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OffeneGesetze.de – Zwischen Urheberrecht und Informationsfreiheit

Abbildung 1

RA Dr. Nils Rauer, Frankfurt a. M.

Ein breiterer und einfacherer Zugang zu Information und Wissen ist zweifelsohne eines der drängenden gesellschaftspolitischen Themen unserer Zeit. Das Medium der Wahl liegt auf der Hand: das Internet. Der Ausbau des 5G-Netzes, stärkere Anreize für offene WLANs, Klärung von Haftungsrisiken und -privilegien für Provider und Nutzer, Rechtssicherheit im Bereich des Text & Data Minings, dies alles sind nur Beispiele für die zahlreichen Initiativen, die im Kontext der Verwirklichung eines Digitalen Binnenmarktes innerhalb der Europäischen Union derzeit nicht nur diskutiert, sondern gesetzgeberisch umgesetzt werden.

In Mitten dieser berechtigten Bestrebungen, der breiten Öffentlichkeit, aber auch der Forschung und Lehre wie auch der Privatwirtschaft bessere Zugangsmöglichkeiten zu digitaler Information – zu “Intellectual Content” – zu verschaffen, steht das gute alte Urheberrecht. Manch einer wird es vielleicht für etwas “verstaubt” erachten, ist es doch kein modernes Registerrecht, welches man eintragen und die (digitale) Urkunde jedem potentiellen Verletzer entgegenhalten kann. Auch die Schutzdauer von 70 Jahren post mortem auctoris mutet bisweilen antiquiert an. Und doch ist das Urheberrecht eine dynamische Materie, die gerade in den letzten Jahren eine stete Modernisierung erfahren hat. Man denke nur an das UrhWissG vom 31. 12. 2018 oder die sich in den letzten Zügen des europäischen Gesetzgebungsprozesses befindliche Richtlinie zum Urheberrecht in einem Digitalen Binnenmarkt. Wie spannend diese Entwicklung ist, zeigt allein schon das monatelange Ringen des EU Parlaments um eine einheitliche Position zu diesem Richtlinienentwurf.

Der Schutz des schöpferisch Tätigen und derjenigen, die ihn bei der Wertschöpfung begleiten – und dies schließt sicherlich zuvorderst auch Verlage mit ein – ist und bleibt eine legitime Antipode zu dem gesellschaftspolitischen Ziel eines breiten Zugangs zu Wissen und Information. Letztere kommen aber zumeist im Gewand urheberrechtlich geschützter Werke daher. Ist dies einmal nicht der Fall, spricht dem Grunde nach nichts gegen eine freie Zugänglichkeit.

Dass es zwischen schwarz und weiß doch auch einige Grautöne gibt, beweist der jüngste Streit um das Angebot der gemeinnützigen Open Knowledge Foundation. Seit ein paar Wochen veröffentlicht diese Foundation unter der URL www.offenegesetze.de die Bundesgesetzblätter des Bundes kostenlos im Netz. Die Nutzungsmöglichkeiten sind mannigfaltig und erfüllen sämtliche Anforderungen modernen digitalen Arbeitens. “Wo ist das Problem?” mag man sich fragen.

Nun, bislang wurden besagte Gesetze ausschließlich über den Bundesanzeiger Verlag veröffentlicht. Dieser war ursprünglich in öffentlicher Hand. Die Privatisierung erfolgte dann 2006. Heute zählt der Verlag zur Dumont Mediengruppe. Unter der URL www.bgbl.de konnten die Gesetze schon vor offenegesetze.de kostenfrei eingesehen werden. Eine durchsuchbare, druckbare und anderweitig nutzbare Version gab und gibt es dort jedoch nur gegen Entgelt. Zwar sind Gesetzestexte als solches nicht urheberrechtlich schützbar, doch beruft sich der Bundesanzeiger Verlag auf sein Recht als Datenbankhersteller im Sinn der §§ 87 a ff. UrhG. Es liegt daher auf der Hand, dass das neue kostenfreie Angebot der Open Knowledge Foundation nicht ganz konfliktfrei ist.

Das Thema als solches ist nicht ganz neu, muss man gestehen. Ob trotz der grundsätzlichen Gemeinfreiheit der individuellen Texte ein Datenbankschutz bestehen kann, beschäftigte den BGH bereits im Jahr 2006 in einem ähnlich gelagerten Fall (Beschl. v. 28. 9. 2006 – I ZR 261/03, WRP 2007, 663). Im Mittelpunkt standen damals Ausschreibungsunterlagen der öffentlichen Hand. Die Richter äußerten seinerzeit die Ansicht, dass amtlichen Datenbanken in analoger Anwendung des § 5 UrhG kein sui generis Schutz zugesprochen werden könne. Vielmehr müssten Datenbanken im Sinne des § 87 a UrhG und urheberrechtliche Datenbankwerke nach § 4 Abs. 2 UrhG gleich behandelt werden. Zu einer abschließenden Entscheidung kam es jedoch nicht, da die Revision noch während der Anhängigkeit eines Vorlageverfahrens vor dem EuGH zurückgenommen wurde.

Es ist nicht ausgeschlossen, dass das neue Angebot von OffeneGesetze.de hier nun eine höchstrichterliche Klärung herbeiführt. Der Ansatz ist dabei klar: nur wo Urheberrechtsschutz besteht, kann der Informationszugang beschränkt werden – sei es in Form einer Entgeltlichkeit oder eine eingeschränkte Nutzbarkeit der in Rede stehenden Inhalte.

Übrigens finden sich Aspekte des vorstehenden Konflikts auch in einem weiteren derzeit vor dem EuGH anhängigen Verfahren wieder. Dort geht es um die sogenannten Afghanistan Papiere und die Frage, ob sich die Bundesrepublik auf Urheberrecht an militärischen Lageplänen berufen kann (Az. C-469/17). Generalanwalt Szpunar hat sich Ende Oktober 2018 in seinen Schlussanträgen zugunsten der Informationsfreiheit geäußert. Er sieht die urheberrechtliche Schutzfähigkeit amtlicher Dokumente eher kritisch. Zugestanden sei allerdings, dass der Generalanwalt sich nicht speziell mit dem Datenbankschutz auseinandergesetzt hat.

Wichtig dürfte vor allem sein, dass es sich beim Schutz von Datenbanken letztlich um einen Investitionsschutz und gerade nicht um den Schutz schöpferischer Leistung eines einzelnen handelt. Urheberpersönlichkeitsrechte spielen mithin per se keine Rolle. Rein monetäre Interessen ziehen im Rahmen der Abwägung nicht selten den sprichwörtlich “kürzeren”, wenn es um das Allgemeininteresse am ungehinderten Zugang zu Information geht. Man wird sehen müssen, ob dies auch hier so sein wird.

RA Dr. Nils Rauer, Frankfurt a. M.

 
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