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EWS 2021, I
Hördt/Hornung 

Zeitenwende bei GmbH-Gründungen in Deutschland?

Abbildung 1

Abbildung 2

Deutschland hinkt trotz der EU-Digitalisierungsrichtlinie bei Online-Gründungen von Gesellschaften hinterher

“Das Internet ist für uns alle Neuland” – dieser Satz Angela Merkels aus dem Jahr 2013 ist leider immer noch prägend für den Stand der Digitalisierung in Deutschland. Über diese Zustände herrscht in der Bevölkerung und Politik schon lange große Unzufriedenheit, in der Politik jedoch anscheinend nur verbal und ohne Reformeifer. Die “Politik der kleinen Schritte” ist diesbezüglich ein schmerzhafter Standortnachteil für die Bundesrepublik. Gerade im Bereich der Gesellschaftsgründungen wird dies deutlich.

Im Zuge des Brexit mussten viele ausländische Unternehmen, die zuvor innerhalb der EU im Vereinigten Königreich und Nordirland einen Standort hatten, diesen verlagern. Deutschland, als wirtschaftlich stärkstes und bevölkerungsreichstes Land in der EU, war eines der attraktivsten Ziele. Dabei sind ausländische Investoren aber auf für sie in der Praxis kaum vorstellbare Hindernisse und hohen bürokratischen Aufwand gestoßen. Während z. B. in Irland die Gesellschaftsgründung online und quasi “über Nacht” möglich ist, sind in Deutschland erhebliche Einschränkungen vorhanden. Allein der Gang zum Notar ist ein in anderen Ländern nicht notwendiger, erheblicher Aufwand oder war während bestehender Einreisebeschränkungen in der Pandemie für ausländische Gesellschaftsgründer praktisch nicht möglich.

In der EU war man sich schon früher dessen bewusst, dass Europa, um international konkurrenzfähig sein zu können, digitaler werden muss. Nach langer Vorlaufzeit wurde am 20. 06. 2019 die Richtlinie zur Änderung der Richtlinie (EU) 2017/1132 im Hinblick auf den Einsatz digitaler Werkzeuge und Verfahren im Gesellschaftsrecht (ABl. 2019 L 186/80) – Digitalisierungsrichtlinie (EU 2019/1151) verabschiedet.

Die in vielen Mitgliedstaaten der EU seit Jahren bestehenden Möglichkeiten, Gesellschaften ausschließlich online zu gründen, müssen nunmehr auch in Deutschland verwirklicht werden. Ziel der Digitalisierungsrichtlinie ist es, den Einsatz von digitalen Werkzeugen und Verfahren im Gesellschaftsrecht voranzutreiben, um europaweit die Gründung von Gesellschaften und Zweigniederlassungen zu vereinfachen.

Obwohl Deutschland die Option zur Verlängerung der Umsetzungsfrist wahrgenommen hat, muss man feststellen, dass die Umsetzung aus praktischer Sicht äußerst mangelhaft ist. Das Gesetz zur Umsetzung der Digitalisierungsrichtlinie – DiRUG (BGBl. I 2021, 3338) stellt nur scheinbar eine Vereinfachung dar. Die zum 1. 8. 2022 in Kraft tretenden Regelungen bergen erhebliche Hürden in sich.

Der deutsche Gesetzgeber hat weder die Gelegenheit genutzt, eine umfassende Reform vorzunehmen, noch ein vereinfachtes, handhabbares Verfahren geschaffen. Die Online-Gründung ist auf GmbHs und die UG beschränkt, während die Möglichkeit nach der Richtlinie, auch AGs online zu gründen, nicht berücksichtigt wurde.

Auf dem Papier sind zwar die Kriterien für eine Onlinegründung erfüllt,

  • die physische Präsenz des Gründers vor der hierfür zuständigen Stelle (Notar) entbehrlich zu machen, und

  • die Online-Gründung einer Gesellschaft mit natürlichen Personen als Gesellschafter und unter Verwendung von vorgegebenen Mustern innerhalb von fünf Arbeitstagen zu ermöglichen, ansonsten auf zehn Arbeitstage zu verkürzen.

Faktisch sind die Hürden aber sehr hoch.

So wurde der Notar als sog. “Gatekeeper” für die Registergerichte erhalten. Zwar reicht für die Unterzeichnung des Gesellschaftsvertrages durch die Beteiligten nunmehr eine qualifizierte elektronische Signatur aus und es ist kein persönliches Erscheinen vor dem Notar erforderlich. Jedoch zeigt sich gerade hier ein Nadelöhr. Die Anforderungen an eine qualifizierte elektronische Signatur sind so hoch, dass diese in der Praxis kaum genutzt wird. Aktuell ist daher eher zu erwarten, dass sich an der gängigen Praxis wenig ändert – ein klarer Wettbewerbsnachteil für den Wirtschaftsstandort Deutschland, der sich durch ein zu starkes Verhaften in der Rechtstradition ergibt. Der hohe Sicherheitsgedanke des Gesetzgebers verhindert an dieser Stelle, dass auch im deutschen Recht, wie in den Common Law-Rechtsordnungen, eine pragmatische, moderne und wirtschaftsfreundliche Lösung für Fragestellungen der Digitalisierung entsteht. Der Sicherheitsgedanke des Gesetzgebers mag nicht falsch sein. Fraglich ist jedoch, ob es in jedem Fall einer Gesellschaftsgründung notwendig ist, dass der Notar den Parteien den Vertragstext vorlesen muss, z. B. bei Musterprotokollgründungen erscheint dies fraglich. Möchte man den Notar als “Gatekeeper” beibehalten, sind sicherlich einfachere Wege, wie die bloße Ausfertigung der Dokumente, und einfachere Systeme als die qualifizierte elektronische Signatur denkbar. Auf diesem Wege könnte man den (Sicherheits-)Gedanken des deutschen Rechts mit den vergleichsweise einfachen Regeln des Common Law verbinden und ein effizientes und vertrauensvolles System schaffen.

Es wäre wünschenswert, wenn die Ampelkoalition, die gerade die Digitalisierung vorantreiben will, diese Punkte aufnehmen würde. Insbesondere im Hinblick auf geplante Freihandelsabkommen, wie z. B. mit Australien, würde dies den Standort Deutschland attraktiver gestalten, im internationalen Vergleich für die Zukunft rüsten und konkurrenzfähig halten.

Dr. Michael Hördt, M.C.L. (Mannheim/Adelaide), Rechtsanwalt, Syndikusrechtsanwalt

Leander Hornung, Rechtsanwalt, Frankfurt a. M.

 
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