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05.10.2004
: Sicherheit und Gesundheit der Arbeitnehmer: Bei Rettungssanitätern darf die wöchentliche Höchstarbeitszeit (mit Bereitschaftszeiten) 48 Stunden nur bei ausdrücklicher freier Zustimmung des Arbeitnehmers überschreiten

Aus den Gründen1. Die Vorabentscheidungsersuchen betreffen die Auslegung des Art. 2 der Richtlinie 89/391/EWG des Rates vom 12. 6. 1989 über die Durchführung von Maßnahmen zur Verbesserung der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes der Arbeitnehmer bei der Arbeit (ABl. L 183, S. 1) sowie der Art. 1 Abs. 3, 6 und 18 Abs. 1 Buchst. b Ziffer i der Richtlinie 93/104/EG des Rates vom 23. 11. 1993 über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung (ABl. L 307, S. 18).2. Diese Ersuchen ergehen im Rahmen von Rechtsstreitigkeiten zwischen Herrn Pfeiffer, Herrn Roith, Herrn Süß, Herrn Winter und Herrn Nestvogel sowie Frau Zeller und Herrn Döbele einerseits, die als Rettungsassistenten tätig sind oder waren, und dem Deutschen Roten Kreuz, Kreisverband Waldshut e. V. andererseits, bei dem die Kläger der Ausgangsverfahren beschäftigt sind oder waren, über die deutsche Regelung, die eine wöchentliche Höchstarbeitszeit von mehr als 48 Stunden vorsieht.Rechtlicher RahmenDas Gemeinschaftsrecht3. Die Richtlinien 89/391 und 93/104 wurden auf der Grundlage des Art. 118 a EG-Vertrag (die Art. 117 bis 120 EG-Vertrag sind durch die Art. 136 EG bis 143 EG ersetzt worden) erlassen.4. Die Richtlinie 89/391 ist die Rahmenrichtlinie, in der die allgemeinen Grundsätze in Bezug auf Sicherheit und Gesundheit der Arbeitnehmer festgelegt sind. Diese Grundsätze sind später durch eine Reihe von Einzelrichtlinien, zu denen die Richtlinie 93/104 gehört, fortentwickelt worden.5. Art. 2 der Richtlinie 89/391 definiert deren Anwendungsbereich wie folgt:»1) Diese Richtlinie findet Anwendung auf alle privaten oder öffentlichen Tätigkeitsbereiche (gewerbliche, landwirtschaftliche, kaufmännische, verwaltungsmäßige sowie dienstleistungs- oder ausbildungsbezogene, kulturelle und Freizeittätigkeiten usw.).2) Diese Richtlinie findet keine Anwendung, soweit dem Besonderheiten bestimmter spezifischer Tätigkeiten im öffentlichen Dienst, z. B. bei den Streitkräften oder der Polizei, oder bestimmter spezifischer Tätigkeiten bei den Katastrophenschutzdiensten zwingend entgegenstehen.In diesen Fällen ist dafür Sorge zu tragen, dass unter Berücksichtigung der Ziele dieser Richtlinie eine größtmögliche Sicherheit und ein größtmöglicher Gesundheitsschutz der Arbeitnehmer gewährleistet ist.«6. Art. 1 der Richtlinie 93/104 (»Gegenstand und Anwendungsbereich«) lautet:»1) Diese Richtlinie enthält Mindestvorschriften für Sicherheit und Gesundheitsschutz bei der Arbeitszeitgestaltung.2) Gegenstand dieser Richtlinie sinda) die täglichen und wöchentlichen Mindestruhezeiten, der Mindestjahresurlaub, die Ruhepausen und die wöchentliche Höchstarbeitszeit sowieb) bestimmte Aspekte der Nacht- und der Schichtarbeit sowie des Arbeitsrhythmus.3) Diese Richtlinie findet unbeschadet des Art. 17 Anwendung auf alle privaten oder öffentlichen Tätigkeitsbereiche im Sinne des Art. 2 der Richtlinie 89/391/EWG, mit Ausnahme des Straßen-, Luft-, See- und Schienenverkehrs, der Binnenschifffahrt, der Seefischerei, anderer Tätigkeiten auf See sowie der Tätigkeiten der Ärzte in der Ausbildung.4) Die Bestimmungen der Richtlinie 89/391/EWG finden unbeschadet strengerer und/oder spezifischer Vorschriften in der vorliegenden Richtlinie auf die in Abs. 2 genannten Bereiche voll Anwendung.«7. Unter der Überschrift »Begriffsbestimmungen« heißt es in Art. 2 der Richtlinie 93/104:»Im Sinne dieser Richtlinie sind:1. Arbeitszeit: jede Zeitspanne, während deren ein Arbeitnehmer gemäß den einzelstaatlichen Rechtsvorschriften und/oder Gepflogenheiten arbeitet, dem Arbeitgeber zur Verfügung steht und seine Tätigkeit ausübt oder Aufgaben wahrnimmt;2. Ruhezeit: jede Zeitspanne außerhalb der Arbeitszeit; ...«8. Abschnitt II der Richtlinie 93/104 handelt von den Maßnahmen, die die Mitgliedstaaten zu ergreifen haben, damit jedem Arbeitnehmer tägliche und wöchentliche Mindestruhezeiten gewährt werden, und enthält auch Bestimmungen über die wöchentliche Höchstarbeitszeit.9. Bezüglich der wöchentlichen Höchstarbeitszeit bestimmt Art. 6 der Richtlinie 93/104:»Die Mitgliedstaaten treffen die erforderlichen Maßnahmen, damit nach Maßgabe der Erfordernisse der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes der Arbeitnehmer: ...2. die durchschnittliche Arbeitszeit pro Siebentageszeitraum 48 Stunden einschließlich der Überstunden nicht überschreitet.«10. Art. 15 der Richtlinie 93/104 bestimmt:»Das Recht der Mitgliedstaaten, für die Sicherheit und den Gesundheitsschutz der Arbeitnehmer günstigere Rechts- und Verwaltungsvorschriften anzuwenden oder zu erlassen oder die Anwendung von für die Sicherheit und den Gesundheitsschutz der Arbeitnehmer günstigeren Tarifverträgen oder Vereinbarungen zwischen den Sozialpartnern zu fördern oder zu gestatten, bleibt unberührt.«11. In Art. 16 dieser Richtlinie heißt es:»Die Mitgliedstaaten können für die Anwendung der folgenden Artikel einen Bezugszeitraum vorsehen, und zwar ...2. für Art. 6 (wöchentliche Höchstarbeitszeit) einen Bezugszeitraum bis zu vier Monaten ...«12. In dieser Richtlinie sind aufgrund der Besonderheiten bestimmter Tätigkeiten eine Reihe von Abweichungen von ihren Grundregeln vorgesehen, sofern bestimmte Voraussetzungen erfüllt sind. Art. 17 sieht insoweit vor:»1) Unter Beachtung der allgemeinen Grundsätze des Schutzes der Sicherheit und der Gesundheit der Arbeitnehmer können die Mitgliedstaaten von den Art. 3, 4, 5, 6, 8 und 16 abweichen, wenn die Arbeitszeit wegen der besonderen Merkmale der ausgeübten Tätigkeit nicht gemessen und/oder nicht im Voraus festgelegt wird oder von den Arbeitnehmern selbst festgelegt werden kann, und zwar insbesondere in Bezug auf nachstehende Arbeitnehmer:a) leitende Angestellte oder sonstige Personen mit selbstständiger Entscheidungsbefugnis;b) [...] oder c) [...].2) Sofern die betroffenen Arbeitnehmer gleichwertige Ausgleichsruhezeiten oder in Ausnahmefällen, in denen die Gewährung solcher gleichwertigen Ausgleichsruhezeiten aus objektiven Gründen nicht möglich ist, einen angemessenen Schutz er-halten, kann im Wege von Rechts- und Verwaltungsvorschriften oder im Wege von Tarifverträgen oder Vereinbarungen zwischen den Sozialpartnern abgewichen werden:2.1. von den Art. 3, 4, 5, 8 und 16: ...c) bei Tätigkeiten, die dadurch gekennzeichnet sind, dass die Kontinuität des Dienstes oder der Produktion gewährleistet sein muss, und zwar insbesondere beii) Aufnahme-, Behandlungs- und/oder Pflegediensten von Krankenhäusern oder ähnlichen Einrichtungen, Heimen sowie Gefängnissen, ...iii) Presse-, Rundfunk-, Fernsehdiensten oder kinematografischer Produktion, Post oder Telekommunikation, Ambulanz-, Feuerwehr- oder Katastrophenschutzdiensten, ...3) Von den Art. 3, 4, 5, 8 und 16 kann abgewichen werden im Wege von Tarifverträgen oder Vereinbarungen zwischen den Sozialpartnern auf nationaler oder regionaler Ebene oder, bei zwischen den Sozialpartnern getroffenen Abmachungen, im Wege von Tarifverträgen oder Vereinbarungen zwischen Sozialpartnern auf niedrigerer Ebene. ...Die Abweichungen gemäß den Unterabs. 1 und 2 sind nur unter der Voraussetzung zulässig, dass die betroffenen Arbeitnehmer gleichwertige Ausgleichsruhezeiten oder in Ausnahmefällen, in denen die Gewährung solcher Ausgleichsruhezeiten aus objektiven Gründen nicht möglich ist, einen angemessenen Schutz erhalten. ...4) Die in Abs. 2 Nrn. 2.1 und 2.2 und in Abs. 3 vorgesehene Möglichkeit der Abweichung von Art. 16 Nr. 2 darf nicht die Festlegung eines Bezugszeitraums zur Folge haben, der länger ist als sechs Monate.Den Mitgliedstaaten ist es jedoch mit der Maßgabe, dass sie dabei die allgemeinen Grundsätze der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes der Arbeitnehmer wahren, freigestellt zuzulassen, dass in den Tarifverträgen oder Vereinbarungen zwischen Sozialpartnern aus objektiven, technischen oder arbeitsorganisatorischen Gründen längere Bezugszeiträume festgelegt werden, die auf keinen Fall zwölf Monate überschreiten dürfen ...«13. Art. 18 der Richtlinie 93/104 lautet:»1) a) Die Mitgliedstaaten setzen die erforderlichen Rechts- und Verwaltungsvorschriften in Kraft, um dieser Richtlinie spätestens am 23. 11. 1996 nachzukommen, oder sie vergewissern sich spätestens zu diesem Zeitpunkt, dass die Sozialpartner mittels Vereinbarungen die erforderlichen Bestimmungen einführen; dabei sind die Mitgliedstaaten gehalten, die erforderlichen Vorkehrungen zu treffen, damit sie jederzeit gewährleisten können, dass die von der Richtlinie vorgeschriebenen Ergebnisse erzielt werden.b) i) Es ist einem Mitgliedstaat jedoch freigestellt, Art. 6 nicht anzuwenden, wenn er die allgemeinen Grundsätze der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes der Arbeitnehmer einhält und mit den erforderlichen Maßnahmen dafür sorgt, dass- kein Arbeitgeber von einem Arbeitnehmer verlangt, im Durchschnitt des in Art. 16 Nummer 2 genannten Bezugszeitraums mehr als 48 Stunden innerhalb eines Siebentagezeitraums zu arbeiten, es sei denn der Arbeitnehmer hat sich hierzu bereit erklärt;- keinem Arbeitnehmer Nachteile daraus entstehen, dass er nicht bereit ist, eine solche Arbeit zu leisten;- der Arbeitgeber aktuelle Listen über alle Arbeitnehmer führt, die eine solche Arbeit leisten;- die Listen den zuständigen Behörden zur Verfügung gestellt werden, die aus Gründen der Sicherheit und/oder des Schutzes der Gesundheit der Arbeitnehmer die Möglichkeit zur Überschreitung der wöchentlichen Höchstarbeitszeit unterbinden oder einschränken können;- der Arbeitgeber die zuständigen Behörden auf Ersuchen darüber unterrichtet, welche Arbeitnehmer sich dazu bereit erklärt haben, im Durchschnitt des in Art. 16 Nr. 2 genannten Bezugszeitraums mehr als 48 Stunden innerhalb eines Siebentagezeitraums zu arbeiten ...«Das nationale Recht14. Das deutsche Arbeitsrecht unterscheidet zwischen »Arbeitsbereitschaft«, »Bereitschaftsdienst« und »Rufbereitschaft«.15. Diese drei Begriffe sind in den nationalen Vorschriften nicht definiert, doch ergeben sich ihre Merkmale aus der Rechtsprechung.16. Arbeitsbereitschaft liegt vor, wenn der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber am Arbeitsplatz zur Verfügung stehen und sich ständig bereithalten muss, um im Bedarfsfall von sich aus tätig werden zu können.17. Während des Bereitschaftsdienstes ist der Arbeitnehmer verpflichtet, sich innerhalb oder außerhalb des Betriebes an einem vom Arbeitgeber bestimmten Ort aufzuhalten und sich auf Anforderung des Arbeitgebers zur Arbeitsaufnahme bereitzuhalten, darf jedoch ruhen oder sich anderweit beschäftigen, solange seine beruflichen Leistungen nicht erforderlich sind.18. Die Rufbereitschaft ist dadurch gekennzeichnet, dass der Arbeitnehmer sich nicht an einer vom Arbeitgeber bestimmten Stelle bereithalten muss, sondern nur jederzeit erreichbar sein muss, um seine beruflichen Aufgaben auf Abruf unverzüglich wahrnehmen zu können.19. Grundsätzlich gilt nach deutschem Arbeitsrecht nur die Arbeitsbereitschaft in vollem Umfang als Arbeitszeit. Bereitschaftsdienst und Rufbereitschaft werden dagegen als Ruhezeit behandelt, mit Ausnahme des Teils der Dienstzeit, in dem der Arbeitnehmer tatsächlich seine beruflichen Aufgaben wahrgenommen hat.20. Die deutsche Regelung der Arbeitszeit und der Ruhezeiten findet sich im Arbeitszeitgesetz (ArbZG) vom 6. 6. 1994 (BGBl. 1994 I S. 1170), das zur Umsetzung der Richtlinie 93/104 erlassen wurde.21. Nach § 2 Abs. 1 ArbZG ist Arbeitszeit im Sinne dieses Gesetzes die Zeit vom Beginn bis zum Ende der Arbeit ohne die Ruhepausen.22. § 3 ArbZG lautet:»Die werktägliche Arbeitszeit der Arbeitnehmer darf acht Stunden nicht überschreiten. Sie kann auf bis zu zehn Stunden nur verlängert werden, wenn innerhalb von sechs Kalendermonaten oder innerhalb von 24 Wochen im Durchschnitt acht Stunden werktäglich nicht überschritten werden.«23. § 7 ArbZG sieht vor:»1) In einem Tarifvertrag oder auf Grund eines Tarifvertrags in einer Betriebsvereinbarung kann zugelassen werden,1. abweichend von § 3a) die Arbeitszeit über zehn Stunden werktäglich auch ohne Ausgleich zu verlängern, wenn in die Arbeitszeit regelmäßig und in erheblichem Umfang Arbeitsbereitschaft fällt,b) einen anderen Ausgleichszeitraum festzulegen,c) ohne Ausgleich die Arbeitszeit auf bis zu zehn Stunden werktäglich an höchstens 60 Tagen im Jahr zu verlängern, ...«24. § 25 ArbZG bestimmt:»Enthält ein bei Inkrafttreten dieses Gesetzes bestehender oder nachwirkender Tarifvertrag abweichende Regelungen nach § 7 Abs. 1 oder 2 ..., die den in den genannten Vorschriften festgelegten Höchstrahmen überschreiten, so bleiben diese tarifvertraglichen Regelungen unberührt. Tarifverträgen nach Satz 1 stehen durch Tarifvertrag zugelassene Betriebsvereinbarungen gleich. ...«25. Der Tarifvertrag über Arbeitsbedingungen für Angestellte, Arbeiter und Auszubildende des Deutschen Roten Kreuzes (im Folgenden: DRK-TV) sieht u. a. vor:»§ 14 Regelmäßige Arbeitszeit1) Die regelmäßige Arbeitszeit beträgt ausschließlich der Pausen durchschnittlich 39 Stunden (ab 1. 4. 