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01.03.2005
: Unvereinbarkeit der Einrede des Forum non conveniens mit dem EuGVÜ

Aus den Gründen1. Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 2 des Übereinkommens vom 27. 9. 1968 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (ABl. 1972, L 299, S. 32) in der durch das Übereinkommen vom 9. 10. 1978 über den Beitritt des Königreichs Dänemark, Irlands und des Vereinigten Königreichs Großbritannien und Nordirland (ABl. L 304, S. 1 und - geänderter Text - S. 77), das Übereinkommen vom 25. 10. 1982 über den Beitritt der Republik Griechenland (ABl. L 388, S. 1) und das Übereinkommen vom 26. 5. 1989 über den Beitritt des Königreichs Spanien und der Portugiesischen Republik (ABl. L 285, S. 1) geänderten Fassung (im Folgenden: Brüsseler Übereinkommen).2. Dieses Ersuchen ergeht in einem Rechtsstreit zwischen Herrn Owusu und Herrn Jackson, Inhaber der Firma »Villa Holidays Bal-Inn Villas«, sowie mehreren Gesellschaften des jamaikanischen Rechts wegen eines Unfalls in Jamaika, bei dem Herr Owusu verletzt wurde.Rechtlicher RahmenBrüsseler Übereinkommen3. Wie sich aus der Präambel des Brüsseler Übereinkommens ergibt, soll es gemäß Art. 293 EG die gegenseitige Anerkennung und Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen erleichtern und innerhalb der Gemeinschaft den Rechtsschutz der dort ansässigen Personen verstärken. Außerdem ist es zu diesem Zweck nach der Präambel geboten, die internationale Zuständigkeit der Gerichte der Vertragsstaaten festzulegen.4. Die Vorschriften über die Zuständigkeit sind in Titel II des Brüsseler Übereinkommens enthalten. Art. 2 des Übereinkommens lautet:»Vorbehaltlich der Vorschriften dieses Übereinkommens sind Personen, die ihren Wohnsitz in dem Hoheitsgebiet eines Vertragsstaats haben, ohne Rücksicht auf ihre Staatsangehörigkeit vor den Gerichten dieses Staates zu verklagen.Auf Personen, die nicht dem Staat, in dem sie ihren Wohnsitz haben, angehören, sind die für Inländer maßgebenden Zuständigkeitsvorschriften anzuwenden.«5. Nach Art. 5 Nr. 1 und 3 dieses Übereinkommens kann eine Person jedoch in einem anderen Vertragsstaat verklagt werden: wenn ein Vertrag oder Ansprüche aus einem Vertrag den Gegenstand des Verfahrens bilden, vor dem Gericht des Ortes, an dem die Verpflichtung erfüllt worden ist oder zu erfüllen wäre, oder wenn eine unerlaubte Handlung oder eine Handlung, die einer unerlaubten Handlung gleichgestellt ist, oder wenn Ansprüche aus einer solchen Handlung den Gegenstand des Verfahrens bilden, vor dem Gericht des Ortes, an dem das schädigende Ereignis eingetreten ist.6. Zudem soll das Brüsseler Übereinkommen einander widersprechende Entscheidungen verhindern. Daher sieht Art. 21 über die Rechtshängigkeit vor:»Werden bei Gerichten verschiedener Vertragsstaaten Klagen wegen desselben Anspruchs zwischen denselben Parteien anhängig gemacht, so setzt das später angerufene Gericht das Verfahren von Amts wegen aus, bis die Zuständigkeit des zuerst angerufenen Gerichts feststeht.Sobald die Zuständigkeit des zuerst angerufenen Gerichts feststeht, erklärt sich das später angerufene Gericht zugunsten dieses Gerichts für unzuständig.«7. Art. 22 des Übereinkommens bestimmt:»Werden bei Gerichten verschiedener Vertragsstaaten Klagen, die im Zusammenhang stehen, erhoben, so kann das später angerufene Gericht das Verfahren aussetzen, solange beide Klagen im ersten Rechtszug anhängig sind.Das später angerufene Gericht kann sich auf Antrag einer Partei auch für unzuständig erklären, wenn die Verbindung im Zusammenhang stehender Verfahren nach seinem Recht zulässig ist und das zuerst angerufene Gericht für beide Klagen zuständig ist.Klagen stehen im Sinne dieses Artikels im Zusammenhang, wenn zwischen ihnen eine so enge Beziehung gegeben ist, dass eine gemeinsame Verhandlung und Entscheidung geboten erscheint, um zu vermeiden, dass in getrennten Verfahren widersprechende Entscheidungen ergehen könnten.