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Falsche Impulse aus dem Justizministerium – was wirklich gegen rechtswidrigen Hass im Netz hilft

Abbildung 1

RA Dominik Höch, Berlin

Fragt man Mandanten, die von Beleidigungen und Unwahrheiten im Netz betroffen sind, was ihnen am wichtigsten ist, so hört man meistens: Erstens, der Beitrag soll sofort verschwinden. Zweitens: Der “Schmierfink” soll dafür bezahlen – mindestens die Anwaltskosten, ggf. sogar Schmerzensgeld. Leider ergibt sich aus den neuen Referentenentwürfen des Bundesjustizministeriums zur Überarbeitung des Netzwerkdurchsetzungsgesetzes (NetzDG) bzw. des Gesetzes zur Bekämpfung des Rechtsextremismus und der Hasskriminalität wenig, was diese vorrangigen Ziele unterstützen würde. Das überrascht, weil die Politik sich mit der Überarbeitung auf die Fahnen geschrieben hat, dem “Hass im Netz” noch breitbeiniger gegenüberzutreten. Herausgekommen ist bisher aber eher ein Förderprogramm für staatliche Bürokratie. Zwei Beispiele:

  • Die sozialen Netzwerke sollen bei bestimmten schweren Delikten verpflichtet werden, rechtswidrige Postings an das Bundeskriminalamt zu melden. Man fragt sich ernsthaft, was das bringen soll. Welchen Sinn hat ein solches Verzeichnis, zumal sich die Anwälte schon über mehrere Instanzen darüber streiten können, ob “blöde Kuh” nun eine Beleidigung oder gerade noch zulässig ist. Oder: § 130 StGB (für den u. a. die Meldepflicht gelten soll) wirft schwierige juristische Fragen auf. Sprich: Bei dieser Unsicherheit soll ein Nutzer, der sich im Niveau seiner Sprache vergriffen hat, aber sich eben gerade noch nicht rechtswidrig geäußert hat, in einer solchen Kartei bei Deutschlands obersten Strafverfolgern stehen?

  • Die Plattformen wie Facebook und Twitter sollen zukünftig über typische “Gruppen” von Tätern und Opfer äußerungsrechtlicher Straftaten im Netz Auskunft erteilen (§ 2 Abs. 2 Nr. 12 und 13 NetzDG RefE). Der Sinn ist unklar; Befürchtungen, aus dem NetzDG werde allmählich eine Art “Internet-Analysegesetz” (so der Journalist Hendrik Wieduwilt, https://twitter.com/hwieduwilt/ status/1222825402529460224) sind nicht von der Hand zu weisen.

  • Und was ist mit der viel diskutierten Klarnamenspflicht? Sie ist zurzeit im Gesetzentwurf nicht vorgesehen, wird aber in der Politik gerne gefordert. Man kann es kurz machen: Realitätsfern, schädlich für Whistleblower, nicht erforderlich (viele Nutzer beleidigen unter Klarnamen; die staatlichen und privaten Auskunftsansprüche genügen dem Grunde nach).

Ein paar positive Ansätze sind im Entwurf schon drin, so ein Beschwerde-und-Gegenrede-Verfahren zwischen Äußerndem und Betroffenen und eine außergerichtliche Streitbeilegung. Und man sollte nicht verkennen: das NetzDG hat in seiner seit Herbst 2017 geltenden Fassung zumindest Bewegung in die Prüfpraxis der sozialen Netzwerke gebracht. “Gefühlt” behandelt vor allem Facebook Beschwerden schneller, wobei die Entscheidungen “zulässig/unzulässig” häufig erratisch wirken, zumal – so der Eindruck – immer noch eher die eigenen “Gemeinschaftsstandards” Grundlage der Entscheidung sein dürften als das geltende deutsche Recht. Vor der Einführung des Gesetzes bestand Sorge vor einem “Overblocking”, dass also Facebook & Co. tendenziell auch rechtmäßige Beiträge löschen. Immer mehr Nutzer wehren sich aber (auch gerichtlich) gegen solche Löschungen, so dass die Netzwerke nun auch “Druck” von den Autoren der Beiträge zu erwarten haben, was ausgleichend wirken sollte.

An dieser Stelle ist der Gesetzentwurf zur Änderung des NetzDG zu loben: Die Netzwerke müssen nicht nur für gerichtliche Schritte auf Löschung, sondern auch für solche auf Wiederherstellung zu Unrecht gelöschter Posts einen Zustellungsbevollmächtigen in Deutschland bereithalten. Das geht aber noch nicht weit genug: Das Gesetz und der Entwurf beziehen diese Pflicht nur auf Streitigkeiten wegen der Straftaten der § 185 ff. StGB sowie weiterer Straftaten (vgl. § 5 Abs. 1 S. 2 i. V. m. § 1 Abs. 3 NetzDG). Nicht immer verletzt eine (zivilrechtlich unzulässige) Schmähkritik aber ein Strafgesetz. Auch die “einfachen” Persönlichkeitsrechtsverletzungen nach §§ 823, 1004 BGB analog i. V. m. Art. 1 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 1 GG müssen ausreichen, um die Pflicht für einen Zustellungsbevollmächtigten auszulösen.

Was ist also zu tun, um Hass im Netz effektiver zu begegnen? Sich an dem orientieren, was Betroffenen etwas bringt: Staatsanwaltschaften und Gerichte so ausstatten, dass die Ermittlung von Täter rasch und effektiv gelingen kann. Sei es in zivilrechtlichen Auskunftsverfahren nach § 14 Abs. 3 TMG oder im Rahmen von Strafanzeigen. Hoffnungsvolle Ansätze gibt es: Das Land Hessen hat die Zentralstelle zur Bekämpfung der Internet- und Computerkriminalität erheblich verstärkt und fordert Bürger nun aktiv auf, mögliche strafbare Äußerungen zu melden. Andere Länder wollen nachziehen. Echte Experten, die nicht unter den zu bearbeitenden Akten versinken statt Datensammler beim BKA. So hat der Kampf gegen (rechtswidrigen) Hass eine Chance.

RA Dominik Höch, Berlin

 
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