1990: 38 1/2 Stunden) wöchentlich. Für die Berechnung des Durchschnitts der wöchentlichen Arbeitszeit ist in der Regel ein Zeitraum von 26 Wochen zugrunde zu legen.Bei Mitarbeitern, die ständig Wechselschicht- oder Schichtarbeit zu leisten haben, kann ein längerer Zeitraum zugrunde gelegt werden.2) Die regelmäßige Arbeitszeit kann verlängert werden ...a) bis zu zehn Stunden täglich (durchschnittlich 49 Stunden wöchentlich), wenn in sie regelmäßig eine Arbeitsbereitschaft von durchschnittlich mindestens zwei Stunden täglich fällt,b) bis zu elf Stunden täglich (durchschnittlich 54 Stunden wöchentlich), wenn in sie regelmäßig eine Arbeitsbereitschaft von durchschnittlich mindestens drei Stunden täglich fällt,c) bis zu zwölf Stunden täglich (durchschnittlich 60 Stunden wöchentlich), wenn der Angestellte lediglich an der Arbeitsstelle anwesend sein muss, um im Bedarfsfall vorkommende Arbeiten zu verrichten ...5) Der Mitarbeiter ist verpflichtet, sich auf Anordnung des Arbeitgebers außerhalb der regelmäßigen Arbeitszeit an einer vom Arbeitgeber bestimmten Stelle aufzuhalten, um im Bedarfsfall die Arbeit aufzunehmen (Bereitschaftsdienst). Der Arbeitgeber darf Bereitschaftsdienst nur anordnen, wenn zu erwarten ist, dass zwar Arbeit anfällt, erfahrungsgemäß aber die Zeit ohne Arbeitsleistung überwiegt ...«26. Eine Anmerkung zu § 14 Abs. 2 DRK-TV lautet:»Im Geltungsbereich der Anlage 2 für die Mitarbeiter im Rettungsdienst und Krankentransport ist die Protokollnotiz zu § 14 Abs. 2 [DRK-TV] zu berücksichtigen.«27. Diese Anlage 2 enthält tarifliche Sonderregelungen für das Personal im Rettungsdienst und Krankentransport. In der maßgeblichen Protokollnotiz heißt es, dass die in § 14 Abs. 2 Buchst. b DRK-TV genannte wöchentliche Höchstarbeitszeit von 54 Stunden stufenweise herabgesetzt wird. Danach ist ab 1. 1. 1993 statt vorher 54 Stunden nur noch eine Höchstarbeitszeit von 49 Stunden vorgesehen.Die Ausgangsverfahren und die Vorabentscheidungsfragen28. Den vorliegenden Vorabentscheidungsersuchen liegen sieben Rechtsstreitigkeiten zugrunde.29. Nach den dem Gerichtshof vorliegenden Akten betreibt das Deutsche Rote Kreuz u. a. den bodengebundenen Rettungsdienst in Teilen des Landkreises Waldshut. Es unterhält die Rettungswachen Waldshut, Dettighofen und Bettmaringen, die rund um die Uhr besetzt sind, sowie die Rettungswache in Lauchringen, die tagsüber 12 Stunden besetzt ist. Die bodengebundene Notfallrettung wird mit Rettungstransportfahrzeugen und Notarzt-Einsatzfahrzeugen durchgeführt. Ein Rettungstransportfahrzeug ist mit zwei Rettungsassistenten/Sanitätern besetzt, während im Notarzt-Einsatzfahrzeug ein Rettungsassistent und ein Notarzt mitfahren. Bei Alarmierung rücken diese Rettungsmittel aus, um den Patienten am Einsatzort medizinisch zu versorgen. Üblicherweise wird der Patient dann in ein Krankenhaus transportiert.30. Herr Pfeiffer und Herr Nestvogel waren früher beim Deutschen Roten Kreuz als Rettungsassistenten beschäftigt, während die Kläger in den anderen Ausgangsverfahren dort zum Zeitpunkt der Erhebung ihrer Klagen bei dem vorlegenden Gericht noch beschäftigt gewesen sind.31. Die Parteien der Ausgangsverfahren streiten im Wesentlichen darüber, ob bei der Berechnung der wöchentlichen Höchstarbeitszeit die Zeit der Arbeitsbereitschaft zu berücksichtigen ist, die die betroffenen Arbeitnehmer im Rahmen ihrer Beschäftigung beim Deutschen Roten Kreuz zu leisten hatten oder haben.32. Gegenstand der von Herrn Pfeiffer und Herrn Nestvogel beim Arbeitsgericht Lörrach erhobenen Klagen sind Vergütungsansprüche für über 48 Wochenstunden hinaus geleistete Arbeit. Die Kläger machen geltend, dass sie in der Zeit vom Juni 2000 bis März 2001 zu Unrecht durchschnittlich mehr als 48 Stunden wöchentlich gearbeitet hätten. Sie beantragen daher, das Deutsche Rote Kreuz zur Zahlung von ... [Überstundenvergütung] zuzüglich Verzugszinsen zu verurteilen.33. In den anderen Ausgangsverfahren vor dem vorlegenden Gericht geht es darum, die wöchentliche Höchstarbeitszeit zu bestimmen, die die Kläger für das Deutsche Rote Kreuz zu leisten haben.34. In ihren Arbeitsverträgen haben die Parteien der Ausgangsverfahren vereinbart, dass die Regelungen des DRK-TV Anwendung finden.35. Nach Feststellung des Arbeitsgerichts Lörrach betrug die durchschnittliche wöchentliche Arbeitszeit auf der Grundlage dieser tariflichen Regelungen im Bereich des vom Deutschen Roten Kreuz betriebenen Rettungsdienstes 49 Stunden. Die regelmäßige Arbeitszeit sei nämlich wegen der Verpflichtung der Betroffenen, durchschnittlich mindestens drei Stunden täglich Arbeitsbereitschaft zu leisten, nach § 14 Abs. 2 Buchst. b DRK-TV verlängert worden.36. Die Kläger der Ausgangsverfahren halten die Anordnung des Deutschen Roten Kreuzes, mit der die wöchentliche Arbeitszeit auf 49 Stunden festgesetzt wird, für unzulässig. Sie berufen sich hierfür auf die Richtlinie 93/104 und auf das Urteil vom 3. 10. 2000 in der Rechtssache C-303/98 (Simap, Slg. 2000, I-7963). § 14 Abs. 2 Buchst. b DRK-TV verstoße gegen Gemeinschaftsrecht, da er eine Arbeitszeit von mehr als 48 Wochenstunden vorsehe. Diese tarifliche Regelung sei auch nicht durch die Öffnungsklausel des § 7 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a ArbZG zugelassen. Dieses Gesetz setze die entsprechenden Vorgaben der Richtlinie 93/104 nämlich nicht korrekt in nationales Recht um. Daher müsse diese Öffnungsklausel des Arbeitszeitgesetzes gemeinschaftsrechtskonform ausgelegt werden, andernfalls sei sie unanwendbar.37. Das Deutsche Rote Kreuz beantragt dagegen, die Klagen abzuweisen. Es trägt insbesondere vor, dass seine Anordnung zur Verlängerung der Arbeitszeit die tariflichen und nationalen gesetzlichen Bestimmungen einhalte.38. Das mit den Rechtsstreitigkeiten befasste Arbeitsgericht Lörrach fragt sich zunächst, ob die Tätigkeit der Kläger der Ausgangsverfahren in den Anwendungsbereich der Richtlinie 93/104 fällt.39. Zum einen nehme Art. 1 Abs. 3 der Richtlinie 93/104, der für deren Anwendungsbereich auf Art. 2 der Richtlinie 89/391 verweise, davon mehrere Bereiche aus, soweit die Besonderheiten bestimmter spezifischer Tätigkeiten der Anwendung der Richtlinie zwingend entgegenstehen. Nach Ansicht des vorlegenden Gerichts sollen damit aber nur die Tätigkeiten vom Anwendungsbereich der Richtlinien ausgeschlossen sein, die die öffentliche Sicherheit und Ordnung gewährleisten sollten, für ein geordnetes Gemeinwesen unentbehrlich seien und sich aufgrund der Natur der Tätigkeit einer Arbeitszeitplanung entzögen. Als Beispiel führt das Gericht Großschadensereignisse an. Der Bereich des Rettungsdienstes hingegen, auch wenn die Rettungsorganisation die Rettungsmittel rund um die Uhr einsatzbereit vorhalten müsse, dürfte nicht vom Anwendungsbereich der beiden Richtlinien ausgenommen sein, da der Arbeitsablauf und die Arbeitszeit des einzelnen Arbeitnehmers planbar bleibe.40. Zum anderen sei fraglich, ob die Arbeit im bodengebundenen Rettungsdienst als Tätigkeit im »Straßenverkehr« im Sinne von Art. 1 Abs. 3 der Richtlinie 93/104 angesehen werden müsse. [...] die Arbeit im Rettungsdienst [unterscheide sich] von dem typischen Erscheinungsbild von Arbeiten im Bereich des Straßenverkehrs. Zweifel ergäben sich hieran jedoch aufgrund des Urteils vom 24. 9. 1998 in der Rechtssache C-76/97 (Tögel, Slg. 1998, I-5357, Rdnr. 40).41. Das vorlegende Gericht möchte sodann wissen, ob die in Art. 18 Abs. 1 Buchst. b Ziffer i der Richtlinie 93/104 zugelassene Nichtanwendung der Begrenzung der Wochenarbeitszeit auf durchschnittlich 48 Stunden voraussetzt, dass eine ausdrückliche und eindeutige Zustimmung des Arbeitnehmers vorliegt, oder ob die Zustimmung des Arbeitnehmers zur Anwendung eines gesamten Tarifvertrags ausreicht, wenn dieser u. a. die Möglichkeit einer Überschreitung der Höchstdauer von 48 Stunden vorsieht.42. Schließlich fragt sich das Arbeitsgericht Lörrach, ob Art. 6 der Richtlinie 93/104 unbedingt und hinreichend genau ist, so dass sich ein Einzelner vor einem nationalen Gericht darauf berufen kann, wenn der Mitgliedstaat diese Richtlinie nicht ordnungsgemäß umgesetzt hat. Denn ausgehend vom deutschen Recht halte sich die auf die von den Parteien geschlossenen Arbeitsverträge anwendbare Regelung des § 14 Abs. 2 Buchst. b DRK-TV zwar im Rahmen der nach § 7 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a ArbZG eröffneten Möglichkeiten. Doch erlaube es die letztgenannte Vorschrift dem Arbeitgeber, die tägliche Arbeitszeit ohne Ausgleich zu verlängern, so dass die sich aus § 3 ArbZG und Art. 6 Nr. 2 der Richtlinie 93/104 ergebende Begrenzung der Wochenarbeitszeit auf höchstens durchschnittlich 48 Stunden entfalle.43. ... [Vorlagefragen].(44)-46. ...Zu den VorabentscheidungsfragenZur Frage 1 a47. Mit seiner Frage 1 a möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob Art. 2 der Richtlinie 89/391 und Art. 1 Abs. 3 der Richtlinie 93/104 dahin auszulegen sind, dass die Tätigkeit von Rettungsassistenten, die im Rahmen eines Rettungsdienstes wie dem in den Ausgangsverfahren in Rede stehenden ausgeübt wird, in den Anwendungsbereich der Richtlinien fällt.48. Für die Antwort auf diese Frage ist zunächst daran zu erinnern, dass Art. 1 Abs. 3 der Richtlinie 93/104 deren Anwendungsbereich unter ausdrücklicher Bezugnahme auf Art. 2 der Richtlinie 89/391 definiert. Bevor bestimmt werden kann, ob eine Tätigkeit wie die der Rettungsassistenten, die im Rahmen eines vom Deutschen Roten Kreuz betriebenen Rettungsdienstes in einem Rettungstransportfahrzeug oder Notarzt-Einsatzfahrzeug mitfahren, in den Anwendungsbereich der Richtlinie 93/104 fällt, ist daher zunächst zu prüfen, ob diese Tätigkeit in den Anwendungsbereich der Richtlinie 89/391 fällt (Urteil Simap, Rdnrn. 30 und 31).49. Die Richtlinie 89/391 findet gemäß ihrem Art. 2 Abs. 1 Anwendung auf »alle privaten oder öffentlichen Tätigkeitsbereiche«, zu denen u. a. ganz allgemein dienstleistungsbezogene Tätigkeiten gehören.50. Wie sich aus Abs. 2 Unterabs. 1 dieses Artikels ergibt, findet die Richtlinie jedoch keine Anwendung, soweit dem Besonderheiten bestimmter spezifischer Tätigkeiten, u. a. bei den Katastrophenschutzdiensten, zwingend entgegenstehen.51. Die Tätigkeit von Rettungsassistenten, die im Rahmen eines von einer Einrichtung wie dem Deutschen Roten Kreuz betriebenen Rettungsdienstes für Verletzte oder Kranke in einem Rettungstransportfahrzeug oder Notarzt-Einsatzfahrzeug mitfahren, fällt allerdings nicht unter die in der vorstehenden Randnummer genannte Ausnahme.Der Anwendungsbereich der Richtlinie 89/391 ist weit auszulegen, ...52. Sowohl aus dem Ziel der Richtlinie 89/391, der Verbesserung der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes der Arbeitnehmer am Arbeitsplatz, als auch aus dem Wortlaut ihres Art. 2 Abs. 1 ergibt sich nämlich, dass ihr Anwendungsbereich weit zu verstehen ist. Folglich sind die in Art. 2 Abs. 2 Unterabs. 1 vorgesehenen Ausnahmen vom Anwendungsbereich eng auszulegen (Urteil Simap, Rdnrn. 34 und 35, und Beschluss vom 3. 7. 2001 in der Rechtssache C-241/99, CIG, Slg. 2001, I-5139, Rdnr. 29).... die in ihr genannte Ausnahme für Katastrophenschutzdienste ...53. Ferner schließt Art. 2 Abs. 2 Unterabs. 1 der Richtlinie 89/391 nicht die Katastrophenschutzdienste als solche vom Anwendungsbereich der Richtlinie aus, sondern nur »bestimmte spezifische Tätigkeiten« bei diesen Diensten, deren Besonderheiten der Anwendung der Normen der Richtlinie zwingend entgegenstehen.54. Diese Ausnahme vom weit definierten Anwendungsbereich der Richtlinie 89/391 ist demnach so auszulegen, dass sich ihre Tragweite auf das beschränkt, was zur Wahrung der Interessen, die sie den Mitgliedstaaten zu schützen erlaubt, unbedingt erforderlich ist.55. Die Ausnahme des Art. 2 Abs. 2 Unterabs. 1 der Richtlinie 89/391 ist allein zu dem Zweck erlassen worden, das ordnungsgemäße Funktionieren der Dienste zu gewährleisten, die in Situationen von besonderer Schwere und besonderem Ausmaß - z. B. bei einer Katastrophe -, die dadurch gekennzeichnet sind, dass eine Arbeitszeitplanung für die Einsatz- und Rettungsteams nicht möglich ist, für den Schutz der öffentlichen Sicherheit, Gesundheit und Ordnung unerlässlich sind.... unterscheidet sich von einem Rettungsdienst, um den es im Ausgangsverfahren geht, ...56. Der so beschriebene Katastrophenschutzdienst im engen Sinn, auf den sich diese Bestimmung bezieht, unterscheidet sich deutlich von der Rettung Verletzter oder Kranker, um die es in den Ausgangsverfahren geht.57. Selbst wenn ein Dienst wie der vom vorlegenden Gericht beschriebene Ereignisse bewältigen muss, die naturgemäß nicht vorhersehbar sind, so sind doch die unter gewöhnlichen Umständen damit verbundenen Tätigkeiten, die im Übrigen genau der ihm übertragenen Aufgabe entsprechen, einschließlich der Arbeitszeiten seines Personals, im Voraus planbar.... so dass die Richtlinie 89/391 auf Rettungsassistenten Anwendung findet58. Dieser Dienst weist daher keine Besonderheit auf, die der Anwendung der Gemeinschaftsnormen im Bereich der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes der Arbeitnehmer zwingend entgegensteht, so dass er nicht von der Ausnahme des Art. 2 Abs. 2 Unterabs. 