zusammenfassend ist somit eine rasche Rückbesinnung auf die mit der Entscheidung zur Liberalisierung verfolgten verkehrspolitischen Ziele dringend zu fordern, um dem Markt im Personenfernverkehr die mit der Liberalisierung gewollte erforderliche Entwicklungsfreiheit zu erhalten.

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Bereichsleiter Mobilität der IGES Institut GmbH.

 
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