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EU-Leistungsschutzrecht für Presseverleger: Wirkungslos schon vor Ablauf der Umsetzungsfrist?

Abbildung 1

RA Dr. Alexander R. Klett, LL.M. (Iowa), München

Die in wesentlichen Punkten bekanntlich sehr umstrittene Richtlinie (EU) 2019/790 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. 4. 2019 über das Urheberrecht und die verwandten Schutzrechte im digitalen Binne_nmarkt ist am 17. 5. 2019 im Amtsblatt der EU veröffentlicht worden. Sie trat am 20. Tag nach Veröffentlichung in Kraft (Art. 31 der RL). Die Umsetzung der Richtlinie in das nationale Recht der Mitgliedstaaten, soweit erforderlich, soll bis zum 7. 6. 2021 erfolgen (Art. 29 Abs. 1 der RL). Dies gilt natürlich auch für Art. 15 mit der Bezeichnung “Schutz von Presseveröffentlichungen im Hinblick auf die Online-Nutzung”.

Bei dieser Bestimmung handelt es sich um das nun auf europäischer Ebene eingeführte Leistungsschutzrecht für Presseverlage, welches die EU-Kommission (nicht zuletzt Herr Oettinger) unbedingt haben wollte, obwohl die bisherigen nationalen Erfahrungen mit einem solchen Recht sehr zweifelhaft waren. Als Deutschland 2013 und Spanien 2014 national ein Leistungsschutzrecht für Presseverleger einführten, hat Google in beiden Ländern reagiert und seinen Service Google News um- bzw. abgestellt und in Deutschland Verlagen mitgeteilt, dass sie bei Google nur dann weiterhin mit Link und kurzem Ausschnitt aus Artikeln vertreten sein können, wenn sie dies ausdrücklich wünschen und auf Vergütungen nach §§ 87 f, g UrhG verzichten.

Das deutsche Leistungsschutzrecht begegnet verfassungsrechtlichen Bedenken, die vom BVerfG allerdings bis zur Rechtswegerschöpfung zurückgestellt wurden (BVerfG, 10. 10. 2016 – 1 BvR 2136/14).

Die VG Media begann 2014 in Deutschland Suchmaschinenbetreiber abzumahnen und nachfolgend Verfahren bei der Schiedsstelle einzuleiten, um Vergütungen nach §§ 87 f, g UrhG durchzusetzen. Bei der Schiedsstelle gelang dies nicht. Sodann setzte die VG Media den Rechtsstreit gegen Google vor dem LG Berlin und gegen Yahoo vor dem LG Leipzig fort. Das LG Berlin setzte das Verfahren aus und legte dem EuGH die Frage vor, ob das deutsche Gesetz der EU-Kommission hätte notifiziert werden müssen. Der EuGH kam vor kurzem zu dem Ergebnis, dass dies der Fall ist und die §§ 87 f, g UrhG damit wirkungslos sind, weil sie mangels Notifizierung nicht anwendbar sind (EuGH, Urteil vom 12. 9. 2019 – C-299/17 – VG Media). Die VG Media hat daraufhin im Verfahren gegen Yahoo die Klage zurückgenommen. Sie hat riesige Mittel für den Versuch der Durchsetzung des Leistungsschutzrechts aufgewandt, aber ohne Ertrag.

Trotz der deutschen und spanischen Vorgeschichte hatte es Frankreich besonders eilig, Art. 15 der Richtlinie als erster Mitgliedsstaat in nationales Recht umzusetzen. Es stellt sich die Frage, ob eine so verfrühte Umsetzung einer EU-Richtlinie zulässig ist. Frankreich hat bereits im Vorgriff auf die Verabschiedung der Richtlinie ein Gesetz für ein Leistungsschutzrecht für Presseverleger auf den Weg gebracht, es schon am 9. 5. 2019 in der Nationalversammlung verabschiedet und am 23. 7. 2019 im Senat. Das Gesetz ist vom 24. 7. 2019 (LOI no 2019-775 du 24 juillet 2019) und trat am 24. 10. 2019 in Kraft.

Am 25. 9. 2019 verkündete Google mit Blick auf das nahende Inkrafttreten des Gesetzes, dass man in Frankreich sowohl in der Suchmaschine als auch in Google News (dort: Google Actualités) Inhalte von Presseverlegern nicht mehr anzeigen werde, es sei denn diese bitten ausdrücklich darum und geben ihr Einverständnis zur kostenlosen Nutzung von Inhalten durch Google.

Diese Erklärung von Google führte zu erregten Reaktionen unter anderem des französischen Kulturministers Franck Riester, der höchstpersönlich mit Google telefoniert hat. Franck Riester sagte in einer Presseerklärung am selben Tag, die “einseitige Bestimmung der Spielregeln” durch Google verletze den Geist der Richtlinie und ihren Wortlaut. Dies sei nicht akzeptabel.

Wundern darf er sich über die Reaktion durch Google nicht. Sie war vorhersehbar. Die ministeriale Empörung erstaunt, denn er müsste wissen, wie die Auswirkungen des Presseleistungsschutzrechts in Spanien und Deutschland gewesen sind. Die Herangehensweisen wiederholen sich: Der Gesetzgeber schafft ein neues absolutes Recht für eine bestimmte Gruppe von Leistungsschutzberechtigten (Presseverleger), die als Vergütungsschuldner ins Visier genommenen Suchmaschinenbetreiber und andere Suchportale sind an dem Erwerb einer Gestattung zur Nutzung des Rechts aber nicht interessiert und versuchen es zu umschiffen. Dann wird öffentlich versucht, auf Google Druck zu machen. Google lässt sich allerdings nicht beeindrucken. So wird das EU-Leistungsschutzrecht voraussichtlich nicht nur in Frankreich ähnlich “wirkungsvoll” sein wie seinerzeit in Deutschland und Spanien.

RA Dr. Alexander R. Klett, LL.M. (Iowa), München

 
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