1 der Richtlinie 89/391 erfasst wird, sondern diese Richtlinie vielmehr auf ihn Anwendung findet.Ebenso ist die Richtlinie 93/104 anwendbar59. Was die Richtlinie 93/104 angeht, so ergibt sich aus dem Wortlaut ihres Art. 1 Abs. 3, dass sie auf alle in Art. 2 der Richtlinie 89/391 genannten privaten oder öffentlichen Tätigkeitsbereiche Anwendung findet, mit Ausnahme bestimmter, abschließend aufgeführter spezifischer Tätigkeiten.60. Keine dieser Tätigkeiten liegt jedoch bei einem Dienst wie dem in den Ausgangsverfahren in Rede stehenden vor. Insbesondere kann die Tätigkeit der Rettungsassistenten, die die Patienten im Rahmen eines Rettungsdienstes in einem Rettungstransportfahrzeug oder Notarzt-Einsatzfahrzeug begleiten, of-fenkundig nicht mit der Tätigkeit von Ärzten in der Ausbildung gleichgesetzt werden, auf die die Richtlinie 93/104 nach ihrem Art. 1 Abs. 3 nicht anwendbar ist.61. Daraus folgt, dass eine Tätigkeit wie die vom vorlegenden Gericht beschriebene auch in den Anwendungsbereich der Richtlinie 93/104 fällt.62. Wie die Kommission zu Recht ausgeführt hat, wird dieses Ergebnis noch dadurch bestätigt, dass Art. 17 Abs. 2 Nr. 2.1 Buchst. c Ziffer iii der Richtlinie 93/104 u. a. die Ambulanzdienste ausdrücklich erwähnt. Diese Erwähnung wäre sinnlos, wenn die betreffende Tätigkeit nach Art. 1 Abs. 3 der Richtlinie 93/104 bereits ganz vom Anwendungsbereich der Richtlinie ausgeschlossen wäre. Sie belegt im Gegenteil, dass der Gemeinschaftsgesetzgeber die grundsätzliche Anwendbarkeit dieser Richtlinie auf solche Tätigkeiten festgelegt, zugleich aber vorgesehen hat, dass unter bestimmten Voraussetzungen von einzelnen Richtlinienbestimmungen abgewichen werden kann.63. Auf die Frage 1 a ist daher zu antworten ... [siehe Tenor, unter 1. a)].Zur Frage 1 bDie Ausnahme hinsichtlich des Straßenverkehrs ...64. Mit seiner Frage 1 b möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob der Begriff »Straßenverkehr« im Sinne des Art. 1 Abs. 3 der Richtlinie 93/104 dahin auszulegen ist, dass er die Tätigkeit eines Rettungsdienstes erfasst, weil diese zumindest zum Teil darin besteht, ein Fahrzeug zu benutzen und den Patienten auf der Fahrt ins Krankenhaus zu begleiten.65. Nach ihrem Art. 1 Abs. 3 findet die Richtlinie 93/104 »Anwendung auf alle ... Tätigkeitsbereiche ... mit Ausnahme des Straßen-, Luft-, See- und Schienenverkehrs, der Binnenschifffahrt ...«.66. Im Urteil vom 4. 10. 2001 in der Rechtssache C-133/00 (Bowden u. a., Slg. 2001, I-7031) hat der Gerichtshof entschieden, dass diese Bestimmung dahin auszulegen ist, dass alle im Bereich Straßenverkehr beschäftigten Arbeitnehmer einschließlich des Büropersonals vom Anwendungsbereich dieser Richtlinie ausgenommen sind.67. Die in Art. 1 Abs. 3 der Richtlinie 93/104 vorgesehenen Ausnahmen von ihrem Anwendungsbereich müssen als Ausnahmen von der Gemeinschaftsregelung über die Arbeitszeitgestaltung so ausgelegt werden, dass ihr Umfang auf das zur Wahrung der Interessen, deren Schutz sie ermöglichen, unbedingt Erforderliche begrenzt wird (entsprechend Urteil Jaeger, Rdnr. 89).68. Der Transportsektor ist vom Anwendungsbereich der Richtlinie 93/104 ausgenommen worden, weil in diesem Bereich bereits eine Gemeinschaftsregelung bestand, in der wegen der Besonderheit dieser Tätigkeit spezifische Vorschriften u. a. für die Arbeitszeitgestaltung festgelegt worden waren. Diese Regelung ist jedoch nicht auf Transporte anwendbar, die in Notfällen oder im Rahmen von Rettungseinsätzen durchgeführt werden.69. Zudem beruht das Urteil Bowden u. a. auf der Zugehörigkeit des Arbeitgebers zu einem der in Art. 1 Abs. 3 der Richtlinie 93/104 ausdrücklichen aufgeführten Transportsektoren (vgl. Rdnrn. 39 bis 41 des Urteils). Dagegen kann die Tätigkeit des Deutschen Roten Kreuzes, soweit es einen Rettungsdienst wie den in den Ausgangsverfahren in Rede stehenden betreibt, nicht dem Straßentransportsektor zugerechnet werden.... gilt u. a. wegen des Hauptzwecks der Hilfeleistung ...70. Dass diese Tätigkeit zum Teil darin besteht, einen Rettungswagen zu benutzen und den Patienten auf seinem Transport ins Krankenhaus zu begleiten, ist nicht entscheidend, da Hauptzweck der fraglichen Tätigkeit ist, einem Kranken oder Verletzten erste Hilfe zu leisten, und nicht, eine zum Straßentransportsektor gehörende Tätigkeit auszuüben.71. Darüber hinaus ist daran zu erinnern, dass die Ambulanzdienste in Art. 17 Abs. 2 Nr. 2.1 Buchst. c Ziffer iii der Richtlinie 93/104 ausdrücklich erwähnt sind. Diese Erwähnung, die eine Abweichung von bestimmten Vorschriften der Richtlinie ermöglicht, wäre überflüssig, wenn diese Dienste nach Art. 1 Abs. 3 ganz von der Anwendung der Richtlinie ausgenommen wären.... nicht für Rettungsdienste72. Ein Rettungsdienst wie der in den Ausgangsverfahren in Rede stehende wird somit vom Begriff »Straßenverkehr« in Art. 1 Abs. 3 der Richtlinie 93/104 nicht erfasst.73. Dieser Auslegung steht das vom vorlegenden Gericht angeführte Urteil Tögel keineswegs entgegen, da es in diesem Urteil nicht um die Auslegung der Richtlinie 93/104, sondern um die der Richtlinie 92/50/EWG des Rates vom 18. 6. 1992 über die Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Dienstleistungsaufträge (ABl. L 209, S. 1) ging, deren Regelungsinhalt und Zielrichtung für die Bestimmung des Anwendungsbereichs der Richtlinie 93/104 irrelevant sind.74. Nach alledem ist auf die Frage 1 b zu antworten ... [siehe Tenor, unter 1. b)].Zur zweiten Frage75. Mit seiner zweiten Frage möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob Art. 18 Abs. 1 Buchst. b Ziffer i erster Gedankenstrich der Richtlinie 93/104 dahin auszulegen ist, dass die Überschreitung der in Art. 6 der Richtlinie vorgesehenen wöchentlichen Höchstarbeitszeit von 48 Stunden nur bei ausdrücklicher und freier Zustimmung des einzelnen Arbeitnehmers rechtswirksam ist, oder ob es insoweit genügt, dass der Arbeitsvertrag des Betroffenen auf einen Tarifvertrag verweist, der eine solche Überschreitung erlaubt.76. Für die Beantwortung der so umformulierten Frage ist zum einen darauf hinzuweisen, dass sich sowohl aus Art. 118 a EG-Vertrag, der die Rechtsgrundlage der Richtlinie 93/104 darstellt, als auch aus deren erster, vierter, siebter und achter Begründungserwägung sowie aus dem Wortlaut ihres Art. 1 Abs. 1 ergibt, dass sie bezweckt, einen besseren Schutz der Sicherheit und der Gesundheit der Arbeitnehmer durch die Gewährung von - u. a. täglichen und wöchentlichen - Mindestruhezeiten und angemessenen Ruhepausen zu gewährleisten sowie eine Obergrenze für die wöchentliche Arbeitszeit vorzusehen.77. Zum anderen können die Mitgliedstaaten und die Sozialpartner im Rahmen der mit der Richtlinie 93/104 geschaffenen Regelung nur von einigen abschließend aufgeführten Bestimmungen abweichen. Derartige Abweichungen sind außerdem engen Voraussetzungen unterworfen, die einen wirksamen Schutz der Sicherheit und der Gesundheit der Arbeitnehmer gewährleisten sollen.78. So sieht Art. 18 Abs. 1 Buchst. b Ziffer i der Richtlinie vor, dass es den Mitgliedstaaten freigestellt ist, Art. 6 der Richtlinie nicht anzuwenden, wenn sie die allgemeinen Grundsätze der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes der Arbeitnehmer einhalten und bestimmte in Art. 18 Abs. 1 Buchst. b Ziffer i aufgeführte kumulative Voraussetzungen erfüllen.Der Arbeitnehmer kann sich bereit erklären, länger als 48 Stunden zu arbeiten, ...79. Insbesondere schreibt Art. 18 Abs. 1 Buchst. b Ziffer i erster Gedankenstrich vor, dass die Arbeitszeit im Durchschnitt des in Art. 16 Nr. 2 der Richtlinie 93/104 genannten Bezugszeitraums nicht mehr als 48 Stunden betragen darf, wobei sich der Arbeitnehmer jedoch bereit erklären kann, mehr als 48 Wochenstunden zu arbeiten.... Art. 18 Abs. 1 lit. b der Richtlinie 93/104 verlangt hierzu jedoch eine individuelle Zustimmung, ...80. Hierzu hat der Gerichtshof in Rdnr. 73 des Urteils Simap bereits entschieden, dass Art. 18 Abs. 1 Buchst. b Ziffer i ersterGedankenstrich der Richtlinie 93/104 nach seinem Wortlaut die individuelle Zustimmung des Arbeitnehmers verlangt.... dem steht eine Zustimmung der Gewerkschaft i. R. eines Tarifvertrags nicht gleich, ...81. In Rdnr. 74 des genannten Urteils hat der Gerichtshof daraus gefolgert, dass die ausdrückliche Zustimmung der gewerkschaftlichen Verhandlungspartner in einem Tarifvertrag der Zustimmung des Arbeitnehmers selbst im Sinne des Art. 18 Abs. 1 Buchst. b Ziffer i erster Gedankenstrich nicht gleichsteht.... wie sich aus dem Zweck der Richtlinie ergibt, ...82. Diese Auslegung ergibt sich aus dem Zweck der Richtlinie 93/104, mit der ein wirksamer Schutz der Sicherheit und der Gesundheit der Arbeitnehmer gewährleistet werden soll, indem ihnen eine Begrenzung ihrer Wochenarbeitszeit sowie Mindestruhezeiten zugestanden werden. Bei jeder Abweichung von diesen Mindestvorschriften muss daher in vollem Umfang gewährleistet sein, dass der betroffene Arbeitnehmer, wenn er auf ein ihm unmittelbar durch die Richtlinie eingeräumtes soziales Recht verzichtet, dies frei und in voller Sachkenntnis tut. Diese Anforderungen sind umso bedeutsamer, als der Arbeitnehmer als die schwächere Partei des Arbeitsvertrags anzusehen ist, so dass verhindert werden muss, dass der Arbeitgeber den Willen des Vertragspartners umgehen oder ihm eine Beschränkung seiner Rechte auferlegen kann, ohne dass dieser dem ausdrücklich zugestimmt hätte.83. Diese Erwägungen gelten auch für den von der zweiten Frage erfassten Fall.... darüber hinaus muss der Arbeitnehmer ausdrücklich und frei zugestimmt haben, ...84. Von der in Art. 6 der Richtlinie 93/104 vorgesehenen wöchentlichen Höchstarbeitszeit, die 48 Stunden beträgt, kann wirksam nur abgewichen werden, wenn der Arbeitnehmer nicht nur individuell, sondern auch ausdrücklich und frei zugestimmt hat.... was bei einer Bezugnahme auf einen Tarifvertrag im Arbeitsvertrag des Betroffenen nicht der Fall ist85. Diese Voraussetzungen sind nicht erfüllt, wenn der Arbeitsvertrag des Betroffenen lediglich auf einen Tarifvertrag Bezug nimmt, der eine Überschreitung der wöchentlichen Höchstarbeitszeit erlaubt. Es ist nämlich keineswegs sicher, dass der betroffene Arbeitnehmer beim Abschluss eines solchen Vertrages von der Beschränkung der ihm durch die Richtlinie 93/104 eingeräumten Rechte wusste.86. Auf die zweite Frage ist demnach zu antworten ... [siehe Tenor, unter 2.].Zur dritten Frage87. Mit seiner dritten Frage möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob Art. 6 Nr. 2 der Richtlinie 93/104 im Fall nicht ordnungsgemäßer Umsetzung der Richtlinie so auszulegen ist, dass er unmittelbare Wirkung hat.88. Wie sich sowohl aus ihrem Wortlaut als auch aus ihrem Kontext ergibt, enthält diese Frage zwei Aspekte, deren erster die Auslegung des Art. 6 Nr. 2 der Richtlinie 93/104 betrifft, durch die das vorlegende Gericht in die Lage versetzt werden soll, sich zur Vereinbarkeit der einschlägigen nationalen Vorschriften mit den gemeinschaftsrechtlichen Anforderungen zu äußern, während der zweite Aspekt die Frage betrifft, ob diese Bestimmung, wenn der betreffende Mitgliedstaat sie nicht ordnungsgemäß in innerstaatliches Recht umgesetzt hat, die Voraussetzungen dafür erfüllt, dass sich ein Einzelner unter Umständen wie denen der Ausgangsverfahren vor den nationalen Gerichten auf sie berufen kann.89. Diese beiden Aspekte sind somit nacheinander zu prüfen.Zur Tragweite des Art. 6 Nr. 2 der Richtlinie 93/10490. Vorab ist daran zu erinnern, dass Art. 6 Nr. 2 der Richtlinie 93/104 den Mitgliedstaaten aufgibt, die erforderlichen Maßnahmen zu treffen, damit nach Maßgabe der Erfordernisse der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes der Arbeitnehmer die durchschnittliche Arbeitszeit pro Siebentageszeitraum 48 Stunden einschließlich der Überstunden nicht überschreitet.91. Aus Art. 118 a EG-Vertrag, der die Rechtsgrundlage der Richtlinie 93/104 darstellt, aus deren erster, vierter, siebter und achter Begründungserwägung, aus der Gemeinschaftscharta der sozialen Grundrechte der Arbeitnehmer, die auf der Tagung des Europäischen Rates von Straßburg am 9. 12. 1989 verabschiedet wurde und deren Punkte 8 und 19 Abs. 1 in der vierten Begründungserwägung dieser Richtlinie wiedergegeben sind, sowie aus dem Wortlaut des Art. 1 Abs. 1 dieser Richtlinie ergibt sich, dass durch die Richtlinie 93/104 Mindestvorschriften festgelegt werden sollen, die dazu bestimmt sind, die Lebens- und Arbeitsbedingungen der Arbeitnehmer durch eine Angleichung namentlich der innerstaatlichen Arbeitszeitvorschriften zu verbessern. Diese gemeinschaftsweite Harmonisierung der Arbeitszeitgestaltung soll einen besseren Schutz der Sicherheit und der Gesundheit der Arbeitnehmer durch die Gewährung von - u. a. täglichen und wöchentlichen - Mindestruhezeiten und angemessenen Ruhepausen gewährleisten (Urteil Jaeger, Rdnrn. 45 bis 47).92. Dazu legt die Richtlinie 93/104 in Art. 6 Nr. 2 eine durchschnittliche wöchentliche Höchstarbeitszeit von 48 Stunden fest, eine Begrenzung, bezüglich deren ausdrücklich klargestellt ist, dass sie auch die Überstunden einschließt.Wie im Fall des Bereitschaftsdienstes ...93. Der Gerichtshof hat in diesem Zusammenhang bereits entschieden, dass Bereitschaftsdienste, die ein Arbeitnehmer in Form persönlicher Anwesenheit an dem von seinem Arbeitgeber bestimmten Ort leistet, in vollem Umfang als Arbeitszeit im Sinne der Richtlinie 93/104 anzusehen sind, unabhängig davon, dass der Betroffene während dieses Dienstes tatsächlich keine ununterbrochene berufliche Tätigkeit ausübt (Urteil Jaeger, Rdnrn. 71, 75 und 103).... ist die Arbeitsbereitschaft i. R. eines Rettungsdienstes vollständig als Arbeitszeit i. S. der Richtlinie 93/104 anzusehen94. Dasselbe muss für die Arbeitsbereitschaft von Rettungsassistenten im Rahmen eines Rettungsdienstes gelten, bei dem es zwischen den Notfalleinsätzen zwangsläufig zu mehr oder weniger langen Phasen der Untätigkeit kommt.95. Diese Arbeitsbereitschaftszeiten sind bei der Bestimmung der täglichen und wöchentlichen Höchstarbeitszeit folglich in vollem Umfang zu berücksichtigen.96. Darüber hinaus lässt Art. 15 der Richtlinie 93/104 nach der mit dieser eingeführten Regelung zwar grundsätzlich die Anwendung oder Einführung nationaler Vorschriften zu, die für den Schutz der Sicherheit oder Gesundheit der Arbeitnehmer günstiger sind, doch dürfen die Mitgliedstaaten oder die Sozialpartner Abweichungen nur von einigen - ausdrücklich genannten - Richtlinienbestimmungen vorsehen (Urteil Jaeger, Rdnr. 80).97. Zum einen wird aber Art. 6 der Richtlinie 93/104 nur in Art. 17 Abs. 1 der Richtlinie erwähnt, der unstreitig Tätigkeiten erfasst, die mit denen von Rettungsassistenten wie den Klägern in den Ausgangsverfahren nichts zu tun haben. Dagegen nimmt Art. 17 Abs. 2 Nr. 2.1 Buchst. c Ziffer iii Bezug auf »Tätigkeiten, die dadurch gekennzeichnet sind, dass die Kontinuität des Dienstes ... gewährleistet sein muss«, zu denen u. a. die »Ambu-lanzdienste« gehören, lässt aber Abweichungen nur von den Art. 3, 4, 5, 8 und 16 dieser Richtlinie zu.98. Zum anderen ist es den Mitgliedstaaten nach Art. 18 Abs. 1 Buchst. b Ziffer i der Richtlinie 93/104 freigestellt, Art. 6 nicht anzuwenden, wenn sie die allgemeinen Grundsätze der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes der Arbeitnehmer einhalten und bestimmte in Art. 18 Abs. 1 Buchst. b Ziffer i aufgeführte kumulative Voraussetzungen erfüllen. Die Bundesrepublik Deutschland hat von dieser Abweichungsmöglichkeit jedoch keinen Gebrauch gemacht (Urteil Jaeger, Rdnr. 85).Die Mitgliedstaaten dürfen den Anspruch des Arbeitnehmers auf eine maximale Wochenarbeitszeit von 48 Stunden keinen Bedingungen unterwerfen99. Darüber hinaus ergibt sich aus der Rechtsprechung des Gerichtshofes, dass die Mitgliedstaaten die Bedeutung der Bestimmungen der Richtlinie 93/104 nicht einseitig festlegen dürfen, indem sie den Anspruch der Arbeitnehmer darauf, dass die durchschnittliche Wochenarbeitszeit 48 Stunden nicht überschreitet, wie er in Art. 6 Nr. 2 dieser Richtlinie vorgesehen ist, irgendwelchen Bedingungen oder Beschränkungen unterwerfen (in diesem Sinne Urteil Jaeger, Rdnrn. 