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EWS 2017, I
Rautenstrauch 

ATAD – Die Zweite

Abbildung 1

Die erfolgte Unterzeichnung des so genannten Multilateralen Instruments als Ausfluss des OECD Base Erosion and Profit Shifting (BEPS)-Projekts am 7. 6. 2017 durch eine Vielzahl von Staaten wird die Diskussionen über das Schließen von so genannten Steuerschlupflöchern auf internationaler Ebene auch den Sommer über weiter am Leben erhalten. Zündstoff für heiße Debatten dürfte es zur Genüge geben, seit die Europäische Kommission ihre “Kampagne für fairere Besteuerung” (so EU-Finanzkommissar Moscovici) betreibt.

Nach der Umsetzung des Country-by-Country-Reporting und der Verabschiedung der sog. Anti Tax Avoidance Directive I (ATAD I) stehen weitere steuerliche Meilensteine auf dem Programm der EU-Kommission. Zum einen wurde bereits am 23. 5. 2017 die Richtlinie für einen verbesserten Streitbeilegungsmechanismus (Verständigungsverfahren mit Schiedsverfahren) politisch angenommen (die formale Verabschiedung steht noch aus), zum anderen soll bis Ende des Jahres eine “Schwarze Liste” mit unkooperativen Staaten sowie mögliche Handlungsoptionen gegenüber diesen vorgelegt werden. Hinsichtlich der zweiten EU-Richtlinie zur Bekämpfung der Steuervermeidung (Anti Tax Avoidance Directive II – ATAD II) ist die politische Einigung bereits im Februar 2017 getroffen und nunmehr am 29. 5. 2017 auch formal vom Europäischen Rat einstimmig verabschiedet worden.

Bereits die 2016 verabschiedete ATAD I enthielt ein umfangreiches Maßnahmenpaket gegen Steuervermeidung und -verkürzung, u. a. auch Regelungen zu hybriden Gestaltungen, welche allerdings nur auf wenige Fallkonstellationen zwischen Mitgliedstaaten beschränkt waren. Die ATAD II füllt diese Regelungen nun mit Leben aus. Hybride Gestaltungen machen sich zunutze, dass Staaten die Rechtsform einer Gesellschaft, eine Betriebsstätte oder ein Finanzierungsinstrument rechtlich unterschiedlich einordnen und damit in der Regel auch steuerlich jeweils anders behandeln. Wegen der unterschiedlichen Qualifikation kann es in der Folge bei grenzüberschreitenden Sachverhalten zu einem steuerlichen Abzug in beiden Staaten (Double Deduction – D/D) oder zu einem steuerlichen Abzug in einem Staat bei gleichzeitiger Nichtbesteuerung im anderen Staat kommen (Deduction/No Inclusion – D/NI). Die ATAD II schreibt in solchen Konstellationen vor, welcher Staat in den unterschiedlichen Fallkonstellationen die Korrektur vorzunehmen hat, um die unerwünschten D/D- oder D/NI-Folgen zu vermeiden. Dabei folgt die ATAD II weitgehend dem Konzept der OECD, welches in dem finalen Abschlussbericht der OECD zu Aktionspunkt 2 “Neutralisierung der Effekte hybrider Gestaltungen” in 2015 dargelegt wurde.

Was als hybride Gestaltung angesehen werden kann, regelt die ATAD II nun in einem gegenüber der ATAD I erweiterten Katalog:

  1. Rechtsformen (hybrid entity mismatches)

  2. Finanzierungsinstrumente (hybrid financial instrument mismatches)

  3. Umgekehrt hybride Gestaltungen (reverse hybrid mismatches)

  4. Betriebsstätten (hybrid permanent establishments)

  5. Steueransässigkeit (tax residency mismatches)

  6. Importierte Gestaltungen (imported mismatches)

Dabei greift die ATAD II nur solche Gestaltungen auf, die zwischen verbundenen Unternehmen, zwischen Stammhaus und Betriebsstätte und zwischen Unternehmen einer gemeinsam konsolidierten Konzerngruppe bestehen. Bei voneinander unabhängigen Unternehmen muss es sich um eine strukturierte Vereinbarung handeln, um von der ATAD II erfasst zu werden. Hintergrund ist, dass bei diesen individuellen Vereinbarungen beide Seiten die steuerlichen Folgen auf der jeweils anderen Seite kennen und darum die entsprechende Vereinbarung auch schließen.

Umsetzung und Herausforderungen

Mit der Einführung des neuen § 4i EStG hat Deutschland bereits teilweise die Umsetzung der ATAD II vorweggenommen. Die neue Regelung versagt den Abzug von Sonderbetriebsausgaben, wenn diese die Steuerbemessungsgrundlage in einem anderen Staat mindern. Dabei ist die Entstehung der D/D-Situation vor allem der Tatsache geschuldet, dass es sich bei Sonderbetriebsausgaben (und natürlich auch -einnahmen) um eine deutsche Eigenheit aus der Besteuerung von Personengesellschaften handelt. Eine abweichende Behandlung in anderen Staaten ist daher in den meisten Fällen gar nicht zu vermeiden.

Der überwiegende Teil der ATAD-II-Regelungen muss bis Ende 2019 in nationales Recht umgesetzt werden, so dass sie ab dem Jahr 2020 anwendbar sind. Erst dann wird sich in der Praxis zeigen, ob die Regelungen nicht zum Nachteil der Steuerpflichtigen wirken und sogar Doppelbesteuerung verursachen können. Dies könnte dann der Fall sein, wenn der Steuerpflichtige für den steuerlichen Abzug einen Nachweis der steuerlichen Behandlung im Ausland erbringen muss, ihm dies aber nicht gelingt. Ob die Finanzbehörden der Mitgliedstaaten sich über die Erteilung solcher Nachweise rechtzeitig abstimmen, darf bezweifelt werden. Aus deutscher Sicht darf vermutet werden, dass die Finanzbehörden über die erweiterten Mitwirkungspflichten in Auslandssachverhalten den Steuerpflichtigen in die Pflicht nehmen werden. Möglicherweise kann in solchen Situationen der auf EU-Ebene hoffentlich bis dahin neu eingeführte Streitbeilegungsmechanismus helfen.

Dr. Gabriele Rautenstrauch, Steuerberaterin, München

 
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