Die Ekelliste aus Pankow
Seit März 2009 veröffentlicht das Veterinär- und Lebensmittelaufsichtsamt Berlin-Pankow im Internet unter Berufung auf das Verbraucherinformationsgesetz eine so genannte Negativliste über Betriebe, „die gegen das Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuch sowie die mitgeltenden Rechtsvorschriften und gegen Rechtsakte der Europäischen Union (EU) verstoßen haben. Die veröffentlichten Verstöße erfüllen mindestens den Tatbestand einer Ordnungswidrigkeit. Dies bedeutet, dass eine gewisse Schwere der Tat vorliegt. Kleinere Verstöße werden hier nicht veröffentlicht“.
Die „Negativliste“ enthält u.a. den Namen und die Adresse des Betriebes, das Datum der zuletzt durchgeführten Kontrolle, die festgestellten Mängel sowie die von den Kontrolleuren gefertigten Fotos. Von politischer Seite wird die Resonanz in den Medien als „herausragender Erfolg des Politmarketings“ bezeichnet. Über die Durchführung bzw. den Abschluss eventueller Ordnungswidrigkeitenverfahren ist nichts bekannt. Ob die Behörde durch geeignete Maßnahmen für die Wiederherstellung rechtmäßiger Zustände tatsächlich gesorgt hat, bleibt offen; vielmehr soll es reichen, dass dem Verbraucherschutz „de facto genüge getan wird, wenn in den veröffentlichten Einrichtungen kaum noch schutzbedürftige Verbraucher anzutreffen sind“.
Es geht nicht um Lebensmittelsicherheit oder um die Qualität der Speisekarte oder um die Beurteilung einer mehr oder weniger freundlichen Bedienung, alles Dinge, die für den Verbraucher von besonderem Interesse sind, vielmehr werden ausschließlich tatsächliche oder vermeintliche Hygienemängel angesprochen, wie mangelhafte Grundhygiene, unsachgemäße Lagerung von Lebensmitteln, Nichteinhalten der Kühlkette, unvollständige Ausrüstung, defekter Abwasserabfluss, fehlende Hygienekleidung, verschlissene Einrichtungsgegenstände, abblätternde Farbe, defekte Arbeitstische etc. etc. Es sind Feststellungen, die für sich wenig aussagekräftig und ebenso gut überall und nicht nur vorzugsweise in fremdländischen Restaurants oder Imbissbuden zu finden sind, sondern in Gastronomiebetrieben schlechthin einschließlich Behördenkantinen. Das Besondere aber ist, dass diese Befunde mit „Ekelfotos“ untermalt werden.
Wer die Pankower Ekelliste verfolgt, wird auf den ersten Blick Abscheu gegenüber den „Schmuddelrestaurants“ empfinden, aber bei näherer Betrachtung stellt sich ein beklemmendes Gefühl ein, denn das Wesen der Liste ist offensichtlich nicht die korrekte Information der Verbraucher, sondern die Denunziation der Betriebe; dafür gibt es viele Beispiele:
Am 22.1.2009 wurde in einem asiatischen Restaurant die fürchterliche Entdeckung gemacht: „Personaltoilette nicht abgespült“. Das betreffende „Instrumentum scele¬
Das Infame ist, dass die Bilder nur Momentaufnahmen sind, sie geben aber nicht die Gegenwart wieder, sondern sie sind auf die Zukunft bezogen, so dass sie für immer im Bewusstsein der Betrachter bleiben; das ist erwünscht. Sie spiegeln nicht die aktuelle Situation wider, sondern verstellen in vielen Fällen die Wahrheit; sie beziehen sich nicht auf das Heute, sondern sie wollen die Kunden von morgen beeinflussen, zumal die Beseitigung der Mängel bildlich nicht dokumentiert wird. Unter dem Banner der Fürsorge und Vorsorge sind Observation und Denunziation wieder auf dem Vormarsch, denn das Pankower System soll möglichst auf alle Lebensmittelbetriebe, auch Bäckereien, Fleischereien, Obst und Gemüsehandel etc. ausgedehnt werden. Es kann jedoch nicht Aufgabe der Lebensmittelüberwachung sein, Fotopolizei zu spielen und Gewerbebetriebe virtuell im Internet publikumswirksam anzuprangern und in bewährter totalitärer Tradition gezielt Lebensmittelbetriebe mit Kamera und Foto öffentlich zu diskreditieren – die Grenzen zwischen Information und Denunziation sind fließend.
Betroffen von den gegenwärtigen Maßnahmen ist auch ein Imbiss und Getränkestand mit dem Namen „Sonderzug nach Pankow“. Die Beanstandungen mögen im
Die Pankower Ekelliste verdient ihren Namen zu Recht.
Rechtsanwalt Thomas Mettke, München