58 und 59). Jede andere Auslegung würde das Ziel der Richtlinie verkennen, einen wirksamen Schutz der Sicherheit und der Gesundheit der Arbeitnehmer dadurch zu gewährleisten, dass ihnen tatsächlich Mindestruhezeiten gewährt werden (Urteil Jaeger, Rdnrn. 70 und 92).Diese 48-Stunden-Obergrenze ist ein besonders wichtiges Ziel des Sozialrechts der Gemeinschaft100. Daraus ergibt sich, dass die Obergrenze von 48 Stunden für die durchschnittliche Wochenarbeitszeit einschließlich der Überstunden in Anbetracht sowohl des Wortlauts des Art. 6 Nr. 2 der Richtlinie 93/104 als auch des Zieles und der Systematik der Richtlinie eine besonders wichtige Regel des Sozialrechts der Gemeinschaft ist, die jedem Arbeitnehmer als ein zum Schutz seiner Sicherheit und seiner Gesundheit bestimmter Mindestanspruch zugute kommen muss (entsprechend Urteil vom 26. 6. 2001 in der Rechtssache C-173/99, BECTU, Slg. 2001, I-4881, Rdnrn. 43 und 47), so dass eine nationale Regelung wie die in den Ausgangsverfahren in Rede stehende, die wöchentliche Arbeitszeiten von mehr als 48 Stunden einschließlich der Arbeitsbereitschaft erlaubt, mit den Anforderungen dieser Bestimmung nicht vereinbar ist.Art. 6 Nr. 2 der Richtlinie 93/104 steht somit der hier infrage stehenden Regelung der Arbeitszeit im Rettungsdienst entgegen101. Daher ist auf die dritte Frage unter ihrem ersten Aspekt zu antworten, dass Art. 6 Nr. 2 der Richtlinie 93/104 dahin auszulegen ist, dass er unter Umständen wie denen der Ausgangsverfahren einer Regelung eines Mitgliedstaats entgegensteht, die bei der von Rettungsassistenten im Rahmen eines Rettungsdienstes einer Einrichtung wie des Deutschen Roten Kreuzes geleisteten Arbeitsbereitschaft - gegebenenfalls über einen Tarifvertrag oder eine aufgrund eines Tarifvertrags getroffene Betriebsvereinbarung - eine Überschreitung der in dieser Bestimmung festgelegten wöchentlichen Höchstarbeitszeit von 48 Stunden zulässt.Zur unmittelbaren Wirkung des Art. 6 Nr. 2 der Richtlinie 93/104 und den sich daraus für die Ausgangsverfahren ergebenden Folgen102. Da die einschlägige nationale Regelung unter Umständen wie denen der Ausgangsverfahren den Anforderungen der Richtlinie 93/104 hinsichtlich der wöchentlichen Höchstarbeitszeit nicht entspricht, ist ferner zu prüfen, ob Art. 6 Nr. 2 der Richtlinie 93/104 die Voraussetzungen erfüllt, um unmittelbare Wirkung zu entfalten.Alle Voraussetzungen für eine Entfaltung unmittelbarer Wirkung ...103. Insoweit ergibt sich aus der ständigen Rechtsprechung des Gerichtshofes, dass sich der Einzelne in all den Fällen, in denen die Bestimmungen einer Richtlinie inhaltlich unbedingt und hinreichend genau sind, vor nationalen Gerichten gegenüber dem Staat auf diese Bestimmungen berufen kann, wenn dieser die Richtlinie nicht fristgemäß oder nur unzulänglich in das nationale Recht umgesetzt hat (u. a. Urteile vom 19. 11. 1991 in den Rechtssachen C-6/90 und C-9/90, Francovich u. a., Slg. 1991, I-5357, Rdnr. 11, und vom 11. 7. 2002 in der Rechtssache C-62/00, Marks & Spencer, Slg. 2002, I-6325, Rdnr. 25).... werden von Art. 6 Nr. 2 Richtlinie 93/104 ...104. Art. 6 Nr. 2 der Richtlinie 93/104 erfüllt diese Kriterien, da er den Mitgliedstaaten unmissverständlich eine Verpflichtung zur Erreichung eines bestimmten Ergebnisses auferlegt, die im Hinblick auf die Anwendung der dort aufgestellten Regel durch keinerlei Bedingungen eingeschränkt ist und die dahin geht, für die durchschnittliche Wochenarbeitszeit eine Höchstgrenze von 48 Stunden einschließlich der Überstunden vorzusehen.105. Auch wenn die Richtlinie 93/104 den Mitgliedstaaten einen gewissen Gestaltungsspielraum beim Erlass der Durchführungsvorschriften lässt, insbesondere was den für die Anwendung des Art. 6 festzulegenden Bezugszeitraum angeht, und ihnen zudem erlaubt, von diesem Artikel abzuweichen, so nimmt dies der Nr. 2 dieses Artikels doch nichts von ihrer Genauigkeit und Unbedingtheit. Zum einen ergibt sich nämlich aus Art. 17 Abs. 4 dieser Richtlinie, dass der Bezugszeitraum auf keinen Fall zwölf Monate überschreiten darf, und zum anderen hängt die Befugnis der Mitgliedstaaten, Art. 6 nicht anzuwenden, von der Einhaltung aller in Art. 18 Abs. 1 Buchst. b Ziffer i der Richtlinie genannten Bedingungen ab. Es ist deshalb möglich, den Mindestschutz zu bestimmen, der auf jeden Fall zu verwirklichen ist (in diesem Sinne Urteil Simap, Rdnrn. 68 und 69).... erfüllt106. Art. 6 Nr. 2 der Richtlinie 93/104 erfüllt demnach alle Voraussetzungen, um unmittelbare Wirkung zu entfalten.Ein nationales Gericht hat daraus folgende Rechtsfolgen abzuleiten107. Sodann sind die Rechtsfolgen zu bestimmen, die ein nationales Gericht unter Umständen wie denen der Ausgangsverfahren, in denen sich Private gegenüberstehen, aus dieser Auslegung abzuleiten hat.Zwar kann sogar eine klare, genaue und unbedingte Richtlinienbestimmung ...108. Der Gerichtshof hat insoweit in ständiger Rechtsprechung entschieden, dass eine Richtlinie nicht selbst Verpflichtungen für einen Einzelnen begründen kann, so dass ihm gegenüber eine Berufung auf die Richtlinie als solche nicht möglich ist (u. a. Urteile vom 26. 2. 1986 in der Rechtssache 152/84, Marshall, Slg. 1986, 723, Rdnr. 48, vom 14. 7. 1994 in der Rechtssache C-91/92, Faccini Dori, Slg. 1994, I-3325, Rdnr. 20, und vom 7. 1. 2004 in der Rechtssache C-201/02, Wells, noch nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Rdnr. 56).... als solche zwischen Privaten keine Anwendung finden, ...109. Daraus folgt, dass sogar eine klare, genaue und unbedingte Richtlinienbestimmung, mit der dem Einzelnen Rechte gewährtoder Verpflichtungen auferlegt werden sollen, im Rahmen eines Rechtsstreits, in dem sich ausschließlich Private gegenüberstehen, nicht als solche Anwendung finden kann.... aber vor allem den nationalen Gerichten obliegt es, ...110. Jedoch obliegen nach ebenfalls ständiger Rechtsprechung seit dem Urteil vom 10. 4. 1984 in der Rechtssache 14/83 (Von Colson und Kamann, Slg. 1984, 1891, Rdnr. 26) die sich aus einer Richtlinie ergebende Verpflichtung der Mitgliedstaaten, das in dieser Richtlinie vorgesehene Ziel zu erreichen, und die Pflicht der Mitgliedstaaten gemäß Art. 10 EG, alle zur Erfüllung dieser Verpflichtung geeigneten Maßnahmen allgemeiner oder besonderer Art zu treffen, allen Trägern öffentlicher Gewalt in den Mitgliedstaaten und damit im Rahmen ihrer Zuständigkeiten auch den Gerichten (u. a. Urteile vom 13. 11. 1990 in der Rechtssache C-106/89, Marleasing, Slg. 1990, I-4135, Rdnr. 8, Faccini Dori, Rdnr. 26, vom 18. 12. 1997 in der Rechtssache C-129/96, Inter-Environnement Wallonie, Slg. 1997, I-7411, Rdnr. 40, und vom 25. 2. 1999 in der Rechtssache C-131/97, Carbonari u. a., Slg. 1999, I-1103, Rdnr. 48).... den Rechtsschutz der gemeinschaftsrechtlichen Regelung zu gewährleisten und ihre volle Wirkung sicherzustellen111. Vor allem den nationalen Gerichten obliegt es nämlich, den Rechtsschutz zu gewährleisten, der sich für den Einzelnen aus den gemeinschaftsrechtlichen Bestimmungen ergibt, und deren volle Wirkung sicherzustellen.112. Dies gilt umso mehr, wenn das nationale Gericht mit einem Rechtsstreit über die Anwendung innerstaatlicher Rechtsvorschriften befasst ist, die - wie hier - speziell zur Umsetzung einer Richtlinie erlassen wurden, die dem Einzelnen Rechte verleihen soll. Das Gericht hat in Anbetracht des Art. 249 Abs. 3 EG davon auszugehen, dass der Staat, wenn er von dem ihm durch diese Bestimmung eingeräumten Gestaltungsspielraum Gebrauch gemacht hat, die Absicht hatte, den sich aus der betreffenden Richtlinie ergebenden Verpflichtungen in vollem Umfang nachzukommen (Urteil vom 16. 12. 1993 in der Rechtssache C-334/92, Wagner Miret, Slg. 1993, I-6911, Rdnr. 20).Das Gebot der gemeinschaftsrechtskonformen Auslegung ...113. Bei der Anwendung des innerstaatlichen Rechts, insbesondere der Bestimmungen einer speziell zur Umsetzung der Vorgaben einer Richtlinie erlassenen Regelung, muss das nationale Gericht das innerstaatliche Recht außerdem so weit wie möglich anhand des Wortlauts und des Zweckes dieser Richtlinie auslegen, um das in ihr festgelegte Ergebnis zu erreichen und so Art. 249 Abs. 3 EG nachzukommen (in diesem Sinne u. a. Urteile Von Colson und Kamann, Rdnr. 26, Marleasing, Rdnr. 8, und Faccini Dori, Rdnr. 26; vgl. auch Urteile vom 23. 2. 1999 in der Rechtssache C-63/97, BMW, Slg. 1999, I-905, Rdnr. 22, vom 27. 6. 2000 in den Rechtssachen C-240/98 bis C-244/98, Océano Grupo Editorial und Salvat Editores, Slg. 2000, I-4941, Rdnr. 30, und vom 23. 10. 2003 in der Rechtssache C-408/01, Adidas-Salomon und Adidas Benelux, Slg. 2003, I-12537, Rdnr. 21).114. Das Gebot einer gemeinschaftsrechtskonformen Auslegung des nationalen Rechts ist dem EG-Vertrag immanent, da dem nationalen Gericht dadurch ermöglicht wird, im Rahmen seiner Zuständigkeit die volle Wirksamkeit des Gemeinschaftsrechts zu gewährleisten, wenn es über den bei ihm anhängigen Rechtsstreit entscheidet (in diesem Sinne Urteil vom 15. 5. 2003 in der Rechtssache C-160/01, Mau, Slg. 2003, I-4791, Rdnr. 34).... verlangt, dass das nationale Gericht das gesamte nationale Recht so berücksichtigt, dass es nicht zu einem der Richtlinie widersprechenden Ergebnis kommt, ...115. Dieser vom Gemeinschaftsrecht aufgestellte Grundsatz der gemeinschaftsrechtskonformen Auslegung des nationalen Rechts betrifft zwar in erster Linie die zur Umsetzung der fraglichen Richtlinie erlassenen innerstaatlichen Bestimmungen, beschränkt sich jedoch nicht auf die Auslegung dieser Bestimmungen, sondern verlangt, dass das nationale Gericht das gesamte nationale Recht berücksichtigt, um zu beurteilen, inwieweit es so angewendet werden kann, dass es nicht zu einem der Richtlinie widersprechenden Ergebnis führt (in diesem Sinne Urteil Carbonari u. a., Rdnrn. 49 und 50).... gegebenenfalls muss es das nationale Recht so auslegen, dass das von der Richtlinie verfolgte Ziel erreicht wird116. Ermöglicht es das nationale Recht durch die Anwendung seiner Auslegungsmethoden, eine innerstaatliche Bestimmung unter bestimmten Umständen so auszulegen, dass eine Kollision mit einer anderen Norm innerstaatlichen Rechts vermieden wird, oder die Reichweite dieser Bestimmung zu diesem Zweck einzuschränken und sie nur insoweit anzuwenden, als sie mit dieser Norm vereinbar ist, so ist das nationale Gericht verpflichtet, die gleichen Methoden anzuwenden, um das von der Richtlinie verfolgte Ziel zu erreichen.117. Im vorliegenden Fall obliegt es somit dem vorlegenden Gericht, das mit Rechtsstreitigkeiten wie den Ausgangsverfahren befasst ist, die den Anwendungsbereich der Richtlinie 93/104 betreffen und auf einen nach Ablauf der Frist zur Umsetzung der Richtlinie entstandenen Sachverhalt zurückgehen, bei der Anwendung von Bestimmungen des nationalen Rechts, die speziell zur Umsetzung dieser Richtlinie erlassen worden sind, diese so weit wie möglich so auszulegen, dass sie im Einklang mit den Zielen der Richtlinie angewandt werden können (in diesem Sinne Urteil vom 13. 7. 2000 in der Rechtssache C-456/98, Centrosteel, Slg. 2000, I-6007, Rdnrn. 16 und 17).118. Im vorliegenden Fall verlangt der Grundsatz der gemeinschaftsrechtskonformen Auslegung somit, dass das vorlegende Gericht unter Berücksichtigung des gesamten nationalen Rechts alles tun muss, was in seiner Zuständigkeit liegt, um die volle Wirksamkeit der Richtlinie 93/104 zu gewährleisten, damit die Überschreitung der in Art. 6 Nr. 2 der Richtlinie festgelegten wöchentlichen Höchstarbeitszeit verhindert wird (in diesem Sinne Urteil Marleasing, Rdnrn. 7 und 13).119. Folglich muss ein nationales Gericht, bei dem ein Rechtsstreit ausschließlich zwischen Privaten anhängig ist, bei der Anwendung der Bestimmungen des innerstaatlichen Rechts, die zur Umsetzung der in einer Richtlinie vorgesehenen Verpflichtungen erlassen worden sind, das gesamte nationale Recht berücksichtigen und es so weit wie möglich anhand des Wortlauts und des Zweckes der Richtlinie auslegen, um zu einem Ergebnis zu gelangen, das mit dem von der Richtlinie verfolgten Ziel vereinbar ist. In den Ausgangsverfahren muss das vorlegende Gericht somit alles tun, was in seiner Zuständigkeit liegt, um die Überschreitung der wöchentlichen Höchstarbeitszeit zu verhindern, die in Art. 6 Nr. 2 der Richtlinie 93/104 auf 48 Stunden festgesetzt ist.120. Nach alledem ist auf die dritte Frage wie folgt zu antworten: ... [siehe Tenor, unter 3.].Hinweis der Redaktion:Siehe hierzu den Beitrag von Riesenhuber/Domröse, RIW 2005, 47 (in diesem Heft).