«Nationales Recht8. Aufgrund der Einrede des Forum non conveniens, wie sie das englische Recht kennt, kann ein nationales Gericht seine Zuständigkeit mit der Begründung verneinen, dass ein ebenfalls zuständiges Gericht in einem anderen Staat objektiv geeigneter ist, um über die Rechtssache zu befinden, d. h. bei der Verhandlung der Sache den Interessen aller Beteiligten und einer geordneten Rechtspflege besser gerecht werden kann (Urteil des House of Lords von 1986, Spiliada Maritime Corporation/Cansulex Ltd, 1987, AC 460, insbesondere S. 476).9. Beschließt ein englisches Gericht, seine Zuständigkeit aufgrund der Einrede des Forum non conveniens zu verneinen, setzt es das Verfahren bis auf weiteres aus. Das vorläufig ausgesetzte Verfahren kann daher fortgesetzt werden, insbesondere wenn sich herausstellt, dass das ausländische Gericht für die Entscheidung des Rechtsstreits unzuständig ist oder der Kläger dort keinen effektiven gerichtlichen Rechtsschutz erlangt.Der Ausgangsrechtsstreit und die Vorlagefragen10. Am 10. 10. 1997 erlitt Herr Owusu, ein britischer Staatsangehöriger mit Wohnsitz im Vereinigten Königreich, bei einem Ferienaufenthalt in Jamaika einen sehr schweren Unfall. Er sprang an einer Stelle, an der ihm das Wasser bis zur Hüfte reichte, kopfüber ins Meer und brach sich dabei den fünften Halswirbel, was zu einer Tetraplegie führte.11. Nach dem Unfall erhob Herr Owusu im Vereinigten Königreich eine auf Vertragsverletzung gestützte Schadensersatzklage gegen Herrn Jackson, der ebenfalls in diesem Mitgliedstaat ansässig ist. Letzterer hatte dem Verunglückten ein Ferienhaus in Mammee Bay (Jamaika) vermietet. Herr Owusu machte geltend, dass der Vertrag, nach dem er Zugang zu einem Privatstrand gehabt habe, implizit die Bedingung eingeschlossen habe, dass der Strand angemessen gesichert oder frei von verborgenen Gefahren sei.12. Herr Owusu erhob im Vereinigten Königreich auch eine auf Ansprüche aus unerlaubter Handlung gestützte Schadensersatzklage gegen mehrere jamaikanische Gesellschaften, und zwar die Mammee Bay Club Ltd (im Folgenden: dritte Beklagte des Ausgangsverfahrens), die den Strand von Mammee Bay als dessen Eigentümerin verwaltet und dem Kläger des Ausgangsverfahrens einen unentgeltlichen Strandpass ausgehändigt hatte, The Enchanted Garden Resorts & Spa Ltd (im Folgenden: vierte Beklagte des Ausgangsverfahrens), die ein Ferienzentrum in der Nähe von Mammee Bay betreibt und ihren Gästen ebenfalls die Benutzung dieses Strandes gestattete, sowie die Town & Country Resorts Ltd (im Folgenden: sechste Beklagte des Ausgangsverfahrens), die ein an diesen Strand angrenzendes großes Hotel betreibt und eine Erlaubnis zur Nutzung dieses Strandes besitzt, die mit der Auflage verbunden ist, für die Verwaltung, Unterhaltung und Überwachung des Strandes zu sorgen.13. Aus den Akten ergibt sich, dass eine britische Urlauberin zwei Jahre zuvor einen ähnlichen Unfall erlitten hatte, der ebenfalls zu einer Tetraplegie geführt hatte. Somit stützt sich die auf quasi-deliktische Ansprüche gestützte Schadensersatzklage gegen die jamaikanischen Beklagten nicht nur darauf, dass sie die Schwimmer nicht vor den Gefahren von Sandbänken unter der Wasseroberfläche gewarnt hätten, sondern auch darauf, dass sie den früheren Unfall nicht ernst genommen hätten.14. Das Verfahren wurde durch ein vom Sheffield District Registry des High Court (England & Wales) Civil Division (Vereinigtes Königreich) am 6. 10. 2000 ausgefertigtes Klageformular eröffnet. Die Klage wurde Herrn Jackson im Vereinigten Königreich zugestellt; der Kläger des Ausgangsverfahrens erwirkte am 12. 