Fusions-, Investitions- und Drittstaatensubventionskontrolle: (k)eine unendliche Geschichte?!
Selbst bei bester Vorbereitung haben Unternehmen die Verfahrenslänge nur bedingt in der Hand
Gerade tritt neben die Fusions- und Investitionskontrolle mit der Drittstaatensubventionsverordnung eine dritte Säule, die Unternehmen beachten müssen, bevor sie fusionieren. Den drei Säulen ist in fast allen Jurisdiktionen weltweit gemein, dass vor Freigabe(-fiktion) grundsätzlich ein Vollzugsverbot gilt. Die benötigten Freigaben können heutzutage, selbst in einfachen Fällen, für alle drei Säulen und global betrachtet schnell 10–20 Verfahren umfassen. In komplexeren Konstellationen – und dazu gehören schon (kleine) gemeinsam kontrollierte Joint Ventures größerer Mütter – ist von deutlich höheren Verfahrenszahlen auszugehen. Entsprechend lang und unvorhersehbar sind die Zeitlinien. Hier bedarf es weltweiter, einheitlicher Lösungen.
Wenn Fusions-, Investitions- und Drittstaatensubventionsverfahren überall auf der Welt (einigermaßen) zügig und im Rahmen vorhersehbarer Fristen und Kosten erfolgen, ist dies für die Unternehmen planbar. Dies ist immer weniger der Fall.
Denn die Ausweitung der Regime auf mehr Säulen und die Vielzahl der individuellen Vorgaben in multi-jurisdiktionellen Anmeldeverfahren führen schon in einfachen Fällen mittlerweile regelmäßig zu monatelangen und schwer kalkulierbaren Zeitlinien. So kann schon im August die Planung eines Closings zum Jahresende in einem inhaltlich einfachen, aber länderübergreifenden M&A-Deal je nach betroffener Jurisdiktion und Säule sportlich sein. Früher lag der Cut-off in einfachen Fällen tendenziell im Spätherbst. Verfahrensdauern von 6–9 Monaten in “No Brainer”-Konstellationen und 12–24 Monaten in komplexen Fällen sind an der Tagesordnung. Während dieses Zeitraums herrschen Unwägbarkeiten und die Unternehmen müssen weiter unabhängig agieren, oft in aufwendigen Clean Team Settings. Die langen Zeiträume passen auch immer häufiger nicht zu den übrigen rechtlichen Rahmenbedingungen, beispielsweise den Fristen von öffentlichen Übernahmeangeboten.
Volkswirtschaftlich wünschenswert ist dies nicht. M&A-Transaktionen sollten so effizient und einfach wie möglich verlaufen. So hatten der europäische und der deutsche Gesetzgeber die Einführung der Fusionskontrolle als erste Säule ursprünglich an klare Vorgaben in Form von kalkulierbaren Umsatzschwellen und strikte Fristen gebunden. Das ist in mehr und mehr Jurisdiktionen auf der Welt aufgeweicht. So gibt es Länder, die bei Anmeldepflichten auf niedrige weltweite Umsätze rekurrieren, gleichwohl Inlandsauswirkungen selbst bei fehlenden Inlandsumsätzen der fusionierenden Parteien bejahen. Auch in Europa hat sich über die Jahre die Praxis Schritt für Schritt von der Ausgangsidee entfernt. Die Schwellenwerte sind in der Fusionskontrolle inflationsbedingt und durch Sonderregelungen (u. a. zusätzliche Kaufpreisklauseln, breitere Aufgreifmechanismen über Verweisungen) ausgeweitet worden. Gesetzliche Fristen machen in vielen Ländern nur noch einen Bruchteil der tatsächlichen Dauer der Verfahren aus. Die Vorgespräche (pre-notification phase) können deutlich länger dauern als das eigentliche Verfahren. Dies gilt noch mehr für die zum Teil immer noch weniger etablierten Investitionskontrollverfahren. Auch die inhaltlichen Anforderungen an die Anmeldungen selbst wurden über die Jahre in der Fusions- und der Investitionskontrolle immer weiter hochgeschraubt. Zugleich werden die Prüfungsmaßstäbe immer komplexer. Neue Schadenstheorien in der Fusionskontrolle insbesondere bei Technologie- und Plattformmärkten und die wieder verstärkte Prüfung von vertikalen und konglomeraten Effekten stehen weltweit in Rede. In den Investitionskontrollverfahren werden mehr und mehr Sektoren und schon niedrigste Beteiligungen erfasst. Die Ressourcen in den kontrollierenden Behörden sind hingegen im globalen Durchschitt weiter knapp bemessen.
Erfreulicherweise hat die Kommission in der Fusionskontrolle auf diesen Trend reagiert und kürzlich Vereinfachungen sowohl für die Form CO (Formular CO, Anhang der DVO (EU) 2023/914 zur VO (EG) Nr. 139/2004) als auch für das vereinfachte Verfahren beschlossen, die zum 1.9.2023 in Kraft treten. Sie hat auch die Anforderungen an Anmeldungen nach der Drittstaatensubventionsverordnung in letzter Sekunde noch einmal deutlich abgesenkt. Das alles sind Schritte in die richtige Richtung. Sie sollten ein Ansporn sein, die Fusions-, Investitions- und Subventionskontrollen auch in anderen Rechtsordnungen (wieder) anzugleichen an reelle Schwellen, Prüfungsparameter, Kosten und Fristen. Nur so werden die Belastungen der Unternehmen – gemessen an den wichtigen Zielen der drei Säulen – auf ein vertretbares Maß begrenzt. Damit internationale Zusammenschlüsse von Unternehmen keine unendliche Geschichte werden.
Prof. Dr. Daniela Seeliger, LL.M. (King's College), Rechtsanwältin, Düsseldorf