03.01.2005
: Richtlinienkonforme Rechtsfindung und nationale Methodenlehre

I. EinführungIn seiner Entscheidung vom 5. 10. 2004 in der Rechtssache Pfeiffer1EuGH, 5. 10. 2004 - verb. Rs. C-397/01 bis C-403/01, RIW 2005, 54 (in diesem Heft) - Pfeiffer u. a. hat der EuGH weitere Einzelheiten der Auslegung der Arbeitszeitrichtlinie (ArbZRL)2Richtlinie 93/104/EG des Rates v. 23. 11. 1993 über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung, ABlEG 1993 Nr. L 307/18; aufgehoben durch Art. 27 Abs. 1 Richtlinie 2003/88/EG des Europäischen Parlaments und des Rates v. 4. 11. 2003 über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung, ABlEG 2003 Nr. L 299/9. geklärt. Aus der Vorabentscheidung des Gerichts, die durch eine Vorlage des ArbG Lörrach veranlasst war, ergibt sich, dass das deutsche Arbeitszeitgesetz (ArbZG) die Richtlinienvorgaben unzureichend umsetzt. Im praktischen Ergebnis bedeutet das für Fälle wie die des Ausgangsverfahrens, dass die unter dem deutschen Arbeitszeitgesetz vereinbarte Wochenarbeitszeit von 49 Stunden3§ 14 Abs. 2 lit. b DRK-TV sieht eine durchschnittliche Arbeitszeit von 54 Stunden wöchentlich vor. In einer Protokollnotiz zu dieser Bestimmung ist eine wöchentliche Höchstarbeitszeit von 49 Stunden seit dem 1. 1. 1993 vorgesehen. (in dieser Form) nicht mit den Richtlinienvorgaben vereinbar ist. Die Richtlinie lässt nur 48 Stundenzu (Art. 6 Nr. 2 ArbZRL). Das ArbG Lörrach hat diese mögliche Konsequenz bei der Vorlage bedacht und daher auch die Frage gestellt, was es im Fall eines Umsetzungsdefizits tun soll. Zugespitzt formuliert stellt sich dem Arbeitsgericht die Frage, ob man 49 als 48 auslegen kann. Das BAG hatte insoweit zuletzt eine zurückhaltende Tendenz erkennen lassen.4BAG, NZA 2003, 742. Damit hatte der EuGH einmal mehr zu Grundlagen und Grenzen der richtlinienkonformen Rechtsfindung Stellung zu nehmen. In seiner Antwort tut er das sehr eingehend und setzt dabei auch neue Akzente. Der Gerichtshof stellt die richtlinienkonforme Rechtsfindung in den Zusammenhang mit anderen Umsetzungspflichten und erörtert ihre Grundlagen und Voraussetzungen (II.). Er spricht zudem aber auch die Reichweite des Gebots an (III.). Daraus ergeben sich weitere Folgerungen für die Methodik der Rechtsfindung (IV.).II. Richtlinienkonforme Rechtsfindung im System der UmsetzungspflichtenIn seinem Urteil hat der Gerichtshof - soweit ersichtlich erstmals - die richtlinienkonforme Rechtsfindung unter die Voraussetzungen der unmittelbaren Anwendbarkeit (inhaltliche Unbedingtheit und hinreichende Bestimmtheit) gestellt. Anlass dafür mag auch die konkrete Vorlagefrage des ArbG Lörrach gewesen sein, die auf die unmittelbare Anwendbarkeit zielte.5Vgl. EuGH, 5. 10. 2004 - verb. Rs. C-397/01 bis C-403/01, RIW 2005, 54 (in diesem Heft) (Rdnr. 43) - Pfeiffer u. a. Die Ausführungen des Gerichts werfen drei Fragen auf:1. Wo steht die richtlinienkonforme Rechtsfindung im System der Umsetzungspflichten?2. Auf welcher rechtlichen Grundlage fußt das Gebot der richtlinienkonformen Rechtsfindung?3. Und ist die unmittelbare Anwendbarkeit der Richtlinie Voraussetzung für die richtlinienkonforme Rechtsfindung?1. Das System der UmsetzungspflichtenRichtlinienkonforme Rechtsfindung ist ein Weg, den Umsetzungsgeboten der Richtlinie Geltung zu verschaffen.6Dazu nur Brechmann, Die richtlinienkonforme Auslegung - Zugleich ein Beitrag zur Dogmatik der EG-Richtlinie, 1994, passim; Grundmann, ZEuP 1996, 399-424; Grundmann, JZ 1996, 274-287; Grundmann, Europäisches Schuldvertragsrecht, 1. Teil, 1999, Rdnr. 148-175. Sie steht damit im Zusammenhang mit den Umsetzungspflichten allgemein, gehört aber schon zu den Sekundärpflichten. Die primären Umsetzungspflichten ergeben sich generell aus dem Instrument der Richtlinie und damit einer teleologischen Auslegung von Art. 249 Abs. 3 EG. Ergänzend wird zur Begründung der primären Umsetzungspflichten auf das Gebot der Gemeinschaftstreue des Art. 10 EG verwiesen.7Vgl. z. B. EuGH, 10. 4. 1984 - Rs. 14/83, Slg. 1984, 1891, 1909 - von Colson und Kamann; EuGH, 25. 2. 1999 - Rs. C-131/97, Slg. 1999, I-1103, 1134 - Carbonari; Kahl, in: Calliess/Ruffert (Hrsg.), Kommentar zu EU-Vertrag und EG-Vertrag, 2. Aufl. 2002, Art. 10 Rdnr. 19 m. w. N. Zur Umsetzung sind zwar, wie der EuGH stets hervorhebt, alle staatlichen Gewalten verpflichtet.8Etwa EuGH, 10. 4. 1984 - Rs. 14/83, Slg. 1984, 1891, 1909 - von Colson und Kamann; EuGH, 13. 11. 1990 - Rs. C-106/89, Slg. 1990, I-4135, 4159 - Marleasing. Da indes die ordnungsgemäße Umsetzung im Normalfall ein Gesetz erfordert, trifft sie in erster Linie den mitgliedstaatlichen Gesetzgeber.Nur wenn die Primärpflicht zur Umsetzung nicht (vollständig, richtig, unzweideutig) erfüllt ist, können sekundäre Pflichten eingreifen. Die Primärpflicht bleibt davon unberührt, der Mitgliedstaat bleibt also zu einer gesetzgeberischen Nachbesserung verpflichtet. Diese andauernde Primärpflicht ist es, deren Erfüllung im Vertragsverletzungsverfahren (Art. 226 EG) angemahnt werden kann. Zu den Sekundärpflichten gehört zuerst die unmittelbare Anwendung der Richtlinie. Sie kommt allerdings nach herrschender und zutreffender Ansicht nur im Vertikalverhältnis zwischen Mitgliedstaat und Privaten in Betracht, nicht aber im Horizontalverhältnis zwischen Privaten.9Dazu zuletzt Rörig, Die Direktwirkung von Richtlinien in Privatrechtsverhältnissen - Eine Abgrenzung der richtlinienkonformen Auslegung vom Phänomen der Direktwirkung, 2001; zum Meinungsstand nur Ruffert, in: Calliess/Ruffert (Fn. 7), Art. 249 Rdnr. 80-82 m. N. zur Rechtsprechung. Wo nicht schon eine unmittelbare Anwendung der Richtlinie möglich ist, sind die staatlichen Gewalten - insbesondere Exekutive und Judikative - zur richtlinienkonformen Rechtsfindung verpflichtet.Unabhängig von dem Streit über die Grenzen der richtlinienkonformen Rechtsfindung (nachfolgend III.) besteht Einigkeit, dass sie Grenzen hat. Sind diese erreicht, so kommt als Umsetzungsmechanismus endlich die Staatshaftung in Betracht. Sie führt zwar nicht zur Umsetzung der Richtlinie, stellt aber die von der Richtlinie Begünstigten im wirtschaftlichen Ergebnis so, als wenn die Umsetzung ordnungsgemäß erfolgt wäre. Allerdings stellt die Staatshaftung selbst in dieser reduzierten Hinsicht der Umsetzung nur ein verhältnismäßig schwaches Mittel dar. Der gemeinschaftsrechtliche Staatshaftungsanspruch setzt einen hinreichend qualifizierten Verstoß gegen EG-Recht voraus. Dieser liegt indes nur vor, wenn der nationale Gesetzgeber bei der Ausübung seiner Kompetenzen deren Grenzen »offenkundig und erheblich überschreitet«. Während die verspätete Umsetzung einer Richtlinie stets einen hinreichend qualifizierten Verstoß begründet, ist das für die fehlerhafte Umsetzung nicht anzunehmen, solange das vom Gesetzgeber verwendete Instrument »nicht völlig abwegig und ungeeignet ist, das Ziel der Richtlinie zu erreichen«.10LG Berlin, EuZW 2001, 511 f. Auch die fortbestehende Möglichkeit, die primäre Umsetzungspflicht im Vertragsverletzungsverfahren anzumahnen, ist als Mittel zur Durchsetzung der Richtlinienstandards nur schwach. Eingeleitet werden kann das Verfahren nur durch die Kommission (Art. 226 EG) oder einen anderen Mitgliedstaat (Art. 227 EG), der einzelne Betroffene kann das nur anregen. Ein Ausgleich für die aus der mangelhaften Umsetzung entstehenden Nachteile wird in diesem Verfahren nicht bewirkt.Die richtlinienkonforme Rechtsfindung hat angesichts dessen eine zentrale Funktion bei der Durchsetzung der Richtlinienstandards. Schlägt sie fehl, so ist die effektive Umsetzung ernstlich bedroht.2. Der Geltungsgrund richtlinienkonformer RechtsfindungDie richtlinienkonforme Rechtsfindung steht demnach mit den Umsetzungsgeboten in Zusammenhang. So wie diese selbst wird daher auch die richtlinienkonforme Auslegung auf Art. 249 Abs. 3, 10 EG gestützt. Beide Vorschriften zieht auch der EuGH in seiner bisherigen Rechtsprechung zur Begründung heran, einzeln oder zusammen.11Vgl. z. B. EuGH, 10. 4. 1984 - Rs. 14/83, Slg. 1984, 1891, 1909 - von Colson und Kamann; EuGH, 13. 11. 1990 - Rs. C-106/89, Slg. 1990, I-4135, 4159 - Marleasing; EuGH, 25. 2. 1999 - Rs. C-131/97, Slg. 1999, I-1103, 1134 - Carbonari. Im Schrifttum ist die Frage, worauf das Gebot richtlinienkonformer Rechtsfindung zu stützen ist, umstritten; vgl. dazu Herlinghaus, Bedeutung und Reichweite der richtlinienkonformen Auslegung nationalen Rechts, 1997, S. 29-40; Franzen, Privatrechtsangleichung durch die Europäische Gemeinschaft, 1999, S. 292-320; Klamert, Die richtlinienkonforme Auslegung nationalen Rechts, 2001, S. 64, 162-167. In Pfeiffernimmt der Gerichtshof auf diese Rechtsprechung Bezug, er geht aber einen Schritt weiter und sagt, das Gebot gemeinschaftsrechtskonformer Auslegung des nationalen Rechts sei dem EG-Vertrag immanent. Durch dieses Gebot werde dem nationalen Gericht ermöglicht, im Rahmen seiner Zuständigkeit die volle Wirksamkeit des Gemeinschaftsrechts zu gewährleisten.12EuGH, 5. 10. 2004 - verb. Rs. C-397/01 bis C-403/01, RIW 2005, 54, 62 (Rdnr. 113 f.) - Pfeiffer u. a. Darin liegen zwei neue Akzente.Erstens spricht der EuGH hier im Zusammenhang mit der richtlinienkonformen Auslegung nun erstmals von der gemeinschaftsrechtskonformen Auslegung.13Vereinzelt hat der EuGH den Begriff der richtlinienkonformen Auslegung verwendet, vgl. z. B. EuGH, 16. 12. 1993 - Rs. C-334/92, Slg. 1993, I-6911, 6932 - Wagner Miret. In aller Regel stützt er sich auf die Formulierung, dass »das nationale Gericht bei der Anwendung des nationalen Rechts dieses im Lichte des Wortlauts und des Zwecks auszulegen hat«, vgl. etwa EuGH, 13. 11. 1990 - Rs. C-106/89, Slg. 1990, I-4135, 4159 - Marleasing; EuGH, 16. 12. 1993 - Rs. C-334/92, Slg. 1993, I-6911, 6932 - Wagner Miret. In der ersten Phase der Rechtsprechung hat der EuGH von gemeinschaftskonformer Auslegung gesprochen, vgl. EuGH, 12. 11. 1974 - Rs. 32/74, Slg. 1974, 1201, 1201 - Haaga; EuGH, 20. 5. 1976 - Rs. 111/75, Slg. 1976, 657, 666 - Mazzalai. Sie hatte der Gerichtshof bislang nur im Zusammenhang mit unmittelbar anwendbarem Primärrecht herangezogen.14Vgl. EuGH, 4. 2. 1988 - Rs. 157/86, Slg. 1988, 673, 690 - Murphy; EuGH, 28. 9. 1994 - Rs. C-200/91, Slg. 1994, I-4389, 4413 - Colorell Pension Trustees; EuGH, 16. 7. 1998 - Rs. C-264/96, Slg. 1998, I-4695, 4697, 4725 - ICI; EuGH, 18. 3. 2004 - Rs. C-8/02, Rdnr. 58 (noch nicht in amtl. Slg.) - Leichtle. Die Formulierung deutet an, dass er beide Fälle auf ein gemeinsames dogmatisches Fundament stellen und die richtlinienkonforme Auslegung als Ausprägung der gemeinschaftsrechtskonformen Auslegung ansehen möchte.15Im Schrifttum wird dies schon seit langem vielfach angenommen, vgl. etwa Dänzer-Vanotti, StVj 1991, 1, 7; Jarass, EuR 1991, 211, 223; Klamert (Fn. 11), S. 191-193.; a. A. Ehricke, RabelsZ 59 (1995), 598, 603 f.; Ehricke, EuZW 1999, 553, 554; Franzen (Fn. 11), S. 299 f.; Herrmann, Richtlinienumsetzung durch die Rechtsprechung, 2003, S. 103. Dem ist indes entgegenzutreten, da die beiden Auslegungsregeln unterschiedlich begründet sind und unterschiedliche Folgen haben. Das Gebot gemeinschaftsrechtskonformer Auslegung beruht auf dem Primat des EG-Rechts.16Metallinos, Die europarechtskonforme Auslegung, 1993, S. 174; Franzen (Fn. 11), S. 300. Folgerichtig trägt der EuGH den mitgliedstaatlichen Gerichten die Nichtanwendung nationalen Rechts auf, wenn es unmittelbar anwendbarem Primärrecht entgegensteht und eine gemeinschaftsrechtskonforme Auslegung nicht möglich ist.17EuGH, 4. 2. 1988 - Rs. 157/86, Slg. 1988, 673, 690 - Murphy; EuGH, 28. 9. 1994 - Rs. C-200/91, Slg. 1994, I-4389, 4413 - Colorell Pension Trustees; EuGH, 18. 3. 2004 - Rs. C-8/02, Rdnr. 58 (noch nicht in amtl. Slg.) - Leichtle; implizit auch EuGH, 16. 