12. 2000 die Zustimmung zur Zustellung an die anderen, in Jamaika ansässigen Beklagten. Die Klage wurde der dritten, der vierten und der sechsten Beklagten des Ausgangsverfahrens zugestellt, nicht aber der Mammee Bay Resorts Ltd und der Consulting Services Ltd.15. Sowohl Herr Jackson als auch die dritte, die vierte und die sechste Beklagte des Ausgangsverfahrens erhoben vor diesem Gericht gegenüber der gegen sie eingereichten Klage die Einrede der Unzuständigkeit. Zur Begründung trugen sie vor, dass der Rechtsstreit einen engeren Bezug zu Jamaika aufweise und die Gerichte dieses Staates daher einen Gerichtsstand darstellten, wo die Verhandlung der Sache den Interessen aller Beteiligten und einer geordneten Rechtspflege besser gerecht werden könne.16. In seinem Beschluss vom 16. 10. 2001 vertrat der Richter, der die Aufgaben des Deputy High Court Judge in Sheffield (Vereinigtes Königreich) wahrnahm, die Ansicht, dass nach dem Urteil vom 13. 7. 2000 in der Rechtssache C-412/98 (Group Josi, Slg. 2000, I-5925, Rdnrn. 59 bis 61 = RIW 2000, 787) die Anwendbarkeit der Zuständigkeitsregeln des Brüsseler Übereinkommens auf einen Rechtsstreit grundsätzlich davon abhänge, ob der Beklagte seinen Sitz oder seinen Wohnsitz im Hoheitsgebiet eines Vertragsstaats habe, und das Übereinkommen auf jeden Rechtsstreit zwischen einem in einem Vertragsstaat wohnhaften Beklagten und einem in einem Drittstaat wohnhaften Kläger Anwendung finde. Unter diesen Umständen sei die Entscheidung des Court of Appeal (Vereinigtes Königreich) von 1992 in der Sache Harrods (Buenos Aires) Ltd (1992 AC 72) rechtsfehlerhaft, mit der den englischen Gerichten die Möglichkeit eingeräumt worden sei, aufgrund der Einrede des Forum non conveniens auf die Ausübung ihrer Zuständigkeit nach Art. 2 des Brüsseler Übereinkommens zu verzichten.17. Da der Richter, der die Aufgaben des Deputy High Court Judge wahrnahm, sich nicht für befugt hielt, dem Gerichtshof zur Klärung dieses Punktes eine Frage nach Art. 2 des Protokolls vom 3. 6. 1971 zur Vorabentscheidung vorzulegen, stellte er unter Heranziehung der im Urteil Group Josi herausgestellten Grundsätze fest, dass er das Verfahren gegenüber Herrn Jackson nicht aussetzen könne, da dieser seinen Wohnsitz in einem Vertragsstaat habe.18. Trotz der Bezüge zu Jamaika, die die Klage gegen die anderen Beklagten möglicherweise aufwies, meinte der Richter, das Verfahren auch nicht gegen diese Beklagten aussetzen zu können, soweit ihm durch das Brüsseler Übereinkommen verwehrt sei, das Verfahren im Rahmen der Klage gegen Herrn Jackson auszusetzen. Anderenfalls bestünde nämlich die Gefahr, dass die Gerichte zweier Staaten über denselben Sachverhalt aufgrund gleicher oder ähnlicher Beweise befänden und zu einander widersprechenden Ergebnissen gelangten. Das erstinstanzliche Gericht kam daher zu dem Ergebnis, dass das Vereinigte Königreich und nicht Jamaika das Land sei, wo sich der für die Verhandlung der Rechtssache zutreffende Gerichtsstand befinde, und wies die Einrede der Unzuständigkeit zurück.19. Herr Jackson sowie die dritte, die vierte und die sechste Beklagte legten gegen diesen Beschluss Rechtsmittel ein. Der Court of Appeal (England & Wales) Civil Division stellte fest, das im vorliegenden Fall die Gerichte eines Vertragsstaats und die eines Drittstaats den Rechtsstreit entscheiden könnten. Wenn Art. 2 des Brüsseler Übereinkommens auch in diesem Kontext befolgt werden müsste, müsste Herr Jackson im Verei-nigten Königreich vor dem Gericht seines Wohnsitzes verklagt werden, und der Kläger des Ausgangsverfahrens könnte den Rechtsstreit nicht nach Art. 5 Nr. 3 des Brüsseler Übereinkommens in Jamaika, wo der Schaden