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EWS 2018, I
Schwab 

Anzeigepflicht für Steuergestaltungen – neue Bürokratie – alte Probleme

Abbildung 1

Am 13. 3. 2018 wurde der Vorschlag der Europäischen Kommission zu einer Änderung der Richtlinie 2011/16/EU bezüglich des verpflichtenden automatischen Informationsaustauschs im Bereich der Besteuerung über meldepflichtige grenzüberschreitende Modelle politisch verabschiedet. Die Richtlinie soll bis zum 31. 12. 2019 in nationales Recht umgesetzt und ab dem 1. 7. 2020 angewendet werden.

Ziel der EU ist, im Sinne von Aktionspunkt 12 der OECD/G20 für eine verbesserte Transparenz zu sorgen. Die Finanzverwaltungen sollen über die eingeführten Meldepflichten früher als bisher Informationen über potentiell aggressive grenzüberschreitende Steuergestaltungen erhalten. Der Gesetzgeber soll dadurch in die Lage versetzt werden, bei Bedarf zeitnah zu reagieren, um Steuervermeidung und -hinterziehung besser bekämpfen zu können. Dies betrifft insbesondere solche legalen Gestaltungen, bei denen Steuervorteile aus der unabgestimmten Steuerpolitik der Staaten resultieren und von denen Unternehmen bei grenzüberschreitenden Transaktionen profitieren.

Was folgt daraus? Betroffen ist – wieder einmal – in erster Linie der ehrliche Steuerpflichtige. Wer bewusst hinterziehen will, wird dies kaum vorab melden. Dies gilt sowohl für den Steuerpflichtigen selbst als auch für einen Berater, der Gestaltungen für diesen Zweck konzipiert. Wer im EU-Ausland z. B. eine Betriebsstätte eröffnet, muss zukünftig prüfen, ob dies eine meldepflichtige Gestaltung ist. Denn eine grenzüberschreitende Gestaltung nach der Definition der EU-Richtlinie liegt u. a. dann vor, wenn einer der an der Gestaltung Beteiligten in einem anderen Hoheitsgebiet über eine dort gelegene Betriebsstätte eine Geschäftstätigkeit ausübt und die Gestaltung ganz oder teilweise die durch die Betriebsstätte ausgeübte Geschäftstätigkeit darstellt. Zu prüfen sind aber weiterhin auch die in Anhang IV der Richtlinie aufgeführten Kennzeichen, die sog. “hallmarks”. Sie sind teilweise in Verbindung mit einem “Main benefit-Test” zu berücksichtigen. Dieser Test ist erfüllt, wenn nachgewiesen werden kann, dass der Hauptvorteil oder einer der Hauptvorteile aus der Gestaltung die Erlangung eines Steuervorteils ist.

Zwar trifft die Meldepflicht in erster Linie die Intermediäre, sie kann jedoch in bestimmten Fällen auch auf den “relevanten Steuerpflichtigen” übergehen. Ein Intermediär ist laut Richtlinientext “jede Person, die eine meldepflichtige grenzüberschreitende Gestaltung konzipiert, vermarktet, organisiert oder zur Umsetzung bereitstellt oder die Umsetzung einer solchen Gestaltung managt”. Es ist aber weiter auch jede Person, “die – unter Berücksichtigung der relevanten Fakten und Umstände und auf der Grundlage der verfügbaren Informationen sowie des einschlägigen Fachwissens und Verständnisses, die für die Erbringung solcher Dienstleistungen erforderlich sind –, weiß oder vernünftigerweise wissen müsste, dass sie unmittelbar oder über andere Personen” Hilfe, Unterstützung oder Beratung im Hinblick auf eine meldepflichtige grenzüberschreitende Gestaltung geleistet hat.

Interessant werden die zukünftigen Diskussionen sein, wer was wusste oder vernünftigerweise hätte wissen müssen. Vielleicht meldet aber auch einfach jeder alles, um den von den nationalen Gesetzgebern noch festzusetzenden Sanktionen zu entgehen. Das dürfte dann zu einer Datenflut führen, mit der die Finanzverwaltungen überfordert werden. Solange eine zeitnahe Überprüfung der gemeldeten Gestaltungen nicht möglich ist, kann auch das Ziel der Richtlinie nicht erreicht werden. Die Meldepflicht ist dann lediglich ein neues Bürokratiemonster.

Dies gilt auch wegen der Vielzahl der anzuzeigenden Informationen. Der Intermediär muss nicht nur Informationen zu der Gestaltung selbst melden, wie den Inhalt und den “Wert” der Gestaltung, die Angabe der betroffenen Mitgliedstaaten und das Datum der Umsetzung. Vielmehr sind auch Name, Geburtsdatum und -ort, Steueransässigkeit und Steueridentifikationsnummer der Steuerpflichtigen anzugeben, die die Gestaltung umsetzen. Bei marktfähigen Gestaltungen muss alle drei Monate ein Bericht mit Aktualisierungen eingereicht werden. Die gemeldeten Daten werden dann automatisch zwischen den Mitgliedstaaten ausgetauscht.

Dass sich auf diese Art mehr Rechtssicherheit für die Steuerpflichtigen erreichen lässt, wie die EU-Kommission behauptet, ist mehr als zweifelhaft. Schließlich sind die Finanzverwaltungen nicht verpflichtet, auf eine erhaltene Meldung zu reagieren. Und die Steuerpflichtigen dürfen aus dem Ausbleiben einer Reaktion auch keinerlei Folgerungen über eine mögliche Zulässigkeit der Gestaltung ziehen; das wird in der Richtlinie explizit festgehalten. Was und wann von den Finanzverwaltungen geprüft wird, ist nicht nachvollziehbar. Und ob und wie schnell der Gesetzgeber auf geprüfte und als problematisch eingestufte Gestaltungen tatsächlich reagiert, bleibt abzuwarten. Wie auch heute schon bleibt es voraussichtlich weiterhin möglich, dass Gestaltungen über Jahre hinweg durchgeführt werden, ohne dass der Steuerpflichtige weiß, ob seine Rechtsauffassung von der Finanzverwaltung akzeptiert wird oder ob die konkrete Gestaltung im Rahmen einer Betriebsprüfung aufgegriffen und als “unerwünscht” eingestuft wird. Rechts- und Planungssicherheit sehen anders aus.

BStBK-Vizepräsident Dr. Hartmut Schwab, Berlin/München

 
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