7. 1998 - Rs. C-264/96, Slg. 1998, I-4695, 4697, 4725 - ICI. Die Richtlinie nimmt hingegen nur ausnahmsweise am Anwendungsvorrang des Gemeinschaftsrechts teil, wenn sie unmittelbar anwendbar ist.18Ebenso Dänzer-Vanotti, StVj 1991, 1, 8; Dänzer-Vanotti, DB 1994, 1052, 1054; Jarass, EuR 1991, 211, 215 f.; Brechmann (Fn. 6), S. 250; W.-H. Roth, in: 50 Jahre BGH - FG aus der Wissenschaft, Bd. II, 2000, S. 847, 875; Canaris, in: FS Bydlinski, 2002, S. 47 (52-55 et passim); a. A. Spetzler, RIW 1991, 579, 580; Langenfeld, DÖV 1992, 955, 964; Streinz, Europarecht, 6. Aufl. 2003, Rdnr. 405. Die Nichtanwendung nationalen Rechts bei unmittelbarer Anwendbarkeit der Richtlinie wird vom BVerfG akzeptiert; vgl. BVerfGE 75, 233, 244 f.; besonders deutlich BVerfGE 85, 191, 205. Im Übrigen ist sie auf die Umsetzung angewiesen und kann keinen derogatorischen Vorrang vor entgegenstehendem nationalen Recht beanspruchen.19Dezidiert zur Unterscheidung von derogatorischen und interpretatorischen Vorrang Canaris, in: FS Bydlinski, 2002, S. 47, 64-73. Ähnlich Jarass/Beljin, JZ 2003, 768, 774 f.; Jarass/Beljin, NVwZ 2004, 1, 2, die zwischen einem Vorrang i. e. S. (Anwendungsvorrang) und einem Vorrang i. w. S. unterscheiden. Das schließt zwar den interpretatorischen Vorrang der richtlinienkonformen Auslegung vor den anderen Auslegungskriterien nicht aus, jedoch muss richtlinienwidriges nationales Recht von Gemeinschaftsrechts wegen nicht unangewendet bleiben (s. u., IV.2). Allerdings wollte offenbar auch der EuGH diese Unterschiede nicht einebnen: Sonst hätte er im vorliegenden Fall dem ArbG Lörrach die Unanwendbarkeit von § 7 Abs. 1 Nr. 1 lit. a ArbZG i.V.m. § 14 Abs. 2 DRK-TV vorgeben müssen. Das hat er nicht getan.Bemerkenswert ist zweitens, dass der EuGH das Gebot gemeinschaftsrechtskonformer Auslegung jetzt ergänzend durch den Hinweis auf die volle Wirksamkeit des Gemeinschaftsrechts begründet. Es scheint, als wolle der Gerichtshof das Gebot auf das breitere Fundament des Gesamtsystems der Effektuierung des Gemeinschaftsrechts stützen, das seine konzeptionelle Grundlage in der Teleologie des Gemeinschaftsrechts hat und damit über die Vorgaben von Art. 10, 249 EG hinausreicht. Die Entscheidung legt die Annahme nahe, der EuGH wolle auf diese Weise auch die Bedeutung und Wirkkraft der richtlinienkonformen Rechtsfindung verstärken. Das mag seinen Grund auch darin haben, dass im vorliegenden Fall eine richtlinienkonforme Auslegung von § 7 Abs. 1 Nr. 1 lit. a ArbZG i.V.m. § 14 Abs. 2 DRK-TV offensichtlich nicht in Betracht kam und deshalb an eine weitergehende richtlinienkonforme Rechtsfortbildung zu denken war.3. Inhaltliche Unbedingtheit und hinreichende Bestimmtheit der Richtlinie als Voraussetzung richtlinienkonformer Rechtsfindung?Über die allgemeinen Zusammenhänge von Umsetzungspflichten hinausgehend erörtert das Gericht in Pfeiffer erstmals die richtlinienkonforme Auslegung als Rechtsfolge der unmittelbaren Anwendbarkeit der Richtlinie. Das Gericht prüft und bejaht zunächst die unmittelbare Wirkung von Art. 6 Nr. 2 ArbZRL und lehnt eine horizontale Direktwirkung zwischen Privaten entsprechend seiner ständigen Rechtsprechung ab. Noch im Zusammenhang mit den »Rechtsfolgen der unmittelbaren Wirkung« erörtert der EuGH sodann das Gebot gemeinschaftsrechtskonformer Auslegung.20EuGH, 5. 10. 2004 - verb. Rs. C-397/01 bis C-403/01, RIW 2005, 54, 61 f. (Rdnr. 102-110) - Pfeiffer u. a.; vgl. auch den dritten Leitsatz des Tenors. Damit stellt sich die Frage, ob die richtlinienkonforme Rechtsfindung inhaltliche Unbedingtheit und hinreichende Bestimmtheit der Richtlinie voraussetzt,21Dafür etwa Rüffler, ÖJZ 1997, 121, 124 f.; dagegen z. B. Jarass, Grundfragen der innerstaatlichen Bedeutung des EG-Rechts, 1994, S. 91 f.; Herrmann (Fn. 15), S. 113 f. Von dieser Problematik der Anwendung richtlinienkonformer Rechtsfindung ist die Frage zu unterscheiden, welche Bedeutung die Erfordernisse der inhaltlichen Unbedingtheit und hinreichenden Bestimmtheit für das Rangverhältnis zwischen richtlinienkonformer Auslegung und den anderen Auslegungskriterien haben; dazu ausführlich und differenzierend Canaris, in: FS Bydlinski, 2002, S. 47, 77 f. so wie dies der EuGH bislang nur für die unmittelbare Wirkung von Richtlinien annimmt.Auf den ersten Blick scheint das überzeugend, wird doch nicht zu Unrecht gesagt, die richtlinienkonforme Auslegung wirke im Ergebnis ebenso wie eine unmittelbare Anwendung.22Scherzberg, Jura 1993, 225, 233; van Gerven, ERPL 1995, 367, 372; s. a. Hilf, EuR 1993, 1, 11 f.; Müller-Graff, NJW 1993, 13, 21. Zudem könnte man erwägen, dass die Erfordernisse der Unbedingtheit und Bestimmtheit auch dazu dienen, die Umsetzungsprärogative des nationalen Gesetzgebers zuschützen, die auch bei der richtlinienkonformen Auslegung zu wahren sei.Indes unterscheiden sich unmittelbare Anwendung und richtlinienkonforme Rechtsfindung in wesentlichen hier relevanten Punkten: Im ersten Fall wird Gemeinschaftsrecht unmittelbar angewandt, im zweiten hingegen nationales Recht (wenn auch mit Rücksicht auf das Gemeinschaftsrecht).23Ähnlich Streinz (Fn. 18), Rdnr. 405. Für die richtlinienkonforme Auslegung und Rechtsfortbildung intra legem24Zu den Stufen der Rechtsfortbildung Larenz/Canaris, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 3. Aufl. 1995, S. 252. ist schon zu beachten, dass der Richter an die nationale Regelung gebunden ist (Art. 20 Abs. 3, 97 Abs. 1 GG).25Ebenso für die richtlinienkonforme Auslegung (i. e. S.) Franzen (Fn. 11), S. 361. Da die Richtlinie - außerhalb der unmittelbaren Wirkung - nicht am Anwendungsvorrang teilhat, kann sie die nationale Regelung auch nicht ersetzen. Darüber hinaus ist auch richtlinienkonforme Rechtsfortbildung klar von der unmittelbaren Wirkung zu unterscheiden.26Anders insoweit Franzen (Fn. 11), S. 361. Dem nationalen Richter fehlt zwar eine abstrakt-generelle Entscheidungsgrundlage, jedoch ist die Lücke wegen des Verbots der horizontalen Direktwirkung nicht durch die Anwendung der Richtlinie, sondern durch die Wertungen der innerstaatlichen Rechtsordnung mit Rücksicht auf die Richtlinie zu schließen. Sogar im Bereich der richtlinienkonformen Rechtsfortbildung contra legem - soweit man sie zulässt (nachfolgend III.4) - findet das (umgedeutete) nationale Gesetz und nicht die Richtlinie Anwendung, auch wenn die Gesetzeskorrektur im Ergebnis der unmittelbaren Durchsetzung der Richtlinie gleichkommt. Die richtlinienkonforme Rechtsfindung ist mithin im Unterschied zur unmittelbaren Wirkung der Richtlinie stets an das nationale Recht gekoppelt. Dann kann es aber nicht darauf ankommen, dass die Richtlinie inhaltlich unbedingt und hinreichend genau formuliert ist.Praktisch bedeutet das z.. B.: ungeachtet der Tatsache, dass Art. 5 Pauschalreiserichtlinie27Richtlinie 90/314/EWG des Rates v. 13. 6. 1990 über Pauschalreisen, ABlEG 1990 Nr. L 158/59. den Anspruchsgegner nicht bestimmt und daher mangels Unbedingtheit28Zur Definition der inhaltlichen Unbedingtheit Scherzberg, Jura 1993, 225, 225 m. N. zur Rechtsprechung. nicht unmittelbar anwendbar ist, kann man die Regelung doch heranziehen, um den Schadensersatzanspruch nach nationalem Recht richtlinienkonform dahin auszulegen, dass er auch immaterielle Schäden umfasst.29Zu dieser Auslegung EuGH, 8. 10. 1996 - verb. Rs. C-178/94, C-179/94 und C-188/94 bis C-190/94, Slg. 1996, I-4845 - Dillenkofer.Richtig ist freilich, dass die richtlinienkonforme Rechtsfindung mangels Unbedingtheit und/oder Bestimmtheit Besonderheiten aufweist. Hat der Richtliniengeber nur einen Rahmen vorgegeben, so kann die richtlinienkonforme Rechtsfindung nur die Wahrung dieses Rahmens sicherstellen. Hat der Richtliniengeber dem nationalen Gesetzgeber zusätzliche Umsetzungsoptionen gegeben (z. B. die Ausnahme von Gebrauchtwaren aus dem Anwendungsbereich der Kaufgewährrichtlinie30Richtlinie 1999/44/EG des Europäischen Parlaments und des Rates v. 25. 5. 1999 zu bestimmten Aspekten des Verbrauchsgüterkaufs und der Garantien für Verbrauchsgüter, ABlEG 1999 Nr. L 171/12. gem. deren Art. 1 Abs. 3), so kann sich die richtlinienkonforme Rechtsfindung nur auf den Anwendungsbereich der Ausnahme beziehen. Problematisch ist vor allem, welche Möglichkeiten der Richter hat, wenn die Richtlinie Wahlmöglichkeiten vorsieht (z. B. wahlweise die Information der Arbeitnehmer oder der Arbeitnehmervertretung zulässt). Ob man, wenn der nationale Gesetzgeber die Wahl nicht ausgeübt hat, eine richtlinienkonforme Korrektur zulässt, ist aber wiederum nicht eine Frage der Anwendbarkeit der richtlinienkonformen Rechtsfindung, sondern von deren Grenzen (sogleich, III.).III. Reichweite und Grenzen des Gebots richtlinienkonformer RechtsfindungAuch die Frage nach Reichweite und Grenzen des Gebots der richtlinienkonformen Rechtsfindung wirft das Urteil erneut auf.1. Richtlinienkonforme Auslegung und RechtsfortbildungHier ist zunächst klarzustellen, dass der Gerichtshof mit dem Gebot der richtlinien- (oder gemeinschaftsrechts-) konformen »Auslegung« nicht nur die Auslegung im Sinne der deutschen Methodenlehre bezeichnet, sondern auch die Rechtsfortbildung. Die Grenze zwischen beiden Bereichen bildet nach herrschender deutscher Methodenlehre der mögliche Wortsinn; jenseits der Wortlautgrenze beginnt die Rechtsfortbildung. Der EuGH trifft diese Unterscheidung (zu Unrecht)31Nettesheim, AöR 119 (1994), 248, 263-266; Franzen (Fn. 11), S. 291; Grundmann/Riesenhuber, JuS 2001, 529, 535; Riesenhuber, System und Prinzipien des Europäischen Vertragsrechts, 2003, S. 71 f. nicht, sondern bezeichnet in Anlehnung an die französische Doktrin mit der Auslegung auch die Rechtsfortbildung. Treffender ist daher der Oberbegriff der richtlinienkonformen Rechtsfindung. Die Unterscheidung zwischen Auslegung und Rechtsfortbildung im angeglichenen Recht wird dadurch indes nicht hinfällig, da der EuGH die nationalen Methoden der Rechtsfindung grundsätzlich respektiert (dazu sogleich, III.3).2. Erstreckung des Gebots richtlinienkonformer Rechtsfindung auf das gesamte nationale RechtSpätestens32Im Schrifttum wird bisweilen behauptet, der EuGH habe bereits vor dem Marleasing-Urteil das Gebot richtlinienkonformer Rechtsfindung auf das gesamte innerstaatliche Recht erstreckt, so etwa Klamert (Fn. 11), S. 27-29, 34, 38 mit Fn. 139; a. A. Brechmann (Fn. 6), S. 50; Gebauer, Grundfragen der Europäisierung des Privatrechts, 1998, S. 182, 186 f. seit dem Marleasing-Urteil33EuGH, 13. 11. 1990 - Rs. C-106/89, Slg. 1990, I-4135 - Marleasing. gilt als gesichert, dass sich das Gebot richtlinienkonformer Rechtsfindung nicht nur auf den Umsetzungsrechtsakt bezieht, sondern darüber hinaus auf das gesamte (auch »autonome«) innerstaatliche Recht.34GA van Gerven, Schlussanträge v. 30. 1. 1990 - Rs. C-262/88, Slg. 1990, I-1889, 1936 f. - Barber; GA van Gerven, Schlussanträge v. 12. 7. 1990 - Rs. C-106/89, Slg. 1990, I-4135, 4147 - Marleasing; Bach, JZ 1990, 1108, 1112; Jarass, EuR 1991, 211, 220; Jarass/Beljin, JZ 2003, 768, 774; Spetzler, RIW 1991, 579, 579; Langenfeld, DÖV 1992, 955, 965; Haneklaus, DVBl. 1993, 129, 139; Brechmann (Fn. 6), S. 263; Ehricke, RabelsZ 59 (1995), 598, 603 f.; a. A. GA Slynn, Schlussanträge v. 18. 9. 1985 - Rs. 152/84, Slg. 1988, 723, 731 f. - Marshall; GA Mischo, Schlussanträge v. 17. 3. 1987 - Rs. 80/86, Slg. 1987, 3969, 3979 - Kolpinghuis Nijmegen. Ungeklärt ist indes, worauf die Verpflichtung zur richtlinienkonformen Rechtsfindung für das autonome Recht beruht, vgl. dazu Klamert (Fn. 11), S. 172-174, der insoweit von einer Rechtsfortbildung des EuGH ausgeht. Die deutschen Gerichte halten sich an die hier bestätigte35EuGH, 5. 10. 