eingetreten sei, führen, da dieser Staat kein Vertragsstaat sei. In Ermangelung einer entsprechenden ausdrücklichen Ausnahmevorschrift im Übereinkommen dürfe eine Ausnahme von der Regel des Art. 2 des Brüsseler Übereinkommens daher nicht in Betracht gezogen werden. Die Frage der Anwendung der Einrede des Forum non conveniens zugunsten der Gerichte eines Drittstaats trotz Wohnsitzes eines der Beklagten in einem Vertragsstaat sei niemals Gegenstand eines Urteils des Gerichtshofes gewesen.20. Der Kläger des Ausgangsverfahrens trug in diesem Zusammenhang vor, dass die Anwendung des Art. 2 des Brüsseler Übereinkommens zwingend vorgeschrieben sei, so dass das englische Gericht das Verfahren im Vereinigten Königreich gegen einen Beklagten mit Wohnsitz in diesem Staat nicht aussetzen könne, auch wenn es ein anderes Gericht in einem Drittstaat für geeigneter halte.21. Das vorlegende Gericht stellte dazu fest, dass es in einer Reihe anderer Fälle, die die ausschließliche Zuständigkeit oder die Rechtshängigkeit beträfen, ernste Folgen hätte, wenn dieser Standpunkt sich als richtig erweisen sollte. Ein in England ergangenes Urteil, das über den Rechtsstreit in der Sache entschiede und das in Jamaika insbesondere gegenüber den jamaikanischen Beklagten zu vollstrecken wäre, könnte mit einigen dort geltenden Bestimmungen über die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Urteile in Konflikt geraten.22. Aufgrund dessen hat der Court of Appeal (England & Wales) Civil Division beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:1. Verstößt ein Gericht eines Vertragsstaats gegen das Brüsseler Übereinkommen, wenn es im Fall eines Klägers, der die Zuständigkeit nach Art. 2 geltend macht, unter Ausübung eines ihm nach nationalem Recht eingeräumten Ermessens seine Zuständigkeit für ein Verfahren gegen eine Person, die ihren Wohnsitz in diesem Staat hat, zugunsten der Gerichte eines Nichtvertragsstaats verneint,a) sofern keine Zuständigkeit eines Gerichts eines anderen Vertragsstaats des Brüsseler Übereinkommens in Betracht kommt;b) sofern das Verfahren keine Anknüpfungspunkte zu einem anderen Vertragsstaat aufweist?2. Bei Bejahung von Frage 1a) oder 1b): Handelt es sich in jedem Fall um einen Verstoß oder nur unter bestimmten Umständen, und wenn ja, unter welchen?VorlagefragenZur ersten Frage23. Für die Beantwortung der ersten Frage ist zunächst festzustellen, ob Art. 2 des Brüsseler Übereinkommens auf einen Fall wie den des Ausgangsverfahrens anwendbar ist, d. h. einen Fall, in dem der Kläger und einer der Beklagten ihren Wohnsitz im Hoheitsgebiet eines Vertragsstaats haben und der Rechtsstreit, der zwischen ihnen vor den Gerichten dieses Staates anhängig ist, bestimmte Bezüge zu einem Drittstaat, nicht aber zu einem anderen Vertragsstaat aufweist. Nur wenn dies zu bejahen ist, stellt sich unter den Gegebenheiten des Ausgangsrechtsstreits die Frage, ob das Brüsseler Übereinkommen einem Gericht eines Vertragsstaats verwehrt, die Einrede des Forum non conveniens anzuwenden, wenn es gemäß Art. 2 dieses Übereinkommens seine Zuständigkeit mit dem inländischen Wohnsitz des Beklagten begründen könnte.Zur Anwendbarkeit des Art. 2 des Brüsseler Übereinkommens24. Der Wortlaut des Art. 2 des Brüsseler Übereinkommens enthält keinen Anhaltspunkt dafür, dass die dort festgelegte allgemeine Zuständigkeitsregel, die allein auf den Wohnsitz des Beklagten im Hoheitsgebiet eines Vertragsstaats abstellt, nur anwendbar ist, wenn ein Rechtsverhältnis vorliegt, das einen Bezug zu mehreren Vertragsstaaten aufweist.25. Zwar verlangt die Anwendung der Zuständigkeitsregeln des Brüsseler Übereinkommens, wie sich aus dem Bericht von Herrn Jenard zu diesem Übereinkommen ergibt (ABl. 1979, C 59, S. 1, 8), einen Auslandsbezug.26. Der