Editorial
Vier Fraktionen des Deutschen Bundestages (CDU/CSU, SPD, FDP und Bündnis 90/Die Grünen) haben am 16. April 2013 einen Antrag an den Bundestag (BT-Drs. 17/13086) gestellt, in dem es darum geht, die Patentierung von Computerprogrammen effektiv zu begrenzen. Die entsprechenden Vorschläge sind darauf gerichtet, den patentrechtlichen Schutz für die Computerprogramme auf Anwendungen zu beschränken, bei denen die Programme unmittelbar in ein realtechnisches Geschehen eingebunden sind. Es sollen nur noch Programme patentrechtlich geschützt werden, die vormals bestehende Techniken ersetzen; gedacht ist wohl in erster Linie, wahrscheinlich sogar ausschließlich, an die Gebiete der Regel-, Mess- und Steuertechnik.
Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) und die Spruchpraxis der Beschwerdekammern des Europäischen Patentamts (EPA), nach der die Software weitergehend geschützt wird, würden nach der Ansicht der Fraktionen Schutzbereiche schaffen, die wettbewerbsschädlich sind und zudem den rechtspolitisch bevorzugten urheberrechtlichen Schutz für die Programme missachten.
Durch diese Rechtsprechung würden für den Softwareentwickler große Risiken entstehen, weil er Gefahr läuft, bei seiner Entwicklungstätigkeit in patentrechtlich geschützte Bereiche einzudringen, womit große Haftungsrisiken verbunden sind. Die Fraktionen verweisen insoweit auf die europäische Softwarerichtlinie aus 1991 (Richtlinie 91/250/EWG), die durch die §§ 69 a ff. UrhG umgesetzt wurde und den urheberrechtlichen Schutz zumindest festigen sollte, was durch einen zu weit reichenden patentrechtlichen Schutz zumindest eingeschränkt werde.
Die Bundesregierung wird dazu aufgefordert, darauf hinzuwirken, den Softwareschutz auf Lehren zu beschränken, „bei denen das Computerprogramm lediglich als austauschbares Äquivalent eine mechanische oder elektromechanische Komponente ersetzt …“
Um zu verstehen, was eigentlich gewollt ist, bzw. welche Probleme gelöst werden sollen, muss zweierlei erklärt werden. Warum entstehen im Zusammenhang mit dem patentrechtlichen Softwareschutz schädliche Monopole und wie hängt dies nun mit dem Urheberrecht zusammen, dessen Schutzbereich durch die Ausweitung des patentrechtlichen Schutzes zum Nachteil vieler Softwareentwickler ausgehöhlt sein soll?
Die gesetzliche Ausgangslage sowohl im deutschen Patentgesetz wie in der europäischen Patentübereinkunft (EPÜ) ist, dass Computerprogramme nicht generell aber „als solche“ vom patentrechtlichen Schutz ausgeschlossen sind. Mit der „als solche“-Formel ist nach heute wohl h. M. gemeint, dass ein Programm nur in dem Umfang geschützt werden darf, wie durch oder mit der Software ein ganz konkretes technisches Problem gelöst wird. Diese Begrenzung ist auch nötig. Ein Computerprogramm besteht aus einer Folge von Algorithmen. Algorithmen gehören der Mathematik an, sie sind Ergebnisse der Booleschen Schaltalgebra. Die mathematischen Lehren „als solche“ sind seit je her vom patentrechtlichen Schutz ausgeschlossen. Dies ist auch gut verständlich, weil mathematische Lehren vielfach verwendbar sind. Es würden durch das Patentrecht andernfalls Monopole geschaffen werden, deren Reichweite nicht mehr einzuschätzen wäre.
Für die Computerprogramme soll nach der im Antrag vertretenen Auffassung ebenso wie für die mathematischen Lehren gelten, dass sie nur im Zusammenhang mit (real-)technischen Problemlösungen und nur insoweit Schutz erfahren; wird dieser Bereich verlassen, sollen auch die neuen Lehren nicht mehr geschützt werden. Ein zu weit gefasster patentrechtlicher Schutz der Algorithmen würde auch auf den urheberrechtlichen Schutz Einfluss nehmen, weil die Softwareentwickler nun diesen Algorithmus wegen des umfassenden patentrechtlichen Schutzes nicht mehr für eigene „Veredelungen“ oder Verwertungen in selbst geschaffenen Programmen verwenden dürfen. Mehr noch – die Softwareentwickler müssten ständig damit rechnen, dass sie bei ihrer Arbeit patentrechtlich geschützte Algorithmen, zumindest Teile davon, verwenden.
Es werden im Antrag der Fraktionen dann drei Entscheidungen des BGH genannt („Steuerungseinrichtung für Untersuchungsmodalitäten“ aus 2009; „Windows-Dateiverwaltung“ aus 2010; „Dynamische Dokumentengenerie¬
Nun mag es sich in der Tat so verhalten, dass gerade bei diesen Programmen eine Schutzbegrenzung schwieriger ist, als dies bei den der realen Technik näher stehenden Programmen ist. So hat auch in der Entscheidung „Dynamische Dokumentengenerierung“ der 17. Senat des Bundespatentgerichts gerügt, dass „die Lehre nicht auf konkrete Maßnahmen zur Abbildung der Anfrageparameter auf einen begrenzten Befehlssatz beschränkt, sondern eher abstrakt formuliert ist“; dies sollte aber nicht dazu führen unbestritten technische Algorithmen generell vom patentrechtlichen Schutz auszuschließen. Dies wäre wegen der unbestrittenen Technizität dieser Programme schon systemwidrig.
Ein genereller Ausschluss wäre erst dann richtig, wenn eine Schutzbegrenzung, die dem Freihaltungsinteresse der Allgemeinheit genügen würde, nicht möglich erscheint. Dies ist aber nicht der Fall.
Um den patentrechtlichen Schutz im Hinblick auf den funktionalen Wettbewerb und damit verbunden, auch im Hinblick auf die Beachtung des urheberrechtlichen Schutzbereiches, sinnvoll einzugrenzen bedarf es dieser im Antrag formulierten Ausgrenzung nicht.
Die Lösung des gegenständlichen Problems liegt nicht in einer systemfremden Begrenzung des patentrechtlichen Schutzes der Programme auf die Bereiche der Regel-, Mess- und Steuertechnik, sondern in der strikten Eingrenzung des Schutzbereichs auf die konkreten benannten technischen Funktionen, die die Software erfüllen kann. Erst wenn diese Schutzbegrenzung nicht mehr möglich ist, ist der patentrechtliche Schutz auszuschließen.
Prof. Dr. Dr. Jürgen Ensthaler