2004 - verb. Rs. C-397/01 bis C-403/01, RIW 2005, 54, 62 (Rdnr. 112 f., 115) - Pfeiffer u. a. Rechtsprechung in vorbildlicher Weise. Schon früh hat etwa das BAG dem wegen seines Geschlechts benachteiligten Stellenbewerber einen Anspruch auf Ersatz des Vertrauensschadens auf der Grundlage von § 823 Abs. 1 BGB i.V.m. § 847 BGB a.F. (Verletzung des Persönlichkeitsrechts) zugesprochen, weil sich diese Rechtsfolge nichtdem der Umsetzung der Gleichbehandlungsrichtlinie36Richtlinie 76/207/EWG des Rates v. 9. 2. 1976 zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen hinsichtlich des Zugangs zur Beschäftigung, zur Berufsausbildung und zum beruflichen Aufstieg sowie in Bezug auf die Arbeitsbedingungen, ABlEG 1976 Nr. L 39/40. dienenden § 611 a Abs. 2 BGB a. F. entnehmen ließ.37BAG, NJW 1990, 65; BAG, NJW 1990, 67.3. Respektierung der nationalen Methodik der RechtsfindungGanz überwiegend geht man davon aus, dass der Gerichtshof die in den Mitgliedstaaten praktizierte Methodik der Rechtsfindung respektiert.38Jarass, EuR 1991, 211, 217; Nettesheim, AöR 119 (1994), 248, 266; Brechmann (Fn. 6), S. 266; Franzen (Fn. 11), S. 374; Herrmann (Fn. 15), S. 134 f. Tatsächlich verlangt der EuGH nur, das nationale Gericht müsse »im Rahmen seiner Zuständigkeit« unter voller Ausschöpfung des Beurteilungsspielraums, »den ihm sein Recht einräumt«, seine Auslegung »soweit wie möglich« an der Richtlinie ausrichten.39EuGH, 10. 4. 1984 - Rs. 14/83, Slg. 1984, 1891, 1909 - von Colson und Kamann; EuGH, 13. 11. 1990 - Rs. C-106/89, Slg. 1990, I-4135, 4159 - Marleasing; EuGH, 25. 2. 1999 - Rs. C-131/97, Slg. 1999, I-1103, 1134 - Carbonari. In Pfeiffer bekräftigt der EuGH das im Grundsatz, wenn er das nationale Gericht nur verpflichtet, »die gleichen [nationalen] Methoden anzuwenden, um das von der Richtlinie erfolgte Ziel zu erreichen«.40EuGH, 5. 10. 2004 - verb. Rs. C-397/01 bis C-403/01, RIW 2005, 54, 62 (Rdnr. 116) - Pfeiffer u. a. Indes steht dieser Satz in einem besonderen Zusammenhang, der eine weitreichende Neuorientierung anbahnt:»Ermöglicht es das nationale Recht, durch die Anwendung seiner Auslegungsmethoden, eine innerstaatliche Bestimmung unter bestimmten Umständen so auszulegen, dass eine Kollision mit einer anderen Norm innerstaatlichen Rechts vermieden wird, oder die Reichweite dieser Bestimmung zu diesem Zweck einzuschränken und sie nur insoweit anzuwenden, als sie mit dieser Norm vereinbar ist, so ist das nationale Gericht verpflichtet, die gleichen Methoden anzuwenden, um das von der Richtlinie verfolgte Ziel zu erreichen.«41EuGH, 5. 10. 2004 - verb. Rs. C-397/01 bis C-403/01, RIW 2005, 54, 62 (Rdnr. 116) - Pfeiffer u. a.Im Ausgangspunkt entspricht das der allgemeinen Dogmatik zu den Umsetzungspflichten. Danach sind die Mitgliedstaaten primär gebunden, das Gemeinschaftsrecht ebenso zu bewehren wie entsprechendes nationales Recht (Äquivalenz als relativer Maßstab). Sie müssen dabei aber sicherstellen, dass das Gemeinschaftsrecht auch Wirkung entfaltet (Effektivität als absoluter Maßstab).42Vgl. Riesenhuber (Fn. 31), S. 267-270; Riesenhuber, Europäisches Vertragsrecht, 2003, Rdnr. 217-225. Auch methodisch verlangt der EuGH primär Äquivalenz. Für die Reichweite dieses Äquivalenzgebots ist indes entscheidend, welche Vergleichssituation man wählt. Der Vergleichsfall, den der EuGH heranzieht, ist der eines Normwiderspruchs43Zu den verschiedenen Fällen der Widersprüche im Recht Engisch, Einführung in das juristische Denken, 9. Aufl. 1997, S. 206-221. Siehe auch Canaris, Systemdenken und Systembegriff in der Jurisprudenz, 2. Aufl. 1983, S. 86-134. auf der Ebene des nationalen Rechts. Einen Widerspruch zwischen Richtlinienrecht und nationalem Recht hat der nationale Richter m. a. W. ebenso aufzulösen wie einen Widerspruch zwischen zwei Normen des nationalen Rechts! Dafür gibt es nach der deutschen Methodenlehre, die dem auf dem Gleichbehandlungsgrundsatz fußenden Systemdenken fundamentale Bedeutung beimisst, in der Tat ein reiches Instrumentarium.44Siehe nur Engisch (Fn. 43), S. 210-212. Der Sache nach spricht das Gericht in der zitierten Passage z. B. die Derogation und die teleologische Reduktion an.Man kann allerdings die Frage stellen, ob die Gleichsetzung zulässig ist, die der Gerichtshof vornimmt. Wenn die Kollision mit der Richtlinie der Kollision mit einer anderen Norm des nationalen Rechts gleichgestellt wird, bedeutet das nicht im Ergebnis doch die vom EuGH eigentlich abgelehnte horizontale Direktwirkung? Wird nicht auf diese Weise doch das Rechtsetzungsinstrument der Richtlinie mit der Verordnung gleichgestellt? Das ist indes zu verneinen. Mit seiner Gleichsetzung macht nämlich der EuGH keineswegs die Richtlinie unmittelbar anwendbar. Er definiert nur die vom nationalen Gericht verlangten methodischen Anstrengungen, um den Richtliniengeboten effektiv Geltung zu verschaffen. Auch ohne einen derogatorischen Vorrang der Richtlinie zu begründen, setzt das Gericht m. a. W. den gemeinschaftsrechtlich begründeten Umsetzungsbefehl (der auch an die Gerichte ergeht!) mit dem nationalen Rechtsanwendungsbefehl gleich. Dem Gebot, das nationale Recht anzuwenden, kommt demnach kein Vorrang vor dem Gebot zu, das Gemeinschaftsrecht (die Richtlinie) durchzusetzen.4. Richtlinienkonforme Rechtsfindung contra legem?Damit ist freilich erneut die Frage gestellt, ob die richtlinienkonforme Rechtsfindung auch contra legem erfolgen darf oder sogar muss.45Dafür Lutter, JZ 1992, 593, 607; Möllers, EuR 1998, 20, 44-46; dagegen Nettesheim, AöR 119 (1994), 261, 284; M. Schmidt, RabelsZ 59 (1995), 569, 585; Rüffler, ÖJZ 1997, 121, 126; Schnorbus, AcP 201 (2001), 860, 899; Canaris, in: FS Bydlinski, 2002, S. 47, 95 f.; differenzierend Grundmann, ZEuP 1996, 399, 420. Dagegen wird vor allem eingewandt, dass der Richtlinie gerade kein derogatorischer Anwendungsvorrang zukommt und dass die richtlinienkonforme Rechtsfindung der Methodik des nationalen Rechts unterworfen sei. Dann aber stehe - so kürzlich auch das BAG -46BAG, NZA 2003, 742, 748. die Gesetzesbindung des Richters (Art. 20 Abs. 3 GG) einer Derogation des Gesetzes entgegen.Auch nach den Vorgaben des EuGH ist eine richtlinienkonforme Rechtsfindung gegen den ausdrücklichen Gesetzgeberwillen nicht in jedem Fall verlangt. Wenn der Gesetzgeber eine Richtlinienvorgabe bewusst fehlerhaft umsetzt (z. B. weil er die weitergehenden Vorgaben für primärrechtswidrig hält), so erlaubt kein methodisches Instrumentarium, von diesem Gesetzgeberwillen abzuweichen.47Ebenso Brechmann (Fn. 6), S. 269; Grundmann, ZEuP 1996, 399, 420; Grundmann, JZ 1996, 274, 282; Grundmann, JuS 2001, 768, 771; Franzen (Fn. 11), S. 313, 399 f.; Rörig (Fn. 9), S. 157; Schnorbus, AcP 201 (2001), 860, 882, 899; Canaris, in: FS Bydlinski, 2002, S. 47, 96. Indes ist dieser Fall selten praktisch. Häufig ist es hingegen so, dass der Gesetzgeber redlich darum bemüht war, die Richtlinienvorgaben richtig umzusetzen, ihm das aber misslungen ist (z. B. weil er die Richtlinie fehlerhaft ausgelegt hat)48Exemplarisch LG Berlin, EuZW 2001, 511, 512.. Scheitert dann die richtlinienkonforme Auslegung an dem grundsätzlichen Verbot des Contra-legem-Judizierens?Die Aussage des EuGH in Pfeiffer spricht deutlich dagegen. In dem oben (3.) wiedergegebenen Ausschnitt der Entscheidungsgründe macht der Gerichtshof unmissverständlich klar, dass die nationalen Gerichte ein methodisches Handwerkszeug, das ihnen grundsätzlich eine Entscheidung auch contra legem ermöglicht, auch im Fall der Kollision vonUmsetzungsrecht und Richtlinie anwenden müssen. Mit anderen Worten: Die unzureichende Richtlinienumsetzung ist - diesseits einer bewussten Umsetzungsverweigerung - von Gemeinschaftsrechts wegen als ein Fall zulässigen Contralegem-Judizierens anzuerkennen.Das fällt umso leichter, als sich dieser Fall in die schon bislang anerkannten Fallgruppen der zulässigen Gesetzesderogation einfügt. Die Contra-legem-Grenze wird üblicherweise dort gezogen, wo die Rechtsfindung über den Wortlaut und den Gesetzeszweck hinausgeht.49Bydlinski, in: Koller/Hager/Junker/Singer/Neuner (Hrsg.), Einheit und Folgerichtigkeit im Juristischen Denken, 1998, S. 27 ff.; anders Neuner, Die Rechtsfindung contra legem, 1992, S. 132-134; in unserem Zusammenhang zuletzt Canaris, in: FS Bydlinski, 2002,S. 47, 90 f. Der Begriff des Contra-legem-Judizierens hängt letztlich davon ab, welcher Auslegungstheorie man folgt, vgl. Larenz/Canaris (Fn. 24), S. 250 f. Indes ist das auch nach der nationalen Methodenlehre durchaus zu legitimieren. Denn auch danach ist eine Rechtsfindung contra legem keineswegs völlig ausgeschlossen, sondern nur auf äußerste Fälle (»Rechtsnotstand«50Begriff von Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 6. Aufl. 1991, S. 427.) beschränkt. Als Fallgruppen werden insbesondere genannt:- der drohende Verstoß gegen das Willkürverbot,- die Änderung der Normsituation,- Wandlungen im Wertungsgefüge der Rechtsordnung oder- krasse Beeinträchtigungen der Einzelfallgerechtigkeit.51Larenz (Fn. 50), S. 427; Larenz/Canaris (Fn. 24), S. 251; Neuner (Fn. 49), S. 139-181.Die Gesetzesbindung wird aber gerade auch in dem Fall verneint, dass ein Normwiderspruch auf der Rechtsfolgenseite vorliegt.52Neuner (Fn. 49), S. 147, 123 f.; s. a. Engisch (Fn. 43), S. 211. Stellt man daher mit dem EuGH den Widerspruch von Richtlinie und Umsetzungsgesetz dem innerstaatlichen Normwiderspruch gleich, so liegt damit eine anerkannte Fallgruppe zulässigen Contra-legem-Judizierens vor. Im Übrigen lässt sich der Fall der (unbewussten) Richtlinienwidrigkeit des Umsetzungsrechts sachgerecht auch als Fall einer Wandlung der Rechtsordnung qualifizieren.Die damit im Einzelfall gemeinschaftsrechtlich gebotene richtlinienkonforme Rechtsfindung contra legem ist auch mit dem Prinzip der Gesetzesbindung bzw. der Volkssouveränität durchaus vereinbar.53Entgegen BAG, NZA 2003, 742, 748; Schnorbus, AcP 201 (2001), 860, 898 f. Zum einen ist hier schon zu berücksichtigen, dass der Gesetzgeber die Richtlinienvorgaben in den hier untersuchten Fällen richtig umsetzen wollte (auch wenn ihm das misslungen ist). Zweitens aber wird die Umsetzungsprärogative des Gesetzgebers auch nur der Form nach missachtet, nicht in der Sache. Denn in der Sache geht es nur darum, die Richtliniengebote umzusetzen, die dem nationalen Gesetzgeber ohne weiteren Spielraum vorgegeben sind: Es geht um ein richtlinienkonformes Minimum, nicht um ein Optimum. Wenn der Gesetzgeber den Richtliniengeboten genügen wollte und das - mutmaßlich - bei richtigem Verständnis auch richtig getan hätte, dann wird man seinem Anliegen wohl nicht gerecht, wenn man ihn formal »beim Wort« nimmt. Im Gegenteil: sowohl die drohenden Sanktionen der Staatshaftung und des Vertragsverletzungsverfahrens als auch die Zurückstellung der Umsetzungsbegünstigten laufen in diesem Fall den Interessen des Gesetzgebers zuwider.Endlich spricht das Effektivitätsgebot dafür, auch in solchen Fällen unbewusst fehlerhafter Umsetzung eine richtlinienkonforme Rechtsfindung zu fordern. Der Fall Pfeiffer illustriert das. Wenn man nämlich die Durchsetzung der Richtlinienvorgaben im Wege der richtlinienkonformen Rechtsfindung versperrt und die Kläger stattdessen auf die Staatshaftung und die Möglichkeit verweist, ein Vertragsverletzungsverfahren anzuregen, so gibt man ihnen Steine statt Brot. Die Voraussetzungen für eine Staatshaftung dürften nicht erfüllt sein. Und ein Vertragsverletzungsverfahren würde den betroffenen Arbeitnehmern persönlich nichts bringen, ganz abgesehen davon, dass durchaus zweifelhaft ist, ob die Kommission (oder gar ein anderer Mitgliedstaat) dazu zu bewegen wäre.Nur ergänzend ist darauf hinzuweisen, das etwaig drohende wirtschaftliche Konsequenzen kein tauglicher Einwand gegen die richtlinienkonforme Rechtsfindung sind. Damit ist vielmehr die gesonderte Sachproblematik der Rückwirkung von Rechtsprechung angesprochen.54Dazu zuletzt EuGH, 13. 