Auslandsbezug des fraglichen Rechtsverhältnisses muss sich jedoch, um Art. 2 des Brüsseler Übereinkommens anwenden zu können, nicht unbedingt daraus ergeben, dass durch den Grund der Streitigkeit oder den jeweiligen Wohnsitz der Parteien mehrere Vertragsstaaten mit einbezogen sind. Die Einbeziehung eines Vertragsstaats und eines Drittstaats z. B. durch den Wohnsitz des Klägers oder eines Beklagten im erstgenannten Staat und den im zweitgenannten Staat belegenen Ort der streitigen Ereignisse kann ebenfalls einen Auslandsbezug des fraglichen Rechtsverhältnisses herstellen. Eine solche Situation kann nämlich im Vertragsstaat, wie es im Ausgangsverfahren der Fall ist, Fragen hinsichtlich der Festlegung der internationalen Zuständigkeit der Gerichte aufwerfen, die laut der dritten Begründungserwägung gerade eines der Ziele des Brüsseler Übereinkommens ist.27. Der Gerichtshof hat die Zuständigkeitsregeln des Brüsseler Übereinkommens in dieser Weise bereits in Fällen ausgelegt, in denen der Kläger seinen Wohnsitz oder seinen Sitz in einem Drittstaat hatte, während der Beklagte seinen Wohnsitz im Hoheitsgebiet eines Vertragsstaats hatte (Urteile vom 25. 7. 1991 in der Rechtssache C-190/89, Rich, Slg. 1991, I-3855, vom 6. 12. 1994 in der Rechtssache C-406/92, Tatry, Slg. 1994, I-5439, und in der Rechtssache Group Josi, Rdnr. 60).28. Im Übrigen sind die Vorschriften des Brüsseler Übereinkommens über die ausschließliche Zuständigkeit oder eine ausdrückliche Zuständigkeitsvereinbarung auch auf Rechtsverhältnisse anwendbar, die einen Bezug zu nur einem Vertragsstaat und einem oder mehreren Drittstaaten aufweisen. Dies gilt im Fall des Art. 16 des Brüsseler Übereinkommens bei Rechtsstreitigkeiten über dingliche Rechte an unbeweglichen Sachen sowie über die Miete oder Pacht dieser Sachen, die zwischen Personen mit Wohnsitz in einem Nichtvertragsstaat wegen einer in einem Vertragsstaat belegenen unbeweglichen Sache anhängig sind, oder auch im Fall des Art. 17 des Brüsseler Übereinkommens, wenn durch eine Vereinbarung über die gerichtliche Zuständigkeit, die zumindest eine Partei mit Wohnsitz in einem Nichtvertragsstaat bindet, ein Gericht im Hoheitsgebiet eines Vertragsstaats bestimmt wird.29. Zwar finden, wie der Generalanwalt in den Nr. 142 bis 152 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, die Vorschriften des Brüsseler Übereinkommens über die Rechtshängigkeit und den Sachzusammenhang oder über die Anerkennung und Vollstreckung nach ihrem klaren Wortlaut in den Beziehungen zwischen den einzelnen Vertragsstaaten Anwendung, sofern sie bei Gerichten verschiedener Vertragsstaaten anhängige Verfahren bzw. Entscheidungen von Gerichten eines Vertragsstaats, die in einem anderen Vertragsstaat anerkannt und vollstreckt werden sollen, betreffen, doch können die Streitigkeiten, um die es in diesen Verfahren oder Entscheidungen geht, durchaus einen Auslandsbezug zu einem Vertragsstaat und einem Drittstaat aufweisen und aus diesem Grund zur Anwendung der allgemeinen Zuständigkeitsregel des Art. 2 des Brüsseler Übereinkommens führen.30. Gegen die Auffassung, dass Art. 2 auf ein Rechtsverhältnis anwendbar ist, das einen Bezug zu nur einem Vertragsstaat und zu einem oder mehreren Nichtvertragsstaaten aufweist, haben die Beklagten des Ausgangsverfahrens und die Regierung des Vereinigten Königreichs den Grundsatz der relativen Wirkung der Verträge angeführt, weil das Brüsseler Übereinkommen Staaten keine Verpflichtungen auferlegen könne, die in eine Bindung an dieses Übereinkommen nicht eingewilligt hätten.31. Hierzu genügt die Feststellung, dass einem Drittstaat keine Verpflichtung aufgebürdet wird, wenn das Gericht eines Vertragsstaats aufgrund des Wohnsitzes des Beklagten im Hoheitsgebiet dieses Staates - selbst in einem Rechtsstreit, der wegen seines Gegenstands oder des Wohnsitzes des Klägers zumindest teilweise einen Bezug zu einem Drittstaat aufweist - als zuständiges Gericht bestimmt wird.32. Herr Jackson und die Regierung des Vereinigten Königreichs haben zur Begründung ihrer Ansicht, dass Art. 2 des Brüsseler Übereinkommens nur für Rechtsstreitigkeiten mit Bezug zu mehreren Vertragsstaaten gelte, weiter vorgetragen, dass das grundlegende Ziel dieses Übereinkommens die Freizügigkeit der Urteile zwischen den Vertragsstaaten sei.33. Ziel des Art. 220 vierter Gedankenstrich EG-Vertrag (jetzt Art. 239 vierter Gedankenstrich EG), auf dessen Grundlage die Mitgliedstaaten das Brüsseler Übereinkommen geschlossen haben, ist in der Tat, das Funktionieren des Gemeinsamen Marktes durch den Erlass von Zuständigkeitsregeln für die damit zusammenhängenden Rechtsstreitigkeiten und soweit wie möglich die Beseitigung der Schwierigkeiten in Bezug auf die Anerkennung und Vollstreckung der Urteile im Gebiet der Vertragsstaaten zu erleichtern (Urteil vom 10. 2. 1994 in der Rechtssache C-398/92, Mund & Fester, Slg. 1994, I-467, Rdnr. 11 = RIW 1994, 329). Tatsächlich steht außer Frage, dass das Brüsseler Übereinkommen zum ordnungsgemäßen Funktionieren des Binnenmarktes beiträgt.34. Die einheitlichen Zuständigkeitsregeln im Brüsseler Übereinkommen sind jedoch nicht nur zur Anwendung auf Sachverhalte bestimmt, die einen tatsächlichen und hinreichenden Bezug zum Funktionieren des Binnenmarktes aufweisen, der definitionsgemäß mehrere Mitgliedstaaten betrifft. In diesem Zusammenhang genügt die Feststellung, dass ganz sicher die Vereinheitlichung als solche, die hinsichtlich der Vorschriften über Kompetenzkonflikte und die Anerkennung und Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen durch das Brüsseler Übereinkommen für Rechtsstreitigkeiten mit einem Auslandsbezug erfolgt ist, als solche zum Ziel gehabt hat, die Hemmnisse für das Funktionieren des Binnenmarktes, die sich aus den Unterschieden in den einschlägigen nationalen Rechtsvorschriften ergeben können, zu beseitigen (vgl. entsprechend zu den Harmonisierungsrichtlinien auf der Grundlage von Art. 95 EG zur Verbesserung der Bedingungen für die Errichtung und das Funktionieren des Binnenmarktes Urteil vom 20. 5. 2003 in den Rechtssachen C-465/00, C-138/01 und C-139/01, Österreichischer Rundfunk u. a., Slg. 2003, I-4989, Rdnrn. 41 f.).35. Nach alledem ist Art. 2 des Brüsseler Übereinkommens auf einen Sachverhalt wie den im Ausgangsrechtsstreit anwendbar, bei dem es um die Beziehungen zwischen den Gerichten eines einzigen Vertragsstaats und denen eines Nichtvertragsstaats und nicht um die Beziehungen zwischen den Gerichten mehrerer Vertragsstaaten geht.36. Somit ist die Frage zu prüfen, ob in einem solchen Fall das Brüsseler Übereinkommen einem Gericht eines Vertragsstaats verwehrt, seine Zuständigkeit nach Art. 2 dieses Übereinkommens aufgrund der Einrede des Forum non conveniens zu verneinen.Zur Vereinbarkeit der Einrede des Forum non conveniens mit dem Brüsseler Übereinkommen37. Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass Art. 2 des Brüsseler Übereinkommens zwingend ist und seinem Wortlaut nach von der dort aufgestellten grundsätzlichen Regel nur in den im Übereinkommen ausdrücklich vorgesehenen Fällen abgewichen werden darf (vgl. zur Verbindlichkeit des Zuständigkeitssystems, das durch das Brüsseler Übereinkommen eingeführt worden ist, Urteile vom 9. 12. 2003 in der Rechtssache C-116/02, Gasser, Slg. 2003, I-0000, Rdnr. 72 = RIW 2004, 289, und vom 27. 4. 2004 in der Rechtssache C-159/02, Turner, Slg. 2004, I-0000, Rdnr. 24 = RIW 2004, 541). Es steht außer Frage, dass eine aufgrund der Doktrin des Forum non conveniens erhobene Einrede von den Verfassern des Übereinkommens nicht vorgesehen war, auch wenn die Frage bei der Ausarbeitung des Übereinkommens vom 9. 10. 1978 im Zusammenhang mit dem Beitritt Dänemarks, Irlands und des Vereinigten Königreichs erörtert wurde, wie sich aus dem Bericht von Herrn Schlosser zu diesem Übereinkommen ergibt (ABl. 1979, C-59, S. 71, Nrn. 77 f.).38. Die Beachtung des Grundsatzes der Rechtssicherheit, die eines der Ziele des Brüsseler Übereinkommens darstellt (vgl. u. a. Urteile vom 28. 9. 1999 in der Rechtssache C-440/97, GIE Groupe Concorde u. a., Slg. 1999, I-6307, Rdnr. 23 = RIW 1999, 951, und vom 19. 2. 2002 in der Rechtssache C-256/00, Besix, Slg. 2002, I-1699, Rdnr. 24), wäre nicht in vollem Umfang gewährleistet, wenn einem nach diesem Übereinkommen zuständigen Gericht das Recht zugestanden werden müsste, die Einrede des Forum non conveniens anzuwenden.39. Das Brüsseler Übereinkommen soll nämlich laut seiner Präambel in der Gemeinschaft den Rechtsschutz der dort ansässigen Personen dadurch stärken, dass es gemeinsame Zuständigkeitsregeln festlegt, die Sicherheit im Hinblick auf die Verteilung der Zuständigkeiten zwischen den verschiedenen nationalen Gerichten, die mit einem Rechtsstreit befasst werden können, gewährleisten (Urteil Besix, Rdnr. 25).40. So verlangt der Grundsatz der Rechtssicherheit nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes u. a., dass die von der allgemeinen Regel des Art. 2 des Brüsseler Übereinkommens abweichenden Zuständigkeitsregeln so ausgelegt werden, dass ein informierter, verständiger Beklagter vorhersehen kann, vor welchem anderen Gericht als dem des Wohnsitzstaats er verklagt werden könnte (Urteile GIE Groupe Concorde u. a., Rdnr. 24, und Besix, Rdnr. 26).41. Die Anwendung der Doktrin des Forum non conveniens, die dem mit einer Rechtssache befassten Gericht ein weites Ermessen bei der Frage einräumt, ob ein ausländisches Gericht für die Entscheidung des Rechtsstreits in der Sache geeigneter ist, beeinträchtigt die Vorhersehbarkeit der Zuständigkeitsregeln des Brüsseler Übereinkommens, insbesondere des Art. 2, und damit das Prinzip der Rechtssicherheit, das Grundlage des Übereinkommens ist.42. Der Rechtsschutz der in der Gemeinschaft ansässigen Personen würde ebenfalls beeinträchtigt. Zum einen wäre der Beklagte, der sich vor den Gerichten seines Wohnsitzes im Allgemeinen besser verteidigen kann, unter den Umständen, wie sie im Ausgangsverfahren vorliegen, nicht in der Lage, ohne Schwierigkeiten vorauszusehen, vor welchem anderen Gericht er verklagt werden könnte. Zum anderen hätte der Kläger im Fall der Einrede, dass ein ausländisches Gericht vorhanden sei, das für die Entscheidung des Rechtsstreits geeigneter sei, nachzuweisen, dass er vor dem betreffenden ausländischen Gericht nicht zu seinem Recht kommen kann, oder er müsste, wenn das mit dem Rechtsstreit befasste Gericht beschließt, der Einrede stattzugeben, dartun, dass das ausländische Gericht letztlich für die Entscheidung des Rechtsstreits nicht zuständig ist oder dass er dort in Wirklichkeit keinen tatsächlichen gerichtlichen Rechtsschutz erlangen kann, ganz abgesehen von den Kosten, die mit der Erhebung einer neuen Klage vor dem Gericht eines anderen Staates verbunden sind, und der Verzögerung des Verfahrens.43. Zudem könnte die Zulassung der Einrede des Forum non conveniens im Rahmen des Brüsseler Übereinkommens die einheitliche Anwendung der dort enthaltenen Zuständigkeitsregeln gefährden, da diese Einrede nur in einigen wenigen Vertragsstaaten anerkannt ist, während das Ziel des Brüsseler Übereinkommens gerade die Einführung gemeinsamer Regeln unter Ausschluss exorbitanter nationaler Vorschriften ist.44. Die Beklagten des Ausgangsverfahrens betonen die negativen praktischen Folgen, die sich im vorliegenden Fall aus derVerpflichtung der englischen Gerichte zur Entscheidung des Rechtsstreits ergäben, insbesondere hinsichtlich der Verfahrenskosten, der Möglichkeit der Kostenerstattung in England im Fall der Klageabweisung, der logistischen Schwierigkeiten wegen der räumlichen Entfernungen, der Notwendigkeit, die Begründetheit der Klage nach Kriterien des jamaikanischen Rechts zu beurteilen, der Möglichkeit, in Jamaika ein Versäumnisurteil vollstrecken zu lassen, und der Unmöglichkeit einer Widerklage gegen die anderen Beklagten.45. Unabhängig davon, inwieweit diese Schwierigkeiten tatsächlich bestehen, genügt die Feststellung, dass solche Erwägungen, die gerade im Rahmen der Einrede des Forum non conveniens Berücksichtigung finden könnten, aus den vorstehend dargelegten Gründen nichts am zwingenden Charakter der grundlegenden Zuständigkeitsregel des Art. 2 des Brüsseler Übereinkommens ändern können.46. Nach alledem ist auf die erste Frage zu antworten, dass das Brüsseler Übereinkommen einem Gericht eines Vertragsstaats verwehrt, seine Zuständigkeit nach Art. 2 dieses Übereinkommens mit der Begründung zu verneinen, dass ein Gericht eines Nichtvertragsstaats geeigneter ist, um über den betreffenden Rechtsstreit zu befinden, selbst wenn keine Zuständigkeit eines Gerichts eines anderen Vertragsstaats in Betracht kommt oder das Verfahren keine Anknüpfungspunkte zu einem anderen Vertragsstaat aufweist.Zur zweiten Frage47. Mit der zweiten Frage möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob die Würdigung des Gerichtshofes, wenn er der Ansicht sein sollte, dass das Brüsseler Übereinkommen der Anwendung der Einrede des Forum non conveniens entgegenstehe, in jedem Fall oder nur unter bestimmten Umständen gilt.48. Wie sich aus der Vorlageentscheidung und den Erklärungen der Beklagten des Ausgangsverfahrens und der Regierung des Vereinigten Königreichs ergibt, ist die zweite Frage für den Fall der Rechtshängigkeit oder eines Sachzusammenhangs mit einem vor einem Gericht eines Nichtvertragsstaats anhängigen Verfahren, einer Zuständigkeitsvereinbarung zugunsten eines solchen Gerichts oder eines Bezugs zu dem Nichtvertragsstaat der in Art. 16 des Brüsseler Übereinkommens genannten Art gestellt worden.49. Das Verfahren nach Art. 234 EG ist ein Instrument der Zusammenarbeit zwischen dem Gerichtshof und den nationalen Gerichten, mittels dessen der Gerichtshof den Gerichten Gesichtspunkte zur Auslegung des Gemeinschaftsrechts an die Hand gibt, die sie zur Entscheidung der bei ihnen anhängigen Rechtsstreitigkeiten benötigen (vgl. u. a. Urteile vom 8. 11. 1990 in der Rechtssache C-231/89, Gmurzynska-Bscher, Slg. 1990, I-4003, Rdnr. 18, vom 12. 3. 1998 in der Rechtssache C-314/96, Djabali, Slg. 1998, I-1149, Rdnr. 17, und vom 21. 1. 2003 in der Rechtssache C-318/00, Bacardi-Martini und Cellier des Dauphins, Slg. 2003, I-905, Rdnr. 41).50. Die Rechtfertigung des Vorabentscheidungsersuchens liegt somit nicht in der Abgabe von Gutachten zu allgemeinen oder hypothetischen Fragen, sondern darin, dass das Ersuchen für die tatsächliche Entscheidung eines Rechtsstreits erforderlich ist (vgl. in diesem Sinne Urteile Djabali, Rdnr. 19, Bacardi-Martini und Cellier des Dauphins, Rdnr. 42, und vom 25. 3. 2004 in den Rechtssachen C-480/00 bis C-482/00, C-484/00, C-489/00 bis C-491/00 und C-497/00 bis C-499/00, Azienda Agricola Ettore Ribaldi u. a., Slg. 2004, I-0000, Rdnr. 72).51. Im vorliegenden Fall steht fest, dass die in Rdnr. 48 dieses Urteils genannten Fälle im Ausgangsverfahren nicht vorliegen.52. Somit erübrigt sich eine Beantwortung der zweiten Frage. (...)Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Große Kammer) für Recht erkannt: [siehe Tenor].