12. 2001 - Rs. C-481/99, Slg. 2001, I-9945, 9984 f. - Heininger.IV. Konsequenzen für die Methodik der Rechtsfindung1. Das Verhältnis von richtlinienkonformer Auslegung und richtlinienkonformer RechtsfortbildungSoweit eine richtlinienkonforme Auslegung der Umsetzungsregelung nicht möglich ist, weil sie deren Wortsinn übersteigen würde, hat der Rechtsanwender unter dem Gebot der richtlinienkonformen Rechtsfindung zwei Möglichkeiten. Er kann entweder- die Umsetzungsnorm richtlinienkonform fortbilden oder- eine andere Norm des (»autonomen«) nationalen Rechts (etwa eine Generalklausel) richtlinienkonform auslegen (konkretisieren).Methodisch vorzugswürdig (und vorrangig) ist die richtlinienkonforme Fortbildung der Umsetzungsnorm. Nur scheinbar stellt demgegenüber die richtlinienkonforme Auslegung des autonomen nationalen Rechts ein »milderes Mittel« dar.Führt die richtlinienkonforme Auslegung der Umsetzungsnorm wegen der Wortlautgrenze nicht zum Ziel, so ist damit die sedes materiae des Methodenproblems bereits punktgenau getroffen. Denn auch die richtlinienkonforme Auslegung einer Norm des autonomen nationalen Rechts muss ja mit der Frage beginnen, ob für die Anwendung dieser autonomen Norm neben der Umsetzungsnorm noch Raum ist. Wenn man also etwa dem Diskriminierungsopfer einen Ersatzanspruch wegen Persönlichkeitsrechtsverletzung zugestehen will, so muss man zunächst die Frage beantworten, ob § 823 Abs. 1 BGB neben der (ursprünglichen) Umsetzungsregelung des § 611 a Abs. 2 BGB a. F. anwendbar ist. Es ist daher methodenehrlicher, zunächst die Regelung heranzuziehen, in der sich der Umsetzungswille des Gesetzgebers erschöpft, bevor auf Rechtsstoff zugegriffen wird, dem jedweder Richtlinienbezug fehlt.Folgt man dem, so ergibt sich folgende Stufenfolge der richtlinienkonformen Rechtsfindung, die der Richter heraufschreiten muss:1. Zunächst ist die richtlinienkonforme Auslegung der Umsetzungsregelung zu versuchen.2. Kommt sie nicht in Betracht (Wortlautgrenze), so ist eine richtlinienkonforme Fortbildung intra, praeter und extra legem der Umsetzungsregelung zu unternehmen.3. Wenn auch das nicht zielführend ist, hat der Richter die richtlinienkonforme Auslegung des autonomen nationalen Rechts und4. die richtlinienkonforme Fortbildung des autonomen nationalen Rechts (intra, praeter und extra legem) zu erwägen.5. Erst zuletzt ist eine richtlinienkonforme Fortbildung der Umsetzungsregelung contra legem in Betracht zu ziehen.Die praktische Bedeutung dieser Erwägungen illustriert der Fall Pfeiffer:1. Eine richtlinienkonforme Auslegung von § 7 Abs. 1 Nr. 1 lit. a ArbZG i.V.m. § 14 Abs. 2 DRK-TV ist mangels Interpretationsspielraums nicht möglich.2. Ausgeschlossen ist auch eine richtlinienkonforme Rechtsfortbildung praeter legem im Wege der richtlinienkonformen Reduktion der genannten Bestimmungen. Die richtlinienkonforme Reduktion der Umsetzungsregelung dient der Durchsetzung des Normzwecks der Richtlinie im nationalen Recht. Eine zu weit gefasste Umsetzungsregelung ist soweit einzuschränken wie es der Normzweck der Richtlinie gebietet. Ihre Grenze findet die richtlinienkonforme Reduktion praeter legem indes im möglichen Wortsinn der Umsetzungsregelung. Deshalb kann die in § 7 Abs. 1 Nr. 1 lit. a ArbZG i.V.m. § 14 Abs. 2 DRK-TV vorgesehene wöchentliche Höchstarbeitszeit von 49 Stunden nicht auf das nach Art. 6 Nr. 2 ArbZRL zulässige Maß von 48 Stunden reduziert werden. Die Bestimmungen können auch nicht deshalb richtlinienkonform reduziert werden, weil § 3 Satz 1 ArbZG die Vorgaben von Art. 6 Nr. 2 ArbZRL richtlinienkonform umsetzt, denn das würde eine unzulässige Reduktion auf Null und im Ergebnis eine Nichtanwendung von § 7 Abs. 1 Nr. 1 lit. a ArbZG i.V.m. § 14 Abs. 2 DRK-TV bedeuten (dazu sogleich, IV.2).3. Eine nationale (Ausweich-)Regelung, die i. S. v. Art. 6 Nr. 2 ArbZRL richtlinienkonform ausgelegt werden könnte, fehlt.4. Daher kommt auch eine richtlinienkonforme Fortbildung des autonomen nationalen Rechts nicht in Betracht.5. Es bleibt nur eine richtlinienkonforme Fortbildung von § 7 Abs. 1 Nr. 1 lit. a ArbZG i.V.m. § 14 Abs. 2 DRK-TV contra legem. Sie bedeutet in der Tat, was eingangs angedeutet wurde: Die Handlungsoptionen der Tarifparteien nach § 7 ArbZG sind entgegen dem Wortlaut und Zweck der Regelung so zu begrenzen, dass die nach der Richtlinie zulässige Höchstarbeitszeit von 48 Stunden nicht überschritten wird.2. Nichtanwendung der Umsetzungsregelung bei Unmöglichkeit richtlinienkonformer Rechtsfindung?Lehnt man die richtlinienkonforme Rechtsfindung contra legem ab, stellt sich die Frage, welche Rechtsfolgen eintreten, wenn sowohl eine richtlinienkonforme Auslegung als auch eine zulässige richtlinienkonforme Fortbildung intra, praeter und extra legem des gesamten (!) nationalen Rechts nicht möglich ist. Dabei geht es nur um die Bestimmung der Rechtsfolgen, die noch die Rechtsfindung betreffen, die also gewissermaßen auf der Primärebene ansetzen, und nicht um die sekundären oder subsidiären Folgen der gemeinschaftsrechtlichen Staatshaftung und Vertragsverletzung.Man könnte - dem Vorschlag von Generalanwalt Colomer folgend - die richtlinienwidrige Umsetzungsregelung im konkreten Fall unangewendet lassen:55So bereits Bach, JZ 1990, 1108, 1113; Langenfeld, DÖV 1992, 955, 963; a. A. BAG, NZA 2003, 742, 750; Scherzberg, Jura 1993, 225, 229; Jarass, DVBl. 1995, 954, 960; differenzierend Herrmann (Fn. 15), S. 103 f. »Erweist sich diese richtlinienkonforme Auslegung als unmöglich, so muss das nationale Gericht die volle Wirksamkeit des Gemeinschaftsrechts dadurch gewährleisten, dass es erforderlichenfalls jede entgegenstehende Bestimmung des nationalen Rechts aus eigener Entscheidungsbefugnis unangewendet lässt, ohne dass es die vorherige Beseitigung dieser Bestimmung auf gesetzgeberischem Wege oder durch irgendein anderes verfassungsrechtliches Verfahren beantragen oder abwarten müsste.«56GA Colomer, Schlussanträge v. 6. 5. 2003 - verb. Rs. C-397/01 bis C-403/01, Rdnr. 58 - Pfeiffer u. a., und Schlussanträge v. 27. 4. 2004 - verb. Rs. C-397/01 bis C-403/01, Rdnr. 15 - Pfeiffer u. a.Dieser Vorschlag ist freilich deswegen erstaunlich, weil der EuGH eine Derogation des nationalen Rechts nur verlangt, wenn es unmittelbar anwendbarem Primärrecht entgegensteht und eine gemeinschaftsrechtskonforme Auslegung nicht möglich ist57Siehe oben II.2 mit Fn. 17. oder wenn die Richtlinie ausnahmsweise unmittelbare Wirkung entfaltet58EuGH, 22. 6. 1989 - Rs. 103/88, Slg. 1989, 1839, 1871 - Costanzo.. Bei Versagen der richtlinienkonformen Auslegung verweist der Gerichtshof hingegen stets auf die gemeinschaftsrechtliche Staatshaftung,59EuGH, 16. 12. 1993 - Rs. C-334/92, Slg. 1993, I-6911, 6932 - Wagner Miret; EuGH, 25. 2. 1999 - Rs. C-131/97, Slg. 1999, I-1103, 1135 - Carbonari. die Unanwendbarkeit der nationalen Umsetzungsregelung hat er nie gefordert.Gegen die Derogation der richtlinienwidrigen Umsetzungsregelung spricht nicht zuletzt ganz praktisch, dass - wie offenbar auch die Bundesregierung vorgetragen hatte -60Vgl. GA Colomer, Schlussanträge v. 27. 4. 2004 - verb. Rs. C-397/01 bis C-403/01, Rdnr. 39 - Pfeiffer u. a. dadurch ein »rechtliches Vakuum« entstehen könnte.61Das konstatiert auch Langenfeld, DÖV 1992, 955, 963. Die Erwägung von Generalanwalt Colomer greift demgegenüber zu kurz. Er hatte vorgeschlagen, das nationale Gericht »[könnte] einfach auf eine andere nationale Vorschrift zurückgreifen, die zu derselben zur Umsetzung der gemeinschaftsrechtlichen Bestimmungen erlassenen gesetzlichen Regelung gehört, die der durch den europäischen Gesetzgeber auferlegten allgemeinen Verpflichtung entspricht, dass in den Mitgliedstaaten die Arbeitszeit über diese Stundenzahl nicht hinausgehen darf.«62GA Colomer, Schlussanträge v. 27. 4. 2004 - verb. Rs.C-397/01 bis C-403/01, Rdnr. 39 - Pfeiffer u. a. Das ArbG Lörrach könnte demnach § 7 Abs. 1 Nr. 1 lit. a ArbZG i.V.m. § 14 Abs. 2 DRK-TV außer Acht lassen und die zu leistende Arbeitszeit nach Maßgabe des § 3 Satz 1 ArbZG bestimmen, der Art. 6 Nr. 2 ArbZRL konform umsetzt. Indes versagt diese Lösung, wenn es an einer richtlinienkonformen Grundvorschrift fehlt, auf die der Rechtsanwender zurückgreifen könnte. Sähe man die schlichte Elimination der richtlinienwidrigen Norm als das einzig zulässige methodische Vorgehen an (und verweigerte man die richtlinienkonforme Rechtsfortbildung contra legem), so müsste das Konformitätsgebot hinter dem fundamentalen Rechtsverweigerungsverbot zurücktreten.3. Folgerungen für die Entscheidung des ArbG LörrachVerweigert man die richtlinienkonforme Korrektur des deutschen Arbeitszeitgesetzes, so entstehen nicht nur für die be-troffenen Kläger Schutzdefizite, vor allem ist die (effektive) Umsetzung der Richtlinie (bis zur gesetzgeberischen Korrektur) vereitelt. Wendet das ArbG Lörrach § 7 Abs. 1 Nr. 1 lit. a ArbZG i.V.m. § 14 Abs. 2 DRK-TV an, so werden damit die betroffenen Rettungsassistenten bis zur richtlinienkonformen Korrektur von § 7 Abs. 1 Nr. 1 lit. a ArbZG gebunden (ohne zusätzliche Vergütung) 49 Stunden zu arbeiten.Der Fall macht das Bedürfnis für eine richtlinienkonforme Rechtsfortbildung contra legem deutlich. Sie erlaubt dem ArbG Lörrach, § 7 Abs. 1 Nr. 1 lit. a ArbZG i.V.m. § 14 Abs. 2 DRK-TV auf das zulässige Maß von wöchentlich 48 Stunden Arbeitszeit richtlinienkonform zu reduzieren. Zu diesem Ergebnis kommt auch Generalanwalt Colomer. Er stellt fest, dass Art. 6 Abs. 2 ArbZRL § 7 Abs. 1 Nr. 1 lit. a ArbZG entgegensteht, und schlägt dem Gerichtshof vor, § 14 DRK-TV »dahin auszulegen, dass die betroffenen Arbeitnehmer nicht verpflichtet sind, durchschnittlich mehr als 48 Arbeitsstunden pro Woche zu leisten [...]«.63GA Colomer, Schlussanträge v. 6. 5. 2003 - verb. Rs. C-397/01 bis C-403/01, Rdnr. 60 - Pfeiffer u. a. und Schlussanträge v. 27. 4. 2004 - verb. Rs. C-397/01 bis C-403/01, Rdnr. 49 - Pfeiffer u. a. Von seinem Standpunkt aus ist das freilich erstaunlich, da er sich für eine Nichtanwendung des (unkorrigierbar) richtlinienwidrigen nationalen Rechts ausgesprochen hatte. Auf dieser Grundlage hätte er dem EuGH vorschlagen müssen zu entscheiden, dass § 14 Abs. 2 DRK-TV (i. V. m. § 7 Abs. 1 Nr. 1 lit. a ArbZG) außer Acht zu lassen ist. Der Vorschlag ist auch insoweit nicht korrekt, als der EuGH nur zur Auslegung des Gemeinschaftsrechts befugt ist (Art. 234 Abs. 1 EG). Das ist nichts anderes als eine richtlinienkonforme Reduktion von § 14 Abs. 2 DRK-TV i.V.m. § 7 Abs. 1 Nr. 1 lit. a ArbZG.V. SchlussSeitdem der EuGH vor 20 Jahren den nationalen Gerichten die Verpflichtung richtlinienkonformer Rechtsfindung auferlegte, hat er sie beständig erweitert und verfeinert. Mit dem Urteil Pfeiffer geht der EuGH einen weiteren Schritt. Er versucht die richtlinienkonforme Rechtsfindung in das System der Umsetzungsgebote einzubetten und verlangt von den nationalen Gerichten deutlicher als bisher äußerste methodische Anstrengungen, um die Richtliniengebote durchzusetzen. Für die deutsche Methodenlehre bedeutet das im Ergebnis, dass Richtlinienvorgaben weitergehend als bislang angenommen auch contra legem durchzusetzen sind. Das ArbG Lörrach hat damit die Chance, die Richtlinienvorgaben durchzusetzen. Der deutsche Gesetzgeber bleibt verpflichtet, die Richtlinie so umzusetzen, wie der EuGH sie ausgelegt hat. Allerdings zeichnet sich jetzt eine Korrektur der Arbeitszeitrichtlinie durch den Gemeinschaftsgesetzgeber ab, die gerade auch die Regelung des Bereitschaftsdienstes betrifft.64Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Richtlinie 2003/88/EG über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung v. 22. 9. 2004, KOM